Kamakura bleibt der Sehnsuchtsort

Neuer Roman von Jürgen Ebertowski: »Die Stadt am Meer« / Robert-Koch-Recherche

»Braumeister«-Autor und Aikido-Krimi-Spezialist Jürgen Ebertowski hat sich an ein neues Thema gewagt: In seinem jüngsten Buch »Die Stadt am Meer« widmet er sich dem heutigen Japan, dem Land, das im März 2011 von einer verheerenden Naturkatastrophe und in der Folge einem Atom-Unfall erschüttert wurde, der die Welt verändert hat. Er begibt sich dabei zugleich auf die Spuren Robert Kochs, denn der Mediziner und Mikrobiologe hat mehrere Wochen in Japan verbracht – in der Stadt Kamakura, in der auch Ebertowski lange gelebt hat.

Einbeck. Von Berlin nach  Japan und zurück - ein Berliner Autor verbringt 2011 mehrere Wochen in Kamakura, einer Stadt an der japanischen Ostküste, die für Kunst und Kultur bekannt ist. Er hat den Auftrag, für ein Buchprojekt über Robert Koch dort vor Ort zu recherchieren. Das passt gut, denn kennt er Japan und gerade diese Stadt, »seine kleine Stadt am Meer«, selbst von früheren Aufenthalten. So unternimmt der Erzähler eine Reise in die eigene Vergangenheit, in der es einige Dinge sind, die offen sind und die er nun im Nachhinein vermutlich anders machen würde – wenn er könnte.

Das Fernweh hat den Ich-Erzähler nach dem Abitur in die Welt getrieben, er wollte der Enge der damals noch von der Mauer umschlossenen Stadt entkommen, und er hat viele Jahre als Deutsch-Lehrer in Japan verbracht. Gute Zeiten sind das für ihn, aber schließlich ist das Heimweh doch stärker, auch wenn er sich das zunächst nicht eingestehen will. Was ihn zunächst als besonders und exotisch fasziniert hat, verkehrt sich nach und nach ins Gegenteil, und er bleibt der »gaijin«, der Fremde, durchaus nicht immer mit freundlichem Unterton. Die Rückkehr erfolgt in ein »anderes« Berlin: Die Mauer ist weg, die Stadt explodiert förmlich, und auch das eigene Leben ändert sich rapide, sowohl privat als auch beruflich. In Japan hat er sich im Bereich des Aikido weitergebildet, und jetzt kann er davon profitieren: Er eröffnet in Berlin ein Studio und wird ein gefragter Lehrer. Auch privat stellt sich schließlich nach einer gescheiterten Ehe ein neues Glück ein. Allerdings: In Japan hat der Autor noch den langjährigen Freund und Mitbewohner, Andreas, und als es schließlich zum Wiedersehen kommt, ist das schmerzlich: Andreas ist todkrank.

Diese Reise ist aber auch die einzige Rückkehr nach Japan, bis eben das Angebot für die Robert-Koch-Recherche kommt. Gemeinsam mit seiner Frau Hedwig hat er 1908 Japan besucht, wo er von seinem Schüler Professor Kitasato empfangen wurde. Über die Wochen an der Pazifikküste ist nur wenig bekannt, aber das lässt dem Autor keine Ruhe. Er recherchiert aus vielen Quellen, und zuweilen kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Der »Buddha der Medizin«, wie der Entdecker des Tuberkulose-Erregers und Tropenmediziner in Nippon genannt wird, ist hoch verehrt, und so fügen sich die Mosaiksteinchen zusammen.

Überall begegnet dem Autor bei diesem Besuch 2011 das Atomunglück von Fukushima. Im Café wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass die Kuchenstückchen selbstverständlich untersucht sind - auf Radioaktivität hin. Und eine ehemalige Nachbarin rät ihm, sich unbedingt einen Geigerzähler anzuschaffen, denn den offiziellen Verlautbarungen sei nicht zu trauen. Dennoch: Panik spürt der Leser nicht angesichts der Katastrophe, die das Land heimgesucht hat.

Kamakura bleibt somit, und das kann der Leser aufgrund der detaillierten und liebevollen, aber auch distanzierten Schilderungen nachvollziehen, der »Sehnsuchtsort« des Autors, in dem sich viel von Jürgen Ebertowski wiederfindet.

Jürgen Ebertowski, Jahrgang 1949 und im Berliner Wedding aufgewachsen, ist den Einbeckern vor allem bekannt durch seinen Hanse-Krimi »Das Vermächtnis des Braumeisters«, aber auch den Einbeck-Krimi »Die Akte Einbeck«. Stets ist es ihm gelungen, Spannung mit viel Lokalkolorit zu verbinden. Der Berliner Autor hat seither enge Bande nach Einbeck geknüpft und die Verbindung nicht abreißen lassen. Aber auch über die Themen Japan und Aikido hat er immer wieder geschrieben. »Die Stadt am Meer« von Jürgen Ebertowski ist im Schardt Verlag Oldenburg erschienen. Es hat 200 Seiten und ist im Buchhandel erhältlich.ek