Medizinische Versorgung der Region auch künftig sichern

Nicht nur Patienten, auch Ärzte werden älter - Nachfolge schwierig / Ambulanten und stationären Bereich vernetzen / Runder Tisch

Die Zukunft der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum war jetzt Thema einer Diskussion, an der Vertreter von Ärzten, Krankenhaus und Pflegediensten sowie Politiker teilgenommen haben. Nicht nur die Patienten werden älter, sondern auch die - niedergelassenen - Ärzte, und für viele angehende Mediziner gibt es interessantere Perspektiven, als eine Landarztpraxis zu übernehmen. Eine engere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung könnte ein Ansatz sein, Versorgung auch künftig zu sichern. Was konkret für Einbeck und die Region getan werden kann, soll bei einem Runden Tisch besprochen werden, auf den sich die Teilnehmer verständigt haben.

Einbeck. Zur Situation des AWO-Sertürner-Krankenhauses Einbeck nahm Geschäftsführer Holger Neumann Stellung. Zurzeit befinde sich die Klinik in der Planinsolvenz - und in einem »sehr positiven« Prognosebereich. Das Charlottenstift Stadtoldendorf habe seinen stationären Bereich schließen müssen, aber für Einbeck gebe es die Option, das Haus fortzuführen: »Wir wollen weiter eine vollstationäre Versorgung.« Neumann sprach sich für eine Verzahnung von ambulantem und stationärem Bereich aus. Für die Zukunft sei ein Bettenabbau notwendig, dabei plane das Krankenhaus 100 Akut-Betten sowie 25 für den Bereich Geriatrie und 25 für Schmerztherapie beziehungsweise Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Man hoffe darauf, dass man die Marktanteile, die man 2010/11 verloren habe, wieder zurückgewinnen könne. »Wir stehen für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich. Was man in und um Einbeck in 30 Minuten erreichen kann, ist unser Potenzial.« Das Krankenhaus stehe für die lokale Grund- und Regelversorgung und einige Spezialgebiete. Interessant sei die Spezialisierung auf Geriatrie und Schmerztherapie, wofür man sonst weite Fahrten in Kauf nehmen müsste. Zu den Stärken des Hauses zählte Neumann unter anderem, dass es eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung habe und dass es eine starke Innere und Chirurgische Abteilung gebe. Dagegen lasse die Bausubstanz zu wünschen übrig, und dem Wettbewerb mit Northeim werde man sich stellen müssen. »Aber die Chancen sind da«, betonte er. Wenn Einbeck als Mittelzentrum weiter entwickelt und eine intensive Vernetzung betrieben werde, bleibe die Region auch stabil in der Gesundheitsversorgung. Das Krankenhaus wolle ein regionales Zentrum für Altersmedizin in den Landkreisen Northeim und Holzminden werden und ein lokaler Grund- und Regelversorger mit Spezialgebieten bleiben. Das Team sei ein Garant dafür, dass das Konzept funktioniere, hob Neumann hervor. Wenn die Mitarbeiter weiter so zum Haus stehen würden, habe es eine Zukunft. Spontan gab es Beifall für das Personal, das auch in Krisenzeiten für das Funktionieren gesorgt habe.

Zum weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens hieß es, dass die Gläubigerversammlung über das Ende entscheide; begleitet werde das Krankenhaus vom Insolvenzverwalter; die Unterstützung der Bürger sei weiter wichtig.

Nicht nur die Patienten werden älter, sondern auch die Ärzte. Dr. Rolf Holbe, Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, berichtete, dass es in Einbeck und Dassel 30 niedergelassene Hausärzte gebe. 13 davon seien unter 60 Jahre alt, 17 älter. Mit Kreiensen werde das Verhältnis ab dem kommenden Jahr 14 zu 19 betragen. Im niedergelassenen Bereich sei die Versorgung zurzeit perfekt, aber es sei mit Ausfällen zu rechnen. Nachrücker für Kassenarztsitze sehe er nicht. Jüngere wollten sich unter anderem wegen drohender Regresszahlungen nicht niederlassen. Bei den Fachärzten sei die Altersstruktur in Einbeck zwar besser, aber Nachwuchsprobleme gebe es zum Teil auch schon. Pro Jahr würden in Deutschland etwa 750 bis 800 ausgebildete Hausärzte die Universitäten verlassen, 2.400 bestehende Praxen würden abgegeben. Die Industrie mache rund 3.000 interessante Angebote. Da sei ein neuer Arzt für Einbeck schon wie ein Lotteriegewinn, und jeden Kollegen, der einen Nachfolger habe, könne er nur beglückwünschen. Ein Krankenhaus könne ein medizinischer Kristallisationspunkt bei neuen Modellen werden.

Das alte Hausarztmodell des Doktors, der sieben Tage die Woche 24 Stunden für seine Patienten da sei, sterbe aus, stellte Bürgermeister Ulrich Minkner fest. Ein neues Modell funktioniere nur in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus, das auch deshalb erhalten bleiben müsse. Zudem gehe es nicht an, dass die zweitgrößte Kommune Südniedersachsens ohne Klinik sei.

Er vermisse eine »initiale Idee« zum Thema, so Dr. Olaf Städtler, Chef der Inneren Abteilung des Sertürner-Krankenhauses. Es sei an der Zeit, sich handfest damit zu beschäftigen. Vielleicht wär es hilfreich, für junge Leute ein Paket zu schnüren, das ihnen die Ansiedlung in Einbeck erleichtere, so seine Überlegung, von Praxissuche bis Kinderbetreuung. In jedem Fall müsse man sich konkret mit anstehenden Veränderungen beschäftigen. Dazu gehörten Investitionen ins Krankenhaus und in die Infrastruktur.

Grund- und Regelversorgung sei wichtig, so Dr. Reinhard Binder, niedergelassener Arzt und als FDP-Politiker seit 20 Jahren in Aufsichtsgremien des Krankenhaus. Das bedeute aber auch, dass vor Ort nicht alles gemacht werden könne und müsse. Die gesellschaftliche und die Kostenentwicklung müsse man im Auge behalten. Nicht zuletzt hätten Pflege und Assistenzberufe eine enorme Zukunft.

Es mangele, so hieß es weiter, weniger an Ideen, sondern vielmehr an einem Kern von Beteiligten, der sich darum kümmere. Die konkrete Forderung an die Politik könnte deshalb eine Andockstation in der Verwaltung sein, wo Hilfe zu erwarten sei - ein CDU-Antrag, der vom Verwaltungsausschuss allerdings nicht unterstützt wurde: Das könne, so Minkner, die Verwaltung personell nicht leisten. Mehrheitsfähig war dagegen der Vorschlag, einen Runden Tisch einzurichten mit dem Ziel weiterer Beratungen, gerade mit dem Schwerpunkt Vernetzung. Aus Sicht der Wirtschaft warb Sparkassen-Vorstand Stefan Beumer für den Standort Einbeck: Wenn man Menschen für die Stadt begeistern wolle, sei ein Krankenhaus vor Ort ein wichtiger Faktor. Es gebe hier eine hohe Lebensqualität, das müsse man deutlich machen. ek