»Männer, emanzipiert Euch«

Björn Süfke befasst sich mit »Mann-Sein« in heutiger Gesellschaft

Mit der Emanzipa­tion der Männer – dem Lösen von vorgegebenen Strukturen – befasste sich Björn Süfke auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Uljana Klein (rechts) und Simone Engelhardt.

Jeder soll seine Persönlichkeit selber entwickeln dürfen – ohne gesellschaftliche und geschlechtliche Vorgaben, sagte Björn Süfke. »Männer. Erfindet. Euch. Neu« heißt sein aktuelles Buch, und er ruft zur positiven männlichen Emanzipation auf, wünscht sich eine männliche Versagenskultur und fordert ein Ende der Männer­abwertung und des Geschlechterkampfes.

Einbeck. Anlässlich des Internationalen Männertages berichtete er auf Einladung von Simone Engelhardt, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Einbeck, und Uljana Klein, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Northeim, im Neuen Rathaus, was es bedeutet, in der heutigen Zeit »Mann zu sein«.

Eingeführt wurde der Aktionstag, der jedes Jahr am 19. November stattfindet, 1999 in Trinidad und Tobaga als International Man’s Day. Ziel sei, die Gesundheit von Jungen und Männern ins Bewusstsein zu rücken, sagte Engelhardt. Eine geschlechterspezifische Egalität liege nicht vor – einige sagen, dies sei erst in 480 Jahren der Fall. Viel wurde dennoch schon erreicht, doch gebe es noch unzählige Vorbehalte: zum Beispiel wenn Frauen in Männerberufen arbeiten oder Väter Elternzeit für Kindererziehung nehmen wollen.

Björn Süfke, Psychologe, Psychotherapeut und Autor, vertritt die Auffassung, dass man kein neues Männerbild oder keine »moderne Männlichkeit« brauche, sondern Personen, die sich und ihre Männlichkeit selber definieren.

Was in der Vergangenheit noch als traditionell männlich galt, sei heute verpönt – und auch wieder nicht. Der »moderne« Mann soll gefühlvoll sein, aber kein Weichei: 79 Prozent der Frauen wünschen sich einen traditionellen »Familienernährer«, der gleiche Prozentsatz einen omnipräsenten Vater – sozusagen den »eierlegenden Wollmilchprinz«, schmunzelte Süfke. Kein Wunder, dass die Männer verwirrt seien.

Er ist einer der wenigen Männertherapeuten in Deutschland und dies schon seit mehr als 20 Jahren in Bielefeld. Das »Mann-Sein« im Allgemeinen hinterfragte er und befasste sich mit den heutigen Krisen wie Orientierungslosigkeit von Jungen und Männern oder das Nicht-Ernstnehmen von Vätern.
Die vollständige Gleichstellung in der Erziehungsarbeit forderte er, damit die nachfolgende Generation auch mit männlichen, emotional präsenten Identifikationsfiguren aufwachsen könne. Auch müsse es möglich werden, über Leid zu sprechen, ohne ausgelacht oder in einen unwürdigen Geschlechterkampf hineingezogen zu werden.

Dass das historisch gewachsene Verständnis von Männlichkeit sich im Zerfall befinde, erachtete Süfke als positive und notwendige Entwicklung. Das explizite Verbot von Gefühlen habe verheerende Konsequenzen für Männer in Bezug auf Gesundheit, Beziehungen, Sexualität, Gewalt und psychischem Wohlergehen. Die Suizidquote sei dreimal höher als bei Frauen und steige weiter.

Er forderte seine Geschlechtsgenossen im »Mannifest« auf, sich zu emanzipieren, sich von den Ansprüchen der Gesellschaft – den traditionellen wie den modernen – loszusagen und ihre eigene Männlichkeit »neu zu erfinden«. An die Frauen appellierte er, die Veränderungen auch zuzulassen. Nur so werden alle davon profitieren: durch Partner- und Elternschaft auf Augenhöhe und eine wahrhaft gleichberechtigte Gesellschaft. Es müsse eine »männliche Rebellion« gegen Gefühlsverbot geben. Weder das traditionelle »Indianer kennen keinen Schmerz« noch die Abwertung als »Weinerlichkeit der Männer« treffe zu. Dinge, die primär mit Frauen assoziiert werden wie Liebesfilme, Erzieher oder Grundschullehrer, seien für das männliche Geschlecht nicht »verboten«. Dies gelte auch: mal nicht weiter zu wissen, nicht immer Erster zu sein, sich zu irren, unterlegen zu sein oder sich um Erziehung und Haushalt zu kümmern. Jedem unterlaufen täglich Fehler – sie seien normale Bestandteile des Lebens – auch für Männer.

Selbst wenn einige meinten, dass Männer wie Donald Trump, Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan versuchten, die Re-Traditionalisierung wieder »salonfähig« zu machen, sei dies nicht der Fall, betonte Süfke. Gebraucht werden »neue« gleichberechtigte Männer und Frauen als egalitäre Partner – auch in Erziehungsfragen. Traditionelle Geschlechterbilder seien aufzubrechen. Es sollte Anarchie herrschen, jeder müsse für sich seinen eigenen Platz und Weg in der Gesellschaft finden. Mit Zivilcourage sei gegen schädliche Stereotypen vorzugehen – auch gegen Diskriminierungen in »Fehlberufen«. Seine Persönlichkeit selber entwickeln zu dürfen – ohne gesellschaftliche und geschlechtliche, aber auch ohne traditionelle oder »moderne« Vorgaben – dazu rief Süfke bei der positiven Emanzipation auf.mru