Mit dem Ferienpass durch dunkle Jahre der Einbecker Stadtgeschichte

Einbeck. »Ich zeige euch Ecken, die ihr noch nicht kennt«, mit diesem Versprechen nahm Gästeführerin Elena Küchemann die Einbecker Ferienpasskinder jetzt mit zu einem abendlichen Stadtrundgang, bei der ihnen auch Gauner, Henker und Folterknechte begegnen sollten. Im ­Gewand einer mittelalterlichen Braumagd berichtete sie den Kindern, dass Einbeck 1080 gegründet wurde. Eine Reliquie, ein Stück Stoff mit einem Blutstropfen Jesu, sorgte dafür, dass die Münsterkirche St. Alexandri großen Zulauf erhielt: »So wie heute Disneyland in Paris« – das konnten sich die Mädchen und Jungen gut vorstellen. Der Ort, der schnell wuchs, lag »an der Beeke«, an einem Bach, dem Krummen Wasser. Aus dieser Ortsbezeichnung wurde über die Jahrzehnte »Einbeck«. Ein wichtiges Datum der Stadtgeschichte war der 26. Juli 1540: An diesem Tag brannte die Stadt mit rund 750 Häusern komplett ab, 350 Menschen starben. Auch das Rathaus, in dem Schießpulver gelagert war, flog in die Luft. Der Rathauskeller war die erste Station des Rundgangs. Hier erfuhren die Teilnehmer, dass sich früher nur reiche Bürger Kerzenlicht leisten konnten, da Kerzen aufwendig hergestellt wurden und deshalb teuer waren. Die preiswerte Alternative war die Öllampe, die allerdings mit viel Ruß verbunden war. Sogar ein wenig Luxus, berichtete Elena Küchemann, gab es im Einbecker Rathaus, nachdem es Ende des 16. Jahrhunderts wieder aufgebaut worden war: eine Fußbodenheizung, mit der man den Ratsherren buchstäblich »Feuer unterm Hintern« machen konnte.

»Ihr habt’s richtig gut«, versicherte die Gästeführerin den Kindern, denn Heizung, fließendes Wasser und Müllentsorgung als Dinge, die heute selbstverständlich seien, gab es damals nur für besonders Wohlhabende. Die Abfallgruben der Häuser, in die auch die Nachttöpfe geschüttet wurden, wurden bis 1795 von den Henkersfamilien geleert; sie waren nicht besonders angesehen, aber unentbehrlich, und sie wurden mit ihrer Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes »stinkreich«. Der Stadtbrand von 1540 hängt eng zusammen mit dem Namen Heinrich Diek, und über den hatten einige Teilnehmer schon etwas gehört. Der Käfig, in dem nach seiner Verurteilung als Brandstifter aufgehängt worden sein soll, der Erzählung nach eingeschmiert mit Honig und nach ein paar Tagen von seinem Bruder erschossen, befindet sich in der Halle des Alten Rathauses; eine Kopie hängt am Diekturm am Benser Tor. Der Merian-Stich im Alten Rathaus zeigt nicht nur einen Blick auf Einbeck von der Hube aus, sondern auch, wie früher mit Verbrechern umgegangen wurde: Am Galgen baumelt jemand, und davor ist ein Rad zu erkennen, denn das Rädern war ebenfalls eine Tötungsmethode: »Ziemlich gruselig«, da waren die Kinder mit der Gästeführerin einig. Nach einem Blick auf die Marktkirche, rund 200 Jahre nach der Münsterkirche errichtet, und das 1612 erbaute Eickesche Haus mit seinen 110 kunstvoll geschnitzten Köpfen ging es Richtung Stadtmauer. Fünf Stadttore und 20 Türme hatte Einbeck früher.

Im Diekturm, einer Verteidigungsanlage mit meterdicken Mauern, erkundeten die Teilnehmer des Rundgangs den Stuhl, auf dem ein Doppelmörder 115 Tage bis zu seiner Verurteilung ausharren musste. Er hatte zuvor in »normaler« Haft versucht, sich das Leben zu nehmen, aber so einfach wollten ihn die Einbecker nicht davonkommen lassen. »Wo ein Wasser über das andere fließt«: In unmittelbarer Nähe des Diekturms befindet sich im Offiziersgarten eines der Einbecker Wahrzeichen. Auf dem Krähengraben konnten die Kinder den letzten Turm der Stadtbefestigung, den Storchenturm, sehen, bevor die Tour über Bäckerwall und Tiedexer Straße endete.     ek