Bierordensträger Weil verspricht:

»Mein ­ganzes Sinnen und Trachten werde ich dem Landkreis und der Stadt Einbeck widmen«

Versprechen und Geständnisse: Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, so gegen 24 Uhr, reißt er sich den Schlips runter, tauscht Anzughose gegen Jeans, geht zum Kühlschrank und holt ein Bier heraus. »Der erste Schluck verdunstet im Oberkiefer.« Er fühle sich angekommen, fasste Stephan Weil dieses Gefühl zusammen. Der Niedersächsische Ministerpräsident und derzeitige Bundesratspräsident ist am Mittwochabend im Alten athaus mit dem Einbecker Bierorden ausgezeichnet worden.

Einbeck. Weil, bekennender Biertrinker, freute sich sehr über die Ehre, und er dankte mit einer launigen Rede. Zunächst hatte Markus Henze als Till Eulenspiegel in einem Prolog die Gäste begrüßt. Ihn könne eigentlich nichts aus der Ruhe bringen, meinte er, aber im Moment trage er Trauerflor. Grund sei zum einen die Situation um das Haus der Jugend in Einbeck; die Suche nach Ersatz dauere viel zu lange: Es fehle im Stadtrat ein Entscheidungsträger, der mal auf den Tisch haue. Das zweite Ärgernis sei »Einbeck Marketing«, das als neuer Vermieter des BBS-Forums die Saalmiete verdreifachen wolle.

Das sei ein gewolltes Veranstaltungsverbot. Gott sei Dank gebe es Hilfe beim Ersten Kreisrat Dr. Heuer, und er wünsche, so der Till, dass das auch der »Marketing«-Geschäftsführer verstanden habe. Wie Hannover 96 mit einem neuen Trainer wieder Glück habe, wünsche er sich einen neuen Stadtrat – damit Northeim nicht mehr so sehr über Einbeck lachen müsse. »Herzlich willkommen in der Heimat guter Biere«, hieß der Vorstandssprecher des Einbecker Brauhauses, Lothar Gauß, den Ministerpräsidenten willkommen. »Der Glanz fehlt«, diese Schlagzeile sei kürzlich als Bilanz des ersten Regierungsjahres von Weil zu lesen gewesen. Der Glanz fehle noch, so Gauß, aber heute erhalte Stephan Weil, wie auch seine Amtsvorgänger den glanzvollen Bierorden überreicht. Er sei ein würdiger Ordensträger, weil er immer ein offenes Ohr für die Belange des Brauhauses habe, die Tür sei schon zu seinen Oberbürgermeister-Zeiten in Hannover immer offen gewesen, er habe stets den Fassbieranstich in der Alstadt durchgeführt, auf seiner Wahlkampftour 2012 sei einer seiner ersten Besuche eine Visite bei der Einbecker Brauerei gewesen, und vor allem sei Weil bekennder Biertrinker, ein würdiger Träger mit Glanz und großer Strahlkraft also.

Schließlich müssten die Freunde eines gepflegten Bieres zusammenhalten. Er wünsche sich, so der Brauhaus-Chef, dass Weil nach einem schönen Abend gern an Einbeck, seine Bürger und das Brauhaus zurückdenke. Die Laudatio auf den Ordenträger hielt Landrat Michael Wickmann, 2012 selbst mit der Auszeichnung geehrt. Er näherte sich zunächst dem Süd-Niedersachsen-Plan der Landesregierung kritisch: 50 Millionen Euro für fünf Landkreise in sieben Jahren, das sei nicht viel. Wenn man aber ein Jahr brauche, um Förderrichtlinien zu erstellen, sehe es anders aus. Den Bierorden bekommen, drei Glas Bier trinken – »du bist jetzt schon beim vierten!« –, und alles sei gut: So einfach werde es für Weil nicht, orakelte Wickmann, denn nur selten sei ein Bierordensträger, von ihm selbst abgesehen, wiedergewählt worden. »Aber umsonst machen wir diesen ganzen Aufstand hier nicht«, verwies er auf einen Wunschzettel an den Landesvater. Einbeck hätte, nicht zuletzt wegen der starken Resonanz auf das EIN-Kennzeichen, Hauptstadt-Status verdient, Hansestadt sei sie ohnehin.

