Keine Gerechtigkeit, aber Belastung wird erträglicher

Straßenausbaubeiträge grundsätzlich beibehalten, aber so gestalten, dass Anwohner weniger belastet werden

Einbeck. Eine Entscheidung zur Beibehaltung von Straßenausbaumaßnahmen/Straßenausbaubeiträgen (Strabs) hat der Rat jetzt getroffen. Zuvor war dies auch Thema in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Umwelt, Energie und Bau sowie für Finanzen und Rechnungsprüfung. Die Details sind im ersten Nachtrag zur Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz geregelt worden.

Wie könne man bei diesem Thema Gerechtigkeit herstellen, das fragte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Hojnatzki. Eine Gebühr sei mit Blick auf die Gerechtigkeit immer schlecht, da gebe es keine sozialen Aspekte. Man habe sich aber Gedanken gemacht, wie man mehr Gerechtigkeit herstellen könne.

Bei den Straßenausbaubeiträgen sei es so, dass drei Viertel der Bürger sie nie zahlen müssten. Andere hätten schon gezahlt, und ein kleiner Anteil müsse bald zahlen beziehungsweise sei betroffen. Eine Lösung zu finden, die allen gerechte werde, sei schwierig. Eine Abschaffung der Gebühren beseitige das Problem nicht, denn es fehle eine Kompensation: Man müsste Steuern erhöhen oder Schulden machen. Das wolle man nicht. Auch wiederkehrende Beiträge seien nicht geeignet, dafür habe man keine rechtssichere Lösung. Die Landesregierung habe Möglichkeiten geschaffen, auf die Situation einzugehen, etwa durch die Anrechnung von Zuschüssen.

Damit könne man den beitragsfähigen Aufwand verringern, aber nur in begrenztem Rahmen. Man wolle die Beitragsgrundlage auf 80 Prozent senken, wobei mögliche Zuschüsse vorher abgezogen werden können. Diese Absenkung bedeute in der Konsequenz aber auch, dass nur noch wenige Maßnahmen umzusetzen seien, »weil wir das Geld nicht haben.« Das bedeute weiter, dass man nur noch Unterhaltungsmaßnahmen umsetzen könne anstelle der erforderlichen neuen Straßen. Die SPD trage den Kompromiss mit, auch wenn er nicht allen Wünschen gerecht werde. Er sei aber wesentlich besser als der Status quo. Und schließlich gebe es Möglichkeiten, ganz große Härten abzufedern.
Öffentliche Infrastruktur sollte nicht mit privaten Mitteln finanziert werden, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling, FDP. Vielmehr gehe es ihrer Fraktion darum, die Beiträge mittelfristig abzuschaffen. Dazu fehle es jedoch an politischem Willen. Dabei wäre das ein Standortvorteil gegenüber anderen Städten.

»Northeim und Bad Gandersheim sind uns da voraus.« Den Bürgern, die man auf diese Weise veranlage, fehle das Geld für erforderliche Modernisierungen an ihrem Eigentum, etwa mit Blick auf die Klimaziele. Eine Grunderneuerung sei bei vielen Straßen dringend notwendig. Die Gesetzesänderung aus Hannover sei keine wirkliche Verbesserung, kritisierte sie. Eine bessere Lösung wäre die kontinuierliche Bereitstellung von Geld für die Straßenerneuerung in den Kommunen.

Es sei zwar selten, aber er schließe sich dem Kollegen Hojnatzki an, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Ebrecht. Über Monate habe man sich mit diesem Thema bis ins Detail informiert. Eine Abschaffung wäre ein Irrweg. Er sehe jetzt eine breite Mehrheit für die vorgeschlagene Lösung. Sie schaffe den Weg für Investitionsmöglichkeiten und entlaste zugleich die betroffenen Bürger. Man wisse nicht, wie es in wenigen Jahren aussehe, aber man tue jetzt das, was nötig und möglich sei.

Als Wahlgeschenk, das mehr als eine halbe Million Euro koste, kritisierte Dietmar Bartels, Grüne, die Vorschläge. Damit sei möglicherweise eine Neuverschuldung verbunden, die Bautätigkeit werde eingeschränkt, und die Ungerechtigkeit bleibe bestehen. »Unsere Vorschläge wurden kaputtgeredet«, bedauerte er, und er warnte davor, sich zu Tode zu sparen. Ein Problem sei, dass sie Kommunen von Land und Bund nicht vernünftig versorgt würden. In der Konsequenz blieben nur Steuererhöhungen, oder man müsse die Infrastruktur vergammeln lassen.

