Mit Organspende anderen Menschen das Leben retten

»Goethe lädt ein«: Transplantationskoordinator Ralf Werner appelliert an die Zuhörer, eine Entscheidung zu fällen

Organspende-Skandale, Missbrauch und Organhandel: Organspende ist mehr als diese negativen Schlagzeilen. Das Thema in den Fokus rückte Ralf Werner, leitender Transplantationskoordinator der Universitätsmedizin Göttingen im Rahmen der Reihe »Goethe lädt ein«. Er beantwortete Fragen zum Thema »Organspende« und rief dazu auf, eine Entscheidung zu fällen – egal ob als bereitwilliger Organspender oder nicht.

Einbeck. Jeden Tag sterben in Deutschland drei Menschen, weil es kein entsprechendes Spenderorgan gibt. Der Bedarf ist demnach sehr groß: In der Bundesrepublik warten 12.000 Menschen auf ein Organ. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland weit zurück.

Was eine Organspende für einen einzelnen Menschen bedeuten kann, erläuterte Hilmar Kumm. Ihm wurde 1991 ein Herz transplantiert, und er lebt damit bis heute sehr gut. Ein früher Herzinfarkt hatte die Gesundheit des Uslarers zerstört, und er entschloss sich zur Transplantation. Nun freut er sich über »22 Jahre geschenktes Leben« durch den neuen »Austauschmotor« – auch wenn er bis an sein Lebensende Tabletten nehmen muss, die eine Abstoßung des Organs verhindern.

Die Wahrscheinlichkeit, selbst einmal ein Organ zu benötigen sei größer als die, an hirnorganischen Schäden zu sterben und, wenn man Spender ist, Organe zur Verfügung zu stellen, betonte Ralf Werner. Eine Organspende ist ab dem 16. Lebensjahr und mit dem entsprechenden Spenderausweis möglich. Auch Organspenden von älteren Menschen seien machbar und erforderlich.

Beim Spender müsse der Hirntod festgestellt werden, erklärte der Referent. Wenn trotz künstlicher Beatmung und Herztätigkeit die Hirnaktivitäten erloschen seien, sei der Organismus nicht mehr zur Selbststeuerung in der Lage. Der Hirntod werde dann umfangreich untersucht und festgestellt. Um aber Organe zu entnehmen, müsse der Verstorbene zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt haben. Nur vom Spender freigegebene Organe werden transplantiert. Nach der Entnahme muss alles sehr schnell gehen. Auf schnellstem Wege geht es ins Transplantationszentrum. So habe man beispielsweise nur insgesamt vier Stunden Zeit, bis das Herz in einem anderen Menschen schlagen muss, bei der Niere hingegen betrage das Zeitfenster 40 Stunden. Spenderorgane sind Niere, Leber, Herz, Lunge, Darm, Bauchspeicheldrüse und Hornhaut. Organe zu spenden, sei eine freie Entscheidung. Die Bitte um eine Organspende sei allerdings »die schwierigste Frage zum ungünstigsten Zeitpunkt an eine unglückliche Familie«, gab Werner zu bedenken. Deshalb sei es gut, sich zu Lebzeiten mit dem Thema auseinanderzusetzen und einen Organspendeausweis auszufüllen – auch, wenn man nicht bereit ist, seine Organe herzugeben, denn auch das wird auf dem Ausweis vermerkt.

Die Empfänger werden ausschließlich nach medizinischen Kriterien ausgesucht. Festgestellt werden muss, ob die Blutgruppe passt, wie die Gewebemerkmale aussehen und ob Infektionen vorliegen. Die Persönlichkeit verändere sich durch eine Organspende nicht. Die Seele habe er in einem Herzen noch nie gesehen, wischte Werner Bedenken vom Tisch, das Herz sei nur eine »Pumpe«. Den Namen des Spenders erfährt der Empfänger nicht. Diese Anonymität verhindert wechselseitige Abhängigkeiten.

Werner appellierte an die Zuhörer, sich mit dem Thema zu befassen. Seit 2011 greift in Deutschland die Erklärungslösung. Diese besagt, dass die Krankenkassen alle Versicherten ab 16 Jahren informieren und sie auffordern, sich zu entscheiden, ob sie ein Organ spenden wollen. Nachteil aus Sicht der Kritiker: Es gebe keine Pflicht, sich zu entscheiden. Werner hingegen befürwortete die Widerspruchsregelung, wie sie in Österreich oder Spanien gilt: Danach ist nur derjenige kein Organspender, der widersprochen hat.

In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Organspenden rückläufig – im vergangenen Jahr sank die Zahl um 12,8 Prozent. Das soll mit dem Organspendeskandal, in den auch ein Göttinger Mediziner verwickelt ist, zusammenhängen. Zur Organspende gebe es aber noch keine Alternative, weder gebe es Kunstorgane, noch könnten Organe anderer Spezies übertragen werden, Ressourcen könnten außer bei der Leber nicht gesplittet werden. Werner appellierte an die Zuhörer, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und eine Entscheidung zu fällen. Nach dem eigenen Tod könne man noch Menschenleben retten und Organe spenden, meinte der Referent. Bestes Beispiel für eine geglückte Transplantation sei Hilmar Kumm. Und so sammelten die Zuhörer dann auch für die Uslarer Selbsthilfegruppe. Annett Steinberg, Lehrerin an der Goetheschule, dankte den Referenten für den Vortrag zu einem »bedeutsamen Thema«.sts