Katzenbilder von der Hand Franz Cestniks

Themenausstellung in der Galerie in der Tiedexer Straße | Tier und Mensch fast systematisch zusammen

Der Holzschnitt »Katzen« stammt von 1962. Dieses Werk von Franz Cestnik ist sehr interessant, denn es wurde von Professor Karl Schmidt-Rottluff, einem der bedeutendsten Kunstmaler Deutschlands, im Kunstauktionshaus Ketterer in München – der Nummer 1 im deutschsprachigen Raum – entdeckt und gekauft. Nachdem er Franz Cestnik durch Hannah Bekker vom Rath persönlich kennen und schätzen gelernt hatte, sollten noch ungefähr 19 graphische Arbeiten des Einbeckers in Schmidt-Rottluffs private Sammlung übergehen.

Am 3. August 2021 wird im Rahmen des »Cestnik-Jahres« in Einbeck der 100. Geburtstag des Malers Franz Cestnik gefeiert. Dass das Werk des Malers auch im 21. Jahrhundert nicht aus der Zeit gefallen ist, zeigt im Moment beispielsweise der Blick auf eine Reihe von Katzenbildern, die in der Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße im Rahmen eines Stadtbummels durch das Schaufenster betrachtet werden können.

Einbeck. Bilder von Katzen waren immer beliebte Motive in der Kunst, so wie heutzutage Katzenvideos auf YouTube ein Renner sind. Künstler spezialisierten sich auf diese Gattung der Haustiere, oder sie hielten sie in Bildern fest, einfach weil sie Katzenliebhaber waren, wie beispielsweise die Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner und Franz Marc.

Im Hause Cestnik gab es keine Katzen, und wenn es zu Begegnungen mit ihnen kam, war der Künstler eher skeptisch und zurückhaltend, obwohl die Katzen gern seine Nähe suchten, so zumindest erinnert sich die Familie. Franz Cestnik war also kein ausgesprochener Katzenfreund. Dass sie in seinem Werk auftauchen, muss also andere Gründe haben.

Zunächst fällt auf, dass Cestnik in seinen Katzenbildern in einer fast systematisch anmutenden Kombinatorik Tier und Mensch zusammenbringt. Da gibt es die Katze mit einer Frau, die Katze mit einem Mann oder mit einem Paar aus Mann und Frau - und Katzen unter sich, die gibt es selbstverständlich auch. Je nach Konstellation vermitteln die Bilder sehr unterschiedliche Stimmungen und zeugen davon, dass Cestnik ein präziser Beobachter war, dem es nicht nur gelang, in seinen Nachbildungen der Wirklichkeit das Wesentliche der festgehaltenen Situation zu erfassen, sondern diese durch die Art und Weise, wie er seine Bilderfindungen arrangierte, zusätzlich mit Bedeutung aufzuladen. Er psychologisiert dabei aber nicht, sondern erreicht dies durch kompositorische Strenge, welche die dargestellten Subjekte und Objekte in einen Dialog miteinander bringt und sie für sich selbst sprechen lässt.

Die Kombination von Katze und Frau ist zweifach vertreten, als Kaltnadelradierung von 1977 und als Ölbild von 1998. Das Arrangement ist in beiden Fällen fast identisch. Eine Frau sitzt auf einem Hocker, neigt sich zu dem Tier herab und streichelt seinen Kopf. Die Katze ihrerseits reckt sich zu der Frau empor und greift mit ihrer Pfote nach der streichelnden Hand. Beide Bilder künden von einer liebevollen wechselseitigen Zuneigung, von großer Intimität, die im Fall der Radierung noch dadurch gesteigert wird, dass die Frau als Akt dargestellt ist. Verschmuste Gespielinnen, so könnte man titeln.

Ganz anders verhält es sich, wenn eine Katze und ein Mann (Ölbild von 1993) aufeinandertreffen. Hier zeigt sich die Katze von einer ganz anderen Seite. Das Raubtier hat einen Vogel gefangen und ist dabei, ihn aufzufressen. Das geschieht in sicherem Abstand zu dem Mann, der dieses Schauspiel aufmerksam, aber passiv verfolgt. So wandelt sich Intimität und Nähe in Kälte und Gleichgültigkeit, wenn nicht sogar Herzlosigkeit.

