Landräte fordern Ausgleich bei Eingliederungshilfe

Finanzminister Reinhold Hilbers beim Landräteseminar des Niedersächsischen Landkreistages in Einbeck

Im PS.SPEICHER haben die niedersächsischen Landrätinnen und Landräte ihre jährliche Tagung abgehalten. Zu Gast beim Vizepräsidenten des Niedersächsischen Landkreistages, Landrat Klaus Wiswe, Celle, Northeims Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Göttingens Landrat Bernhard Reuter, Präsident des Landkreistages, und Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Hubert Meyer (von links) war unter anderem Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (Zweiter von links).

Einmal im Jahr treffen sich die Landrätinnen und Landräte der 36 Niedersächsischen Landkreise und der Präsident der Region Hannover zum Landräteseminar des Niedersächsischen Landkreistages (NLT). Es geht um Austausch zu politischen und fachlichen Fragen und unter anderem um Auswirkungen von Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene auf die Kommunen.

Einbeck. Das jüngsten Treffen hat über zwei Tage in Einbeck stattgefunden, mit sehr guter Resonanz, wie sich der NLT-Präsident, der Göttinger Landrat Bernhard Reuter, freute. »Die groß angelegte Reform der Eingliederungshilfe, das heißt die Unterstützung der Menschen mit einem Handicap, darf in Niedersachsen nicht zum Verschiebebahnhof für kommunale Lasten in den Kreishaushalten werden. Wir lehnen jede Neuregelung der Zuständigkeiten konsequent ab, die Löcher in zweistelliger Millionenhöhe in einzelne Kreishaushalte reißt. Das Land Niedersachsen steht in der Pflicht, endlich einen Vorschlag vorzulegen, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt«, das erklärte Reuter nach dem Treffen.

Die Reform der Eingliederungshilfe bildete den Schwerpunkt der politischen Diskussionen sowohl mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Johanne Modder, der stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Mareike Wulf, sowie mit Finanzminister Reinhold Hilbers. Hintergrund der Diskussion ist, dass das 2017 in Berlin verabschiedete Bundesteilhabegesetz das Land Niedersachsen zwingt, die Zuständigkeit für die Betreuung von Menschen mit Behinderungen neu zu regeln.

»Der in der Landesregierung offenbar verabredete Vorschlag, die Zuständigkeit für unter 18-jährige Personen den Landkreisen und kreisfreien Städten und für über 18-Jährige dem Land Niedersachsen zuzuweisen, mag fachlich vernünftig sein. Politisch ist er erst akzeptabel, wenn das Land Niedersachsen auch für die dadurch verursachten finanziellen Verwerfungen bei unseren Landkreisen eintritt«, fasste Reuter die Stimmung der Landräte zusammen. Er wies darauf hin, dass im Haushalt der Sozialministerin hinreichend Geld zum Ausgleich der Verwerfungen für eine Übergangsphase vorhanden gewesen wäre, der Finanzminister die benötigte Summe aber der allgemeinen Rücklage zugeführt habe. Dies sei für den NLT nicht akzeptabel.

Ganz praktisch, so Reuter, bedeuteten die neuen Anforderungen eine erhebliche Personalaufstockung: Er schätzt den Mehrbedarf im Landkreis Göttingen auf etwa 30 Mitarbeiter, mehr als zehn seien schon eingestellt. Man habe dem Finanzminister deutlich gemacht, dass das Konnexitätsprinzip weiter gelten müsse.

Vom Finanzminister habe man eine positive Rückmeldung erhalten. Er habe deutlich gemacht, dass er das Problem sehe und versuche, eine Lösung zu finden. Die Situation müsse abgefedert werden, das habe er anerkannt. Auch bei den Fraktionsvorsitzenden hätten die Landräte deutlichere Unterstützung angemahnt. Sie koste allerdings zusätzliches Geld. Darauf werde man sehr nachdrücklich bestehen, so die Landräte. Die Rede sei ziemlich genau von 100 Millionen Euro.

In großer Sorge sind die niedersächsischen Landkreise in ihrer Funktion als untere Wasserbehörden über den Zustand des Grundwassers in einzelnen Landesteilen, vor allem im Nordwesten. In einem Gespräch mit Staatssekretär Rainer Beckedorf aus dem Niedersäch­sischen Landwirtschaftsministerium, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Gerhard Schwetje, und dem Vizepräsidenten des Niedersächsischen Landvolks, Ulrich Löhr, verlangten die Landräte, dass in Niedersachsen schnell die notwendigen Maßnahmen nach dem neuen Düngerecht zur Verbesserung der Grundwasserqualität ergriffen würden. Dazu erklärte NLT-Präsident Reuter: »Der dringende ergänzende landesrechtliche Handlungsbedarf zum Schutz unseres Trinkwassers, vor allem in den sogenannten «roten Gebieten”, liegt auf der Hand. Der NLT fordert, dass das Land schnell Entwürfe für die nach dem Bundesrecht möglichen Rechtsverordnungen vorlegt.« Insbesondere das Baurecht sei ein scharfes Schwert für die Landkreise; es sollte möglich sein, im Ernstfall auch Ställe stillzulegen. Die Landwirte ihrerseits müssten Interesse daran haben, dass die Vorgaben eingehalten würden.

Im Hinblick auf die drohende Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest forderten die Verwaltungschefs der Landkreise, die vorbeugenden Maßnahmen zu intensivieren. »In Nordrhein-Westfalen hat das Land unbürokratisch die Kosten für die Trichinenuntersuchung bei Wildschweinen übernommen. Diesem Beispiel sollte Niedersachsen umgehend folgen. Auch die Ausstattung der Landesstraßen mit sicheren Abfallbehältern und weitere praktische Vorsorgemaßnahmen müssen energisch vorangetrieben werden«, fasste NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer die Erwartungen zusammen.

Besprochen wurde weiter die verstärkte Bekämpfung der Nutria, die inzwischen Millionen-Schäden an Deichen anrichten. Hier wäre eine intensive Bejagung wichtig.

Nicht nur angesichts der aktuellen Wetter­lage war Katastrophenschutz ein Thema. Man müsse Wege finden, überörtliche Hilfe zu verbessern. Lokale Starkregenereignisse würden zunehmen, bei geringeren Vorwarnzeiten, wie NLT-Geschäftsführer Dr. Joachim Schwind deutlich machte. Hilfe durch benachbarte Landkreise sei deshalb häufig notwendig. Überlegen sollte man auch, das Katastrophenschutzgesetz um einen Voralarm, einen sogenannten »gelben Alarm«, zu erweitern. Es stünden viele Hilfskräfte zur Verfügung. Wenn es um schnelle Hilfe gehe, sollte man sich in Niedersachsen besser aufstellen.

Zu Beginn ihrer Tagung hatten sich die Teilnehmer mit dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks, Lutz Marmor, ausgetauscht. Marmor verdeutlichte, dass die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten wertvoll und in fachlicher Unabhängigkeit einen öffentlichen Auftrag wahrnehmen. Die Verwaltungschefs der Landkreise waren mit ihm einig, dass den öffentlich-rechtlichen Sendern auch für die Zukunft eine bedeutsame Rolle für eine offene politische Meinungsbildung zukomme. »Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten unverzichtbar sind. Dies enthebt nicht von der Notwendigkeit, bestehende Einsparpotenziale zu heben.

Es wäre aber verfassungsrechtlich problematisch, wenn die finanziellen oder ordnungsrechtlichen Korsettstangen das Programmangebot einschnüren«, erklärte NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer.ek/oh