Vom Land sei keine echte Entlastung gekommen, nur die Anrechnungsfähigkeit der ­Zuschüsse – und das nach so langer Zeit der Beratung, stellte Frank-Dieter Pfefferkorn, GfE/Bürgerliste, fest. Das sei mehr als dürftig. Es ändere sich nichts an den Gesamtkosten. Aber bei Gebühren sei eben keine gerechte Lösung möglich, erläuterte er am Beispiel von Hunde- und Pferdehaltung. Die Beiträge könne man nicht einfach abschaffen, das könne man sich nicht leisten, zumal auch die Grundsteuer noch ein Thema werde. Wiederkehrende Beiträge über Quartiersberechnungen zu erheben, sei auch kein Weg. Der jetzige Kompromiss sei ein Entgegenkommen, den man sich eigentlich nicht leisten könne. Haushaltstechnisch müsse man sich jeden Ausbau gut überlegen. Das alles sei eng genäht und kritisch für die Zukunft. Eine Abschaffung ohne Gegenfinanzierung wäre jedoch absolut nicht machbar.

Gerechtigkeit sei hier schwer zu definieren, meinte Albert Eggers, CDU. Dem Ratsvorsitzenden Frank Doods, SPD, als Staatssekretär Mitglied der Landesregierung, gab er mit, das Thema der archäologischen Ausgraben, deren Kosten den Anliegern auferlegt würden, mit nach Hannover zu nehmen. Damit seien erhebliche Belastungen für die Bürger verbunden, die man überdenken müsse.

Die Vorredner hätten alle Recht, so Udo Harenkamp, AfD. Die Landesregierung spiele das Problem allerdings herunter. Er werde, um ein Zeichen in diese Richtung zu setzen, die Beschlüsse ablehnen.

Es sei gut, dass die Stadt Einbeck bei der Satzung bleibe, betonte Kämmerin Brigitte Hankel. Zwar könne man sich auch diese Erleichterungen nicht leisten. In der Gesamtstrategie der Stadt Einbeck sei es ein Ziel, Schulden zu reduzieren. Eine Entlastung der Bürger sei dagegen dabei nicht vorgesehen. Die zu beschließenden Maßnahmen gingen auf Kosten der Entschuldung.

Für die Beibehaltung der Straßenausbaubeiträge stimmte eine große Ratsmehrheit. Dagegen waren die beiden Grünen Dietmar Bartels und Manfred Helmke sowie Dr. Marion Villmar-Doebeling, FDP, und Udo Harenkamp, AfD. Dr. Reinhard Binder, FDP, enthielt sich. Die Nachtragssatzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wurde ebenfalls mit deutlicher Mehrheit entgegen genommen, bei Gegenstimmen von Grünen, Dr. Villmar-Doebeling und Harenkamp sowie bei Enthaltung von Dr. Binder und Heinz-Hermann Wolper, CDU.

Zuvor war in der gemeinsamen Sitzung von Umwelt-, Energie- und Bau- sowie Finanz- und Rechnungsprüfungsausschuss ebenfalls dazu diskutiert worden. Vor der Ratssitzung hatten die Fraktionen noch einmal in Ruhe beraten und rechnen wollen. Die Politik, so Dirk Ebrecht, habe sich mit großer Mehrheit entschlossen, bei der Satzung als solcher zu bleiben, um ein bisschen mehr Gerechtigkeit zu schaffen, soweit das möglich sei, vor allem aber auch, um Rechtssicherheit zu erlangen. Der Kompromiss werde die Stadt im mittleren sechsstelligen Bereich belasten.

Auf die Rechtssicherheit, die zudem die Bürger im Rahmen der Möglichkeiten maximal entlaste, verwies auch Udo Mattern, GfE.

Dass der Beschluss nicht in die richtige Richtung gehe, stellte Dr. Marion Villmar-Doebeling fest.

Es sei gut, dass es der Gesetzgeber möglich mache, den Betroffenen entgegen zu kommen, soweit es mit dem Haushalt vereinbar sei, sagte Rolf Hojnatzki. Das mache die Belastung etwas erträglicher.

Alle Grünen-Vorschläge seien abgelehnt worden, bedauerte Dietmar Bartels, Grüne. Man müsste vom jetzigen System weg, aber das wolle die Mehrheit nicht.

Eine Abschaffung müsste möglich sein, so auch Udo Harenkamp, gerade mit Blick auf die Dörfer.

Ein Straßenausbau koste Geld, und irgend-jemand müsse dafür bezahlen, führte Marcus Seidel, SPD, aus. Wer schultert welche Lasten, diese Frage habe man zu beantworten versucht. Wenn man auf die Beiträge verzichte, werde das Geld fehlen. Wenn man mehr Steuern verlange oder Investitionen zurückstelle, habe das ebenfalls Auswirkungen. Die jetzigen Vorschläge seien nicht vollkommen gerecht, aber eine spürbare Erleichterung, und die Kompensation werde schwierig genug werden.

Die Entscheidung, erläuterte Brigitte Hankel, sei ein finanzielles Risiko für die Stadt. Langfristig auf Straßenausbau zu verzichten, wäre aber auch keine Lösung.ek