Mythen, Magie und Malerei

50. Ausstellung im Biotechnikum befasst sich mit »Bushman Art«

Über die Möglichkeit, die außergewöhnlichen Bilder der »Bushman Art« im Biotechnikum auszustellen, freuen sich (von links) Ulrich Krempel, Hella Rabbethge-Schiller und Hagen Duenbostel.

Einbeck. In eine faszinierende Welt voller Mythen und Magie einzutauchen, die Jäger, Menschen, Tiere, scheinbar unpassende Gegenstände wie Radios, aber auch Fabelwesen wie doppelköpfige Schlangen oder das Ungeheuer Ngongo umfasse, dazu lud Hagen Duenbostel, Vorstandssprecher der KWS SAAT SE, die rund 200 Gäste im Biotechnikum bei der Vernissage der Ausstellung »Bushman Art« ein. Dankbar war er, viele Werke der außergewöhnlichen Sammlung Hella Rabbethge-Schillers präsentieren zu können.

Prägend für die Künstler seien die Themen Herkunft, Veränderung und Zukunft, sie tauchen immer wieder auf. »Als immer internationaler werdendes Unternehmen sind wir dankbar für neue Eindrücke, andere Kulturen und Mentalitäten – und was würde diese Haltung besser zum Ausdruck bringen, was würde unsere Neugier besser entfachen als ‘Bushman Art’«, sagte Duenbostel.

Mit leuchtenden Farben beschwören die Künstler, die San, Buschleute aus Namibia und Angola, eine längst versunkene Welt voller fabelhafter Wesen herauf. Seit jeher hat das uralte Sammler- und Jägervolk seine magisch-mystischen Geschichten in den weltberühmten Felsbildern des südlichen Afrikas festgehalten.

Dass ihre Malerei längst in der modernen westlichen Welt anerkannt sei, liege an ihrer Kraft und Unbekümmertheit – und an dem großen Engagement von Hella Rabbethge-Schiller, die anlässlich der 50. Vernissage im Biotechnikum einen Querschnitt ihrer bedeutenden Sammlung von »Bushman Art« präsentiere.

Kunsthistoriker Ulrich Krempel stellte den Gästen das Projekt »!Xun&Khwe Art«, die Künstler und die 47 Kunstwerke der Ausstellung vor. Zusätzlich wurden bei der Eröffnung weitere Werke der Sammlung per Beamer auf eine große Leinwand projiziert und Geschichten zu den jeweiligen Bildern vorgetragen.
Die San wären in ihrer bedrohten Lebenssituation ohne das Kunstprojekt womöglich nie als Künstler entdeckt worden, so Krempel. Die Ausstellung unternimmt auch den Versuch, die Menschen und ihre Kultur hinter den faszinierenden Bildern ins Licht zu holen.

Die Künstler gehören zur indigenen Urbevölkerung des südlichen Afrikas. Ihr nomadische Kultur wurde über die Jahre immer mehr bedroht. Siedler schränkten ihren Lebensraum auf ein Minimum ein, es gab Versklavung und Ausbeutung. 1990 wurde eine Gruppe von 4.500 Buschleuten zum ihrem Schutz aus den Bürgerkriegsgebieten in Namibia und Angola evakuiert und ins südafrikanische Schmidtsdrift, einem Flüchtlingslager, umgesiedelt.

Die gezeigten Arbeiten entstanden dort seit 1993 als Teil der Kunstinitiative »!Xun&Khwe Art Project«. Es sollte den traumatisierten Flüchtlingen helfen, ihre Identiät zu bewahren und den Verlust ihrer traditionellen Lebensweise zu kompensieren. Eine Gruppe von Künstlern, alle Analphabeten, arbeitete autodidaktisch mit modernen Medien wie Linoldruck oder Ölmalerei. In eigener Ausdrucksweise visualisierten sie Mythen, Überlieferungen und Vorstellungsweisen. Trotz widriger Lebensumstände beeindrucken die Werke mit Vitalität, Lebensfreude und Ausdruckskraft. Sie
beschwören einerseits die alte, von Mythos und Magie geprägte Ursprungskultur, zeugen zugleich aber auch von den Einflüssen der modernen, von Globalisierung und allgegenwärtiger Kommunikation geprägten Welt. Die farbenprächtigen Werke seien die letzten Zeugnisse einer verschwundenen Kultur und dokumentieren ein einzigartiges, magisches Denken in Bildern, so Krempel.

Als Beispiel nannte er unter anderem den Angolaner Ferciane Ndala, der erst Jäger und Sammler war, dann in der Armee im Bürgerkrieg kämpfte und dann nach Schmidtsdrift flüchtete. Dort entdeckte er die Malerei. Farbenfrohe und geheimnisvolle Werke wie »Gecko and Tortoises« oder »Tanga and Eland« entstanden. Ähnliche Schicksale hatten auch Flai Shipipa, Joao Wenne Dikunanga, Stefaans Samcuia, Katunga Carimbwe oder Monto Massako, in vielen Bilder erkennt man die Auseinandersetzung mit Herkunft, Veränderung und Zukunft.

Die Galeristin und Kunstsammlerin Hella Rabbethge-Schiller lebte einige Jahre in der Nachbarschaft. Schon beim ersten Besuch des Lagers 1994 erkannte sie das große Potenzial der Bilder. Fortan engagierte sie sich als offizielle Repräsentantin für das Kunstprojekt, reiste regelmäßig nach Schmidtsdrift, um den
Fortgang des Projekts für Vorträge und Publikationen zu dokumentieren und die Künstler mit Arbeitsmaterialien auszustatten. Ausstellungen in vielen Ländern Europas folgten, begehrte Bildbände entstanden. Die Erlöse – wie die der KWS-Ausstellung – kommen den Künstlern direkt zugute, Rabbethge-Schiller übergibt sie vor Ort.

Eine große Solidarität präge die Künstlergruppe, aber auch Egalität und Respekt. Ihr imponiert, wie sie gemäß des Mottos »Die alten Geschichten schweigen – nun sprechen die Bilder« die Werke als Medium des Verständigens benutzen, um die alte, archaische Kultur in der heutigen Welt zu kommunizieren. Die positive Resonanz auf die faszinierenden Bilder erfreut Rabbethge-Schiller immer wieder, sie sei Bestätigung und Anerkennung der Künstler.

Interessierte können die Ausstellung am Donnerstag, 1. März, ab 18.30 Uhr zusammen mit der Einbecker Galeristin Hella Rabbethge-Schiller besuchen. Anmeldungen dafür nimmt Bettina Alex, Telefon 05561/311-638, E-Mail bettina.alex@kws.com, gern entgegen.mru