Klares Handwerks-Bekenntnis zu Europa

Kreishandwerksmeister Hupe: Nutzen für Wirtschaft und Handwerk | Schwerpunkt Ausbildung | Wissen als Rohstoff

Ein Blick auf die wirtschaftliche und politische Situation aus Sicht des Handwerks: Kreishandwerksmeister Hermann-Josef Hupe nutzte die große Kulisse des Gildentages der Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck für Lob und Kritik, Anregungen und Wünsche.

Einbeck. Für dieses Jahr gingen die meisten Vorhersagen von einem größeren weltweiten Wachstum aus, stellte er fest. Schnelleres Wachstum sei das einzige Mittel, damit es Milliarden Menschen besser gehe, jetzt und in Generationen. Das seien zwar gute Nachrichten, aber es sei zu früh zum Feiern, denn Selbstzufriedenheit könne den Aufschwung gefährden. Das mittelständige Handwerk könne mehr investieren und konsumieren und in der Region mit gutem Beispiel vorangehen. Handwerk und Mittelstand dürften mit etwas mehr Selbstbewusstsein und Enthusiasmus agieren, denn Stabilität, Innovation und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Handwerks suchten in Europa ihresgleichen.

In seiner Ansprache nahm der Kreishandwerksmeister Bezug auf den 1.200. Todestag Karls des Großen am 28. Januar. Er habe als »erster Europäer« christliche Kultur, einheitliche Schrift, Sprache, Gewichte, Maßeinheiten und Münzen eingeführt und das erste große Wirtschaftswachstum im heutigen europäischen Kerngebiet ausgelöst. Eindeutigkeit sei für ihn zur Voraussetzung für richtiges und gerechtes Handeln geworden. Hupe verwies in diesem Zusammenhang auf die Europawahl am 25. Mai. Eine gute Wahlbeteiligung könne den Europa-Skeptikern entgegen treten. »Perfektion der Mittel und Konfusion der Ziele«, dieses Einstein-Zitat über die Zeit gelte gerade auch für die EU. Ein Fortbestand werde nicht mehr für selbstverständlich gehalten. man müsse sich aber bewusster machen, was Europa der Wirtschaft und dem Handwerk gebracht habe. »Ich vermisse mehr Enthusiasmus«, sagte der Kreishandwerksmeister. Offene Grenzen, einheitliche Standards und gleiche Rechte auf einem Kontinent, das sei das größte Konjunkturprogramm der Nachkriegszeit gewesen. Europäische Integration, so Hupes Fazit, sei mehr als die Summe ihrer Teile. Armutszuwanderung dürfe man zwar nicht totschweigen, eine Dramatisierung führe aber in die falsche Richtung. Jeder Zuwanderer nach Deutschland sei ein Gewinn. »Wichtig ist, sie an unsere Sprache und Kultur heranzuführen, dann können aus ihnen qualifizierte Facharbeiter werden, die unsere Gesellschaft dringend braucht.«

Der Mindestlohn, fuhr er fort, werde vom Handwerk ausdrücklich nicht abgelehnt, weil er die Wettbewerbsgleichheit gegenüber Arbeitgebern, die aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten seien, erhöhe. »Aber wir sind gegen einen politisch festgesetzten Mindestlohn.« Vielmehr sollte der von den Tarifgruppen ausgehandelte niedrigste Lohn als Mindestlohn festgelegt und kontrolliert werden.

Mit Blick auf die Renten warnte Hupe vor einer Verlagerung der Probleme auf die nächste Generation. Gerade die Große Koalition hätte alle Möglichkeiten, an dieser Stelle zukunftsweisendere Beschlüsse zu fassen. Der Kreishandwerksmeister hob das Handwerk als Ausbilder hervor. In der Kreishandwerkerschaft gebe es zurzeit 489 Berufsausbildungsverhältnisse in 14 Innungen. Bundesweit seien 28 Prozent der 1,4 Millionen Auszubildenden beim Handwerk beschäftigt. Man brauche junge Leute aus allen Schulzweigen, hob er hervor, denn ohne die Starken könne man den wachsenden Anforderungen in vielen Berufen nicht ausreichend gerecht werden. Allerdings würden Gymnasiasten bei der Berufswahl selten ans Handwerk denken. Eine Alternative sei ein Triales Studium, wie es etwa das Bundesfachzentrum Metall in Northeim biete. Innerhalb von viereinhalb Jahren seien dabei Meistertitel und Bachelor-Abschluss möglich. Die Absolventen seien ideale Kandidaten zur Übernahme von Betrieben, und es habe nie geschadet, wenn ein Akademiker ein Handwerk erlernt habe. Hoher Bildungsstand der Bevölkerung sei zentrale Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg, auch der gesamten Gesellschaft, denn Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten seien die einzige Wohlstandsquelle im rohstoffarmen Deutschland. Die neue Bundesregierung lege größten Wert auf den oberen Leistungsbereich und Hochschulausbildung. Das reiche dem Handwerk aber nicht aus, um langfristig den Fachkräftebedarf zu sichern. Besser wäre es vielmehr, finanzielle Ressourcen zu schaffen, damit man den Anteil kompetenzarmer Jugendlicher und Erwachsener verringere und das Ziel einer Ausbildungsgarantie erreiche.

Zu den dringenden Herausforderungen gehöre es, regionale Unterschiede in Bildungsangebot zu beseitigen. Das betreffe das vollständige, wohnortnahe Bildungsangebot im vorschulischen und schulischen Bereich sowie ausreichende Weiterbildungsangebote. Es sei nicht einzusehen, dass ein Meisterschüler seine Ausbildung aus eigener Tasche bezahlen müsse und ein Student diese Leistung subventioniert bekomme. Man müsse sich, forderte Hupe, der unmittelbaren Nähe zur Universitätsstadt Göttingen bewusster werden. Es gelte, das Bildungsangebot zu nutzen und auf das Kreisgebiet auszuweiten. Kulturelle Angebote seien ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung zum Lebensmittelpunkt. Es gebe im Landkreis Northeim Flächen für Industrie- und Gewerbeansiedlung mit guter Anbindung. Ansiedlungen sollte man fördern statt sie zu behindern. Nur so könne man als Landkreis und Kreishandwerkerschaft selbstbestimmt und selbstständig bleiben, bei größter Bürgernähe. Den politischen Gremien der Region empfehle er, häufiger mal ein Projekt mit nur 80-prozentiger Sicherheit zu genehmigen – ein perfektes Ausdiskutieren führe häufig zu Verschleppung, und das verhindere schnelles Wachstum und damit größeren Wohlstand.ek