Landwirte fordern Agrarwende

Schlepper fahren im Konvoi nach Hannover | Großes Hofsterben befürchtet

Mit Tempo 45 zogen die Landwirte Richtung Hannover, um auch gegen die geplante Düngeverordnung zu demonstrieren. Ihrer Meinung nach lasse eine Kürzung der Stickstoffdüngung um 20 Prozent für den Gewässerschutz keinen Gewinn erwarten, schade aber den Landwirten. Fotos: Stöckemann

Am Morgen gegen 6 Uhr auf dem Parkplatz bei Langenstruck: In der Dunkelheit stehen die Trecker, beleuchtet von ihren Rundumleuchten, und warten auf die anderen Landwirte aus Südniedersachsen. Der Konvoi macht sich auf der B3 auf nach Hannover. Hunderte Traktoren sind bereits jetzt dem Aufruf des Netzwerks »Land schafft Verbindung« gefolgt sie fordern in Hannover eine Agrarwende.

Einbeck/Langenstruck. Die ausschließliche Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik auf eine Produktion zu Weltmarktpreisen habe in Europa keine Zukunft mehr, meinen die Bauern. Die vielfältigen Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft könnten so nicht umgesetzt werden. »Land schafft Verbindung« fordert eine Abkehr vom Bild, die Landwirtschaft als billigen Rohstofflieferanten der Lebensmittelindustrie zu sehen. Höhere

Anforderungen an Umwelt und Tierwohl müssten sich in Preisen für landwirtschaftliche Produkte niederschlagen.

Diese höheren Standards könnten nicht durch Steuergeld ausgeglichen werden. »Wir wollen die Abhängigkeit vom staatlichen Tropf beenden.« Dafür müsse die Politik jedoch Rahmenbedingungen ändern, so dass die Landwirte zusätzliche Leistungen, die von der Gesellschaft gefordert werden, auch in ihre Produktpreise einfließen lassen können. Die derzeitige Ausrichtung der Politik gewährleiste das in keinem Fall. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe wirtschafte mittlerweile am Existenzminimum. Die Landwirte fordern eine grundsätzliche Änderung der Agrarpolitik, um die Bauernhöfe in ihrer Vielfalt zu erhalten.

Gestern tagte der Agrarausschuss des Bundesrates. Die beabsichtigte Änderung der Düngeverordnung, die erst 2017 verschärft wurde, kann das Landwirte-Netzwerk nicht nachvollziehen. Ohne die Auswirkungen dieser Reform zu bewerten, solle nun eine drastische Verschärfung der Düngeverordnung vorgenommen werden, kritisieren sie. »Die geplanten Veränderungen sehen wir als nicht praxistauglich und zum Teil auch kontraproduktiv an.«

Die Landwirte wehren sich gegen eine alleinige Schuldzuweisung bei den Nitratgehalten des Bodens und der Belastung des Wassers. Sie fordern zunächst weitere Untersuchungen, die die Ursache der Belastung klären und die darstellen, wie eine Verbesserung erreicht werden kann.

Auch die »großflächige« Ausweisung von Nitrat gefährdeten Gebieten durch eine Messstelle ist für die Landwirte nicht nachvollziehbar. Wenn die Politik den Referentenentwurf durchsetzt, dann gehen sie davon aus, dass in den kommenden drei Jahren rund 30 Prozent der Landwirte ihren Betrieb schließen.

In Hannover begann die Kundgebung gestern um 12 Uhr vor dem Neuen Rathaus. Laut Polizei wurden etwa 2.000 Schlepper erwartet. Veranstaltet wurden die Protestaktionen von der Initiative »Land schafft Verbindung«. Sie hat in den vergangenen Monaten bereits mehrere große Protestaktionen organisiert. »Land schafft Verbindung« besteht erst seit Anfang Oktober. Die Gründung der Initiative sei eine Reaktion auf Ankündigungen der Bundesregierung gewesen, »ideologisch anmutende Gesetzespakete an den Start zu bringen«, erklärte die Organisation.sts