Damit verbunden wäre eine Start- und Landebahn im Polder, ähnlich wie Kassel-Calden und die durchgehende Schiffbarkeit der Leine bis zum Maschsee. Die Anbindung Einbecks an die Schiene nach Salzderhelden, in die Provinz um Göttingen und in die Welt wäre eine gute Sache. Und wenn der »Ilmeblitz« technische Probleme habe, werde man auf Weils gute Verbindungen zu VW zurückgreifen können, um Ersatzteile zu bekommen. »Wir hätten Ideen für Einbeck«, schmunzelte er, und Weil müsse mindestens helfen, aus Einbeck eine Bierhauptstadt zu machen. »Wir erwarten etwas von Ihnen«, betonte auch Karnevalspräsident Albert Eggers bei der Verleihung des Ordens. »Davon verstehste endlich was« habe ihm seine Frau zu dieser Veranstaltung mitgegeben, berichtete Stephan Weil. Vom Landrat seien drei Wünsche angekommen: Der ICE fahre durch den Polder, Einbeck wolle die Weltgartenschau und zudem Landeshauptstadt werden. Er sprach seinen Dank für die warmen Worte aus und gratulierte zum 66-jährigen Bestehen des Vereins. »Einbeck Helaaf«, das habe ihm imponiert: Wenn die Rheinländer mal nach Einbeck geguckt hätten, würden Liebe und Eintracht zwischen Köln und Düsseldorf herrschen. Ein Ordensträger setzte sich in außerordentlichem Maß für Bier und Karneval ein, und beim Bier stimme das bei ihm. Seit fast 40 Jahren sei er bekennender Biertrinker. »Wasser ist für Vierbeiner, der Mensch findet Bier feiner«, zitierte er Heinz Erhardt. Mittlerweile sehe man das bei ihm auch, aber ein Mann ohne Bauch sei wie ein Himmel ohne Sterne. Er wolle sich beim Bier bedanken und zugleich über Weintrinker herziehen. Bier müsse man nicht gegens Licht halten, darauf herumkauen oder mit »Stark im Abgang« bewerten. Man nehme ein Glas, lächele es an, setze es an, trinke – und genieße. Biertrinker seien Ästheten, Bier sei ein ästhetisch-optisches Kunstwerk. »Ist das nicht schön?«, fragte er, als er ein Frischgezapftes in die Höhe hielt. Biertrinker achteten auf ihren Körper, verwies er auf Sprüche wie »Ein Bierchen für die Nierchen« oder »Zwischen Leber und Milz ist noch Platz für ein Pils«. »Wir wissen, was wir am Bier haben«, und schlimm sei es, wenn kein Bier im Kühlschrank sei. Für ihn sei Bier und nicht die bekannte Zigarettenmarke der Geschmack von Freiheit und Abenteuer. »Der beste Trank, den einer kennt, wird Einbecker Bier genennt«, diesem Luther-Zitat könne er nur zustimmen. »Praktisch denken, Einbecker schenken«, das wäre eine gute Werbestrategie. Mit seinen zahlreichen Brauereien seien Einbeck einst das »Silicon Valley des Bieres« gewesen, und eine Hochburg sei es noch immer. Beim Karneval sei Einbeck dem Rheinland vermutlich ebenbürtig, beim Bier auf jeden Fall, gebe es dort doch Limonade aus Reagenzgläsern. Sein ganzes Trachten und Sinnen, versicherte Weil, werde er künftig dem Landkreis Northeim und der Stadt Einbeck widmen. Tag für Tag werde er, so gut er können, das Bier fördern. »Wählt mich, das war’s, haut euch noch’n Bier rein«, damit habe Peer Steinbrück ein passendes Zitat hinterlassen. Sprüche von seinen Touren und aus dem Flaschenbierkeller hatte Bierkutscher Albert Eggers mitgebracht. Ein Tag ohne Bier, da wird ihm Weil sicher zustimmen, sei ein Gesundheitsrisiko. Lieber einen Bauch vom Bier als Wasser in den Beinen. Er witzelte über die unbedarften Northeimer, erinnerte an die Bürgermeisterin auf der Planierraupe am Poser-Park – »Schwarzarbeit am Bau« – und vermutete, dass das Geld, das die Entsorgung der illegal abgelegten Weihnachtsbäume die Stadt koste, dann wieder für Fahrradschutzstreifen und die damit verbundene geordnete Unübersichtlichkeit fehle. Wer einsam sei und es hasse, Entscheidungen zu treffen, wer sich ausheulen und Verantwortung abwälzen wolle, sei  im Rat wichtig, warb er um Kandidaten.

Dort gleiche operative Hektik geistige Leere aus. Am Neustädter Kirchplatz werde mit SEPA ein Serengeti-Park oder die Landeszentrale für die Kontenumstellung eingerichtet, und die lange gesperrte Brücke über das Krumme Wasser, die Venezianische Seufzerbrücke mit Buckel, lade zum Beamten-Bungee-Springen ein. Auch der Seniorenrat, die Einbecker Zentrale der Grauen Panther, freue sich darüber und genehmigte sich eine Tasse Brusttee mehr. Den musikalisch-karnevalistischen Rahmen des Abends gestalteten Michael Beyer, Louisa Mose, die Damengarde, die »Singenden Flaschen« und die Showtanzgruppe mit Till Eulenspiegels Geschichte. Gundi Eggers verabschiedete die Besucher traditionell mit dem Brauhauslied.ek