Kaum etwas ist so spannend und anrührend wie das Leben

Münstheater der Münstergemeinde zeigt »Herz-Turbulenzen« / Komische, heitere und anrührende Geschichten / Noch drei Vorstellungen

Die Szenen gehen ans Herz, und so ist der Titel »Herz-Turbulenzen« sehr treffend für die jüngste Produktion des Münstheaters. Die Theatergruppe der Münstergemeinde St. Alexandri hat für ihr Projekt wildfremde Menschen befragt nach Geschichten, die ihr Herz berühren. Nach der Bearbeitung für das Theater ist eine Collage interessanter menschlicher Erfahrungen entstanden, die komisch und fröhlich sind, die traurig und nachdenklich stimmen oder die viele so oder ähnlich schon einmal erlebt haben. Nach der gelungenen Premiere am Wochenende sind die »Herz-Turbulenzen« am kommenden Freitag, Sonnabend und Sonntag erneut im Gemeindehaus, Lessingstraße 13, zu sehen – der Besuch lohnt sich.

Einbeck. Die Schauspieler seien in dieser fünften Münstheater-Produktion »in die Welt hinaus« gegangen, um Fremde um besondere Geschichten zu bitten, berichtete John Deppe, künstlerischer Leiter des Projekts. Das Gehörte hätten sie aufgeschrieben und bearbeitet, um es nun bühnenreif darzubieten, in einer Collage aus einem Guss. Über Monate habe das Team daran geprobt. Jede Einzelne der elf Szenen wurde detailreich umgesetzt. Immer wieder treffen die Zuschauer auf Uschi und Bernd, die, mit unterschiedlichsten »Leiden« geschlagen, auf einer Art »Tournee« durch Einbecker Arztpraxen sind. Hier kennen sie sich bestens aus, geben sich gegenseitig Tipps - und finden schließlich sogar einen Weg, »Herz-Turbulenzen« besonderer Art zu erleben, verbunden mit angenehmem »Blutdruck«: »Mann, Mann, Mann.«

Ob das Auflehnen gegen eine Ehetyrannei, ausgelöst durch den Anblick eines Brautkleid-Schaufens-ters, ob eine Hochzeitsgeschichte, unzählige Male erzählt, aber nach dem Scheitern der Ehe nur noch nervig, ob eine indische Familiengeschichte im Bollywood-Stil, die vom Liebesglück ohne einen Pfennig berichtet, ob der unerwartete Besuch der Enkelin zu Omas Geburtstag, angereist aus Afrika – all das zeichnet viele Facetten des alltäglichen Lebens, Dramen und Komödien im Kleinen.

Da ist jemand angeödet von der eigenen Familienfeier und gewinnt so Zeit, sich eine wirklich spannende Geschichte erzählen zu lassen, die Alltagsprobleme zurücktreten lässt. »Gegen das Vergessen« erinnert an eine innige Freundschaft, die ein plötzliches Ende findet, und nahtlos knüpft daran eine Szene an, die »Feldpost« zum Inhalt hat. Ob La Rochelle 1942 oder Kabul 2011 – immer steht etwas von Liebe, Schmerz, Hoffnung und Trauer in den Briefen von und an Soldaten, aus denen in beeindruckender Weise vorgetragen wird. Wie es ist, wenn jemand durch Alter oder Krankheit seinen Lebensinhalt nach und nach verliert, wird auf einfühlsame Weise gezeigt – um danach das Publikum gleich wieder zum Schmunzeln zu bringen bei einer Kuppel-Geschichte: Zwei Mauerblümchen finden auf Umwegen ihr Glück. Ungewöhnliche »Frühstücksfreuden« bilden den Abschluss der Szenefolge, die bei der Premiere mit großem Beifall bedacht wurde. Alle Schauspieler können sich in schneller Abfolge gut in ihre unterschiedlichen Charaktere hineinversetzen, sie schlüpfen geschmeidig in die vielfältigen Rollen. Mit großer Spielfreude agieren sie in den Zwei-, Drei- oder Vier-Personen-Szenen. Dabei lassen sie die Aussagen nicht für sich stehen, sondern mehrfach wird der Bogen zueinander geschlagen, und so werden die Bilder miteinander verflochten, was zusätzliche Tiefe bringt. Im Gemeindehaus in der Lessing-straße ist die Bühne mit einer zweiten Ebene versehen worden. Das gibt der Inszenierung zusätzliche Möglichkeiten, und selbst die Umbauszenen erfreuen als kurzweilige choreographische Einlagen.

Neben John Deppe zeichnen Christian Lodder als Spielleiter, Thomas Döhrel als Produktionsleiter und Inspizient sowie Johanna Rörig als Inspizientin verantwortlich. Das Ensemble besteht aus Thomas Döhrel, Christian Lodder, Wolfgang Erbach, Sonja Ahrens, Johanna Rörig, Lisa Neumann, Christine Rörig, Sita Ringler, Barbara Sattler-Müller, Ina Thierfelder, Michael Weber und Ute Räbiger. Alle sind nicht nur Schauspieler, sondern sie führen bei »ihrer« gesammelten Geschichte auch Regie. Unterstützt wird das Theaterprojekt wieder von der Stiftung St. Alexandri.

 Weitere Vorstellungen sind noch am Freitag, 25. Januar, ab 20 Uhr, am kommenden Sonnabend, 26. Januar, ab 18 Uhr und am Sonntag, 27. Januar, ab 15 Uhr. Karten gibt es im »Haus der Bücher«, bei Euronics XXL, in der Ilme-Apotheke und im Gemeindebüro der Münstergemeinde, außerdem an der Tages- beziehungsweise Abendkasse.ek