Nach über 700 Jahren: die Kirchengemeinde Einbeck

Münster-, Markt- und Neustädter Gemeinde, Hullersen, Kohnsen, Negenborn, Kuventhal-Andershausen und Volksen

Seit dem Mittelalter gibt es in Einbeck »drey Parochien« (auch Caspeln oder Kirchspiele genannt): Die Münstergemeinde St. Alexandri, die Marktgemeinde St. Jacobi und die Neustädter Gemeinde St. Marien. Über 700 Jahre haben sich diese die drei Gemeinden im Grunde unverän-dert erhalten. Ab 1. Januar 2014 werden sie gemeinsam mit der Gemeinde St. Nicolai Hullersen zur evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Einbeck. Zu ihr gehören neben den drei Stadtkirchen weitere sechs Kirchen und Kapellen.

Einbeck. Die ersten Einbecker Gemeinden waren die von St. Alexandri und St. Jacobi. Das Gelände vor der Münsterkirche gehörte ehemals zur so genannten »Stiftsfreiheit«. Der Stiftsbezirk war seit der Klostergründung um 1085 bis zum Jahre 1837 eine rechtlich weitgehende unabhängige »Stiftsfreiheit«. Von der Einbecker Polizeigewalt ausgenommen unterstand es der Kirche. Wenn also ein Krimineller von den Stadtbütteln verfolgt wurde und vom Marktplatz bis in den Bereich der Münsterkirche fliehen konnte, war er nicht mehr zu belangen: Am 26. Dezember 1592 erstach Caspar Grotengießer »auff der Gasssen« den Bürger Arnold Metgen. Grotengießer konnte in die Stiftsfreiheit entkommen, und einige Tage später stahl er sich durch das Stadttor davon.

Die Marktkirche St. Jacobi wurde 1238 urkundlich erwähnt. Zu dieser Zeit war in Einbeck Aufbruchstimmung. Damals floss das Krumme Wasser noch mitten durch die Altstadt. Um das Stadtgebiet trocken zu legen, leitete man den Bach am heutigen Walkemühlenweg vorbei bis zur Wasserkunst am Offiziersgarten.

Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die Altstadt um die Neustadt (südlich der alten B3) erweitert. 1313 erteilten zwei Bischöfe 40 Tage Ablass für verschiedene Bußübungen für Gläubige, die »in denen Pfarren S. Alexandri, S. Jacobi, und S. Marie um die Kirchhöfe gehen und für der gläubig Verstorbenen Seelen beten würden«. Der erste Bau von St. Marien war eine romanische Kirche. Im 15. Jahrhundert wurde die Kirche im gotischen Stil neu errichtet. Schon 100 Jahre später wurde sie aber beim großen Stadtbrand stark beschädigt. Der Brand von 1826 war noch verheerender. Letztlich wurde St. Marien abgerissen und einige Zeit später am Sülbecksweg im Stil der 1960er Jahre neu gebaut.

Die Kirchspiele hatten seit dem Mittelalter für die Nachbarschaften der Bürger Bedeutung. Sie mussten »in Gefahren und Nöten, doch auch bei freudigen Ereignissen … treu zusammenstehen und einander unterstützen«. In jedem Caspel mussten in Trockenzeiten Wasserkübel, Leitern und eiserne Haken bereit stehen. Falls eine »Feuers-Noth sich eräuget, sollen, Nachbar bey Nachbarn, an dem Ort, da das Feuer entstanden, sich unverzüglich anfinden, und einem andern treulich beystehen…«. Jeden Montag nach Pfingsten musste das »Neustädter Caspel, so oft es Noth tut, die Fluthung in der Ilme vor der Stadt verrichten«. In jedem Kirchspiel wurde am Passionssonntag, dem 5. Sontag nach der Fastenzeit, eine Steuer, der Nachschoss, für die Bürger fällig.

Die Kirche St. Nicolai in Hullersen wurde vom Kloster Corvey gegründet. Gegen eine jährliche Lieferung von einem Pfund Wachs trat das Kloster das Patronatsrecht an das (seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr existierende) Einbecker Stift Beatae Mariae Virginis ab. Hullersen war die erste Kirche im Einbecker Raum, in der während der Reformationszeit lutherisch gepredigt wurde. 1522 teilte Pfarrer Ebbrecht von Salzwedel »das Heilige Abendmahl unter beiden Gestalten« aus. Die heutige Hullerser Kirche wurde in den Jahren 1777 bis 1778 erbaut.Die auf einer Anhöhe liegende Negenborner Kirche St. Laurentius ist in weiten Teilen noch das ursprüngliche Gebäude. Gottesdienst wurde in Negenborn nur zu bestimmten Anlässen gefeiert, in der Regel gingen die Dorfbewohner Sonntags über den so genannten Kirchweg nach Einbeck zur Predigt. 1476 wurde für Negenborn eine eigene Pfarrkirche gegründet und mit dem Dorf Volksen zusammengelegt. Das Patronatsrecht hatte St. Alexandri in Einbeck.

Die Kapelle in Volksen war der Jungfrau Maria geweiht. Sie war ein Wallfahrtsort, zu dem Kranke und Gebrechliche wanderten und der Mutter Gottes ein Opfer brachten. Die massiv gebaute Wehrkirche beherbergte bis in das 20. Jahrhundert hinein eine Pietà – eine Muttergottesfigur, die den gekreuzigten Jesus im Schoß hält. Die Pilger kamen damals von weither und erwarteten von ihr Hilfe und Linderung ihrer Krankheiten.Die Holtenser Kapelle steht an der verbreiterten Dorfstraße. Die Kapelle stand wohl zuerst auf einem freien Platz und wurde vom 17. bis zum 19. Jahrhundert von den umliegenden Häusern regelrecht eingekesselt. Ursprünglich war die Kapelle möglicherweise ein im 14. Jahrhundert errichteter dreistöckiger Bau.

St. Johannis in Kohnsen wurde von den Herren von Constein gegründet. Vor der Reformation war die Kirche eine Filialkirche von St. Alexandri in Einbeck. Danach wurde die Kirche wegen der geringen Bezahlung mit der Pfarrstelle in Hullersen zusammengelegt.

Die erste kleine Kapelle in Kuventhal war nach dem Dreißigjährigen Krieg »einem Viehstalle ähnlicher als einem Gottshaus«. 1665 wurde sie für 116 Taler renoviert. 1859 entschloss sich die Gemeinde für einen Neubau an einem anderen Standort. Am 3. November 1861 wurde die Kapelle feierlich eingeweiht. Nach der Einrichtung eines Friedhofes zwischen den Dörfern Kuventhal und Andershausen im Jahre 1909 wurden nach und nach alle Gottesdienste in Kuventhal gefeiert. Die Gemeinden Kuventhal und Andershausen schlossen sich nach dem Zweiten Weltkrieg dem Kreiskirchenrentamt Einbeck an.

In einer Woche gehören alle beschriebenen Kirchen und Kapellen mit ihren Einzugsbereichen zu einer einzigen großen Gemeinde: Ein Aufbruch in die Zukunft mit Neuerungen und Altbewährtem.wk