Mühlenberg und Söhne: In USA bekannt und anerkannt

300 Jahre Heinrich Melchior Mühlenberg / Dr. Claus Veltmann referierte im Geschichtsverein zum Wirken des Einbeckers

Zum Mühlenberg-Jubiläum hatte der Einbecker Geschichtsverein den Kustos der Franckeschen Stiftungen Halle, Dr. Claus Veltmann, eingeladen, der zur Arbeit des Kirchenmannes in Nordamerika ausführlich und interessant informierte.

Einbeck. Das Ansehen, das dieser noch heute in USA genießt, verdeutlichte er an einem eindrucksvollen Beispiel: Zum 200. Jubiläum von Mühlenbergs Ankunft in Pennsylvania, wurden Feiern vorbereitet. Franklin D. Roosevelt, der Präsident, schrieb 1942 extra einen Brief an den Komitee-Vorsitzenden und hob die Bedeutung des »patriot of the Revolution and patriarch of the Lutheran Church in America« hervor – trotz des Krieges eine Hommage. Dieses Bewusstsein gegenüber dem »Schöpfer des lutherischen Kirchenwesens in den USA«, erläuterte Dr. Veltmann, sei bis heute vorhanden. So waren auch die Bildunterschriften seines Vortrags in englischer Sprache gehalten, denn von amerikanischen Reisegruppen sei man in Halle dieses Jahr förmlich überrannt worden, berichtete der Historiker, der für die Jahresausstellung dort sowie für die Wanderausstellung, die auch in Einbeck zu sehen war, verantwortlich zeichnete. Zurzeit stünden noch 30 Orte in USA für diese Ausstellung auf der Warteliste.

Zwischen 1726 und 1755 kamen allein nach Pennsylvania 40.000 deutsche Auswanderer, stellte er dann die Rahmenbedingungen vor. Pennsylvania, gegründet von William Penn, war begehrtes Ziel, denn es war eine »Eigentümerkolonie« – im Gegensatz zu »Kronkolonien«, die einem Herrscher wie zum Beispiel dem englischen König Georg II., zugleich Kurfürst von Hannover, untertan waren. Das Gesetz achten und »ein Oberwesen oder einen Gott« bekennen, das waren Penns Maxime.

So berichtete Mühlenberg 1749 von vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Die Glaubensfreiheit schätzte man, der Aufbau eines Kirchenwesens ohne Obrigkeit war den Lutheranern aber unbekannt und entsprechend schwierig. Zur Unterstützung im neuen Siedlerleben, für Halt und Trost, war ihnen auch kirchliches Leben wichtig, und deshalb waren ordinierte Pfarrer sehr gesucht. August Hermann Francke und sein Schüler, Friedrich Michael Ziegenhagen, Hofkaplan des englischen Königs, hielten den Kontakt nach Nordamerika. Die Bezahlung der Geistlichkeit auf freiwilliger Basis, ein weiterer Grundsatz in Pennsylvania, blockierte über Jahre eine Entsendung.

1741 sagte Mühlenberg zu, befristet die Gemeinden Philadelphia, New Hanover und Providence zu betreuen. Franckes Sohn dachte dabei auch an die »Konkurrenz«, an Graf von Zinzendorf von der Herrnhuter Brüdergemeinde, der bereits auf dem Weg in die Neue Welt war. Ziegenhagen hatte das Gehalt festgesetzt, Dokumente, die ihn als ordinierten Pfarrer auswiesen, hatte der Einbecker in lateinischer Sprache bei sich. Dr. Veltmann berichtete den interessierten Zuhörern in der Teichenwegschule lebendig und anschaulich, auch von Mühlenbergs Anfangsjahren in Einbeck und dessen weiterem Werdegang.

Eindrücklich verdeutlichte er des Pfarrers Schwierigkeiten in Nordamerika: Ein Kirchenwesen unter europäischer Leitung ließ sich nicht umsetzen. Ratschläge aus Halle dauerten postalisch zu lange und boten kaum Hilfe. Hier war eine pragmatische und ergebnisorientierte Herangehensweise gefragt. »Europäische Kirchenverhältnisse« schaffen zu wollen, genau dies sei ihm und seinen Kollegen jedoch Jahre später zum Vorwurf gemacht worden. Schnell fand Mühlenberg Anerkennung, auch durch die Fähigkeit, in englisch und niederländisch zu predigen. Gemeindelaien bezog er in die Arbeit mit ein, und er initiierte den Bau von Schulen und Kirchen. Er heiratete die Tochter eines Mannes, der für die Regierung als Unterhändler in Indianerfragen arbeitete. Elf Kinder folgten. Die drei ältesten Söhne schickte er zur Ausbildung nach Halle. 1748 schuf eine Konferenz mit zehn Gemeinden die Basis zu einem überregionalen Verbund mit einer gemeinsamen Gottesdienstordnung, die Gründung der ersten lutherischen Synode von Nordamerika. Der Durchbruch, so Dr. Veltmann, sei 1762 mit einer Kirchenordnung für die größte deutsch-lutherische Gemeinde der Kolonie, in Philadelphia, gelungen: die gesamte Gemeinde konnte mitentscheiden.

Die »europäischen Kirchenführer« hatten nur noch beratende Funktion. Treuhänder verwalteten den kirchlichen Besitz. »Das Prinzip der Selbstbestimmung« setzte sich nach und nach in allen Gemeinden Mühlenbergs durch. »Die Gemeinde als Ganzes wurde ein tragendes Element der Kirchenorganisation.« Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Lutheraner von Philadelphia zeigte 1765 der Kolonieeigentümer mit dem Privileg der Umwandlung der Gemeinde in eine Körperschaft. Deutsch-Lutheraner einiger anderer Staaten folgten dieser Kirchenordnung.

Unbekanntes wusste der Historiker auch von drei Söhnen zu berichten, die in den USA »heute noch bekannter sind als ihr Vater«: Zwei wurden Mitglieder des Repräsentantenhauses,  ein dritter ein berühmter Biologe. Weitere interessante Details sind im Katalog nachzulesen, der zur Jahresausstellung erschien: »Freiheit, Fortschritt und Verheißung«, Herausgeber Claus Veltmann, Jürgen Gröschl und Thomas Müller-Bahlke (978-3-447-06476-7). Bereits 1982 befasste sich der Einbecker Adolf Radvan in einem Geschichtsvereins-Vortrag und einem Sonderdruck mit Mühlenberg.des