Neue Verordnungen regelten das Leben in Einbeck im 16. Jahrhundert

Müßiggang und Weinkellerverbot / Ehebruch kostete zwischen zehn und 40 Mark / Braurecht wurde durch Einheiraten in die Braugilde billiger

Nachdem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Reformation in Deutschland Einzug gehalten hatte, änderte sich die Einstellung vieler Menschen nicht nur in kirchlicher Hinsicht. Auch die bisher herrschenden Wertevorstellungen wurden in Frage gestellt. So entwickelten sich in vielen Orten teilweise chaotische Zustände, die teilweise noch Jahrzehnte lang anhielten. In Einbeck wird es wohl ähnlich gewesen sein, denn im Jahre 1573 wurde eine neue Polizeiordnung erlassen, um das »allzu argeTreiben« der Einbecker Bürger einzudämmen.

Einbeck. Wegen »der allgemein eingerissenen Sittenlosigkeit«, die ihren Ursprung darin hatte, »dass zu dem Reichstage zu Worms neben den vielen Fürsten, Adeligen und zahlreichen Prälaten und sonstigen Geistlichen auch über eintausend Huren reisten« und viele Jahre später in der »durch die furchtbaren Feuersbrünste hervorgerufene Unordnung und Verwirrung« der Einbecker gipfelte, wurde die Einbecker Polizeiordnung, »welche alle Jahre am ersten Gerichtstage nach Ostern und Michaelis öffentlich vorgelesen werden soll« verabschiedet.

Nachdem der Stadtrat 1529 eine protestantische Mehrheit hatte, waren die Bürger in zwei Lager gespalten. Respekt und Hochachtung wurden im Streit um evangelischen und katholischen Ritus zweitrangig. Gut zehn Jahre später brannte die Stadt ab, nach neun weiteren Jahren tobte der nächste Großbrand. Zwanzig Jahre danach war die Stadt wieder einigermaßen aufgebaut und die Verhältnisse wurden besser. Ob sie zu gut wurden, lässt sich nicht genau sagen. Fakt ist, dass der Einbecker Stadtrat sich genötigt sah, das sittliche, berufliche, private und rechtliche Leben der Einbecker in engere Grenzen zu fassen:

In 126 Paragraphen wurde genau geregelt, wie künftig die öffentliche Ordnung einzuhalten war. Die erste Regel betraf den Kirchgang: Wer am Sonntag »unter der Predigt auf dem Markte angetroffen wurde, hatte eine Einbecker Mark Strafe zu zahlen«. Inwieweit das auch eingehalten wurde ist, nicht bekannt, aber die Einbecker Kirchen werden ab diesem Zeitpunkt sicherlich besser besucht gewesen sein.

Wer als Einbecker des 16. Jahrhunderts die gepflegte Gastronomie mochte, der ging abends in den Rats-Weinkeller auf dem Marktplatz. Dort konnte es dann durchaus etwas länger werden, oft bis spät in die Nacht. Das war ab jetzt vorbei, zumindest an den Sonn- und Feiertagen. Wer sich nicht daran hielt, der war mit einer Mark Strafe dabei. Das gleiche kostete, wenn man »vor dem Mittage« ein »Gelage« abhielt. Wer im Rathaus oder im Weinkeller jemand anderen »Schaden, Unfug oder Gewalt mit Worten oder Werken zufügen würde, soll ernstlich mit 60 Mark gestraft werden«. Paragraph Drei richtete sich gegen das »Gesindel«. In der Stadt sollten keine »berüchtigte und verdächtige unehