Knochenturm und Volksschule

Einbeck. Das historische Foto zeigt den Knochenturm am Feuergraben hinter der Münsterkirche und die »Neue Schule« am Langen Wall. Die Schule wurde 1894 eingeweiht. Der Turm gehört zur ehemaligen Stadtbefestigung und wurde im Mittelalter als Munitionslager genutzt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatte die Stadt gerade begonnen, sich über die Mauern auszudehnen. Allein zwischen 1890 und 1902 entstanden rund um die Stadtmauer 15 neue Straßen. Noch fehlen hinter dem Turm die Häuser an der Stiftstraße/Langer Wall. Die Straße selber wurde um 1890 durch die Stadtmauer gebrochen. Die Stiftstraße war zu dieser Zeit noch ein schmaler, von Büschen eingefasster Weg. Einige Jahre zuvor befand sich im Vordergrund noch der alte Friedhof von St. Alexandri. Beim Bau der Straße verschwand er.

Die Knochen der Bestatteten wurden im Turm zwischengelagert – daher der Name Knochenturm. Doch so hieß der Turm nicht immer. Wegen der oben erwähnten Nutzung hieß er Pulverturm, genau wie der Turm am Sonnenhaken. Von Albert Hartwig stammt die Anekdote über das Einbecker Original Miele Bartram: Der hatte den Abend im »Schusterkrug« verbracht und »strunkelte« angeheitert am Turm vorbei. Straßenbeleuchtung war hier noch nicht vorhanden, und plötzlich waren unheimliche Stimmen zu hören. Bis eben hatte Miele vor sich hin gedöst, jetzt hatte er eine Haut wie Ziegenleder. Völlig verschreckt lief er zu Freunden am Taternweg (Rabbethgestraße) und kam ganz außer Atem dort an. »Orig« und »Aute« schickten ihn nach Hause ins Bett, doch Miele Bart-ram ließ nicht locker. Er bestand darauf, dass er Stimmen aus dem Turm gehört habe. Schließlich machten sich Orig und Aute mit ihm auf den Weg, um nachzusehen. Und tatsächlich: Beim Näherkommen hörte man ganz deutlich Stimmen, die aus dem Turm kamen.

Des Rätsels Lösung waren zwei Jugendliche. Die beiden waren kurz vorher ins Haus des Superintendenten Vordemann, der zwischen 1899 und 1919 an der Münsterkirche tätig war, ganz in der Nähe eingestiegen und hatten seine Wurstekammer geplündert. Im Turm wollten sie ihre Beute teilen, doch sie konnten sich nicht einig werden. Sie fingen an zu streiten, und ihre Stimmen wurden lauter. Am Ende hatten Miele Bartram und seine Freunde zwar keine Gespenster, aber Wurstdiebe gefangen, und »Zuperndente« Ernst Vordemann war zufrieden, hatte er doch seine Würste wieder.wk