In dem Holzschnitt, der eine Katze und ein Menschenpaar (Titel »Verlobungspaar mit Katze«, 1982) zeigt, hat sich das Tier auf einen erhöht liegenden Beobachterposten im Hintergrund des Bildes zurückgezogen und von dort aus alles unter Kontrolle. Man könnte meinen, die Katze spiele die Anstandsperson, die früher noch nicht verheiratete Paare beaufsichtigte, wenn sie sich trafen. Gesichts- und Augenausdruck der Katze lassen darauf schließen, dass sie mit dem, was sich da vor ihr abspielt, einverstanden ist.

Katzen unter sich werden in zwei Varianten und zwei verschiedenen Drucktechniken gezeigt (Holzschnitt von 1962 und farbige Ätzradierung von 1977): Die Radierung illustriert die Verspieltheit von Katzen, die hier einen hellroten Ball nutzen, um ihre Geschicklichkeit zu beweisen, indem sie das bewegliche Objekt fangen und es mit ihren Krallen festhalten, damit es nicht entkommt – es sei denn, dass sie dies wollen, um die Szene spielerisch zu wiederholen. Auffällig an dieser Grafik ist die Komposition, welche die Katzen in eine sehr sparsam ausgeführte, auf geometrische Muster reduzierte Umgebung versetzt, was sogar die Tierfiguren ein wenig zum Ornament macht, aber eben nicht ganz, denn die Gesichter der Katzen, die aufmerksam auf die Betrachtenden ausgerichtet sind, verraten viel von den Eigenheiten dieser nicht ganz domestizierbaren Haustiere.

Das in Holz geschnittene Porträt zweier Katzen ist anders. In diesem Fall fixieren die Tiere mit blitzenden Augen die Betrachtenden, als wollten sie ihr Revier gegen Eindringlinge verteidigen oder als sähen sie in ihnen eine besonders leckere Maus. Es lässt sich kaum abstreiten, »dass hier einer tief in die Tierseele geblickt hat.« Mit dieser Beschreibung meint Timm Ackermann (»Die Welt«, 2. Dezember 2011) allerdings nicht den Holzschnitt Franz Cestniks, sondern ein Blatt von der Hand des bekannten expressionistischen Künstlers Karl Schmidt-Rottluff (1884 bis 1976), ebenfalls in Holz geschnitten, aus dem Jahr 1914 stammend, das er 2011 im Brücke-Museum in Berlin gesehen hatte.

Was hat das mit Franz Cestnik zu tun? Die sparsamen Schnitte und Schraffuren, die durch weite, schwarze Flächen gekennzeichnete, archaisch anmutende Komposition seines Katzenholzschnitts atmet den Geist des Expressionismus so sehr, dass man sie manch flüchtigem Betrachter als ein Produkt aus dem Umkreis der Brücke-Künstler unterschieben könnte. Von Kirchner oder Nolde kennt man Holzschnitte, die diesem Blatt vom Duktus her recht ähnlich sind. Noch größer ist die Nähe zu drei Holzschnitten mit Katzen aus den Jahren 1914 und 1915 von der Hand Karl Schmidt-Rottluffs.

Wenn man Cestniks Komposition mit den Katzenholzschnitten Schmidt-Rottluffs vergleicht – wer sich diese anschauen will, kann sie leicht finden, einfach »Schmidt-Rottluff Katzenbilder« googeln – kann man über die stilistischen Analogien hinaus so etwas wie eine Seelenverwandtschaft mit dem fast 40 Jahre älteren Künstler erkennen, der Cestnik kannte, ihn zu fördern versuchte und schon sehr früh graphische Arbeiten von ihm erworben hatte. Den Katzen- holzschnitt, der knapp 50 Jahre nach seinen eigenen Katzenbildern entstanden war, hatte er bei Hannah Bekker vom Rath in Hofheim gesehen. Er gefiel ihm so gut, dass er ihn, als er 1966 im Kunsthandel angeboten wurde, sofort kaufte. Auf einer Postkarte an Franz Cestnik vom 10. Dezember 1966 vermeldete er stolz: »Ich konnte kürzlich den Katzenholzschnitt von Ihnen bei Ketterer bekommen.« Er wollte ihn haben, weil er den Gleichklang seiner Ausdrucksweise mit dem des nachgeborenen Künstlers spürte und vielleicht auch, weil er sich durch ihn an die Blütezeit seines expressionistischen Schaffens von früher erinnerte.
Alle Werke des Künstlers sowie auch ein Überblick zu den vielfältigen Veranstaltungen zu seinen Ehren im Rahmen des Cestnik-Jahres sind unter www.franzcestnik.de zu entdecken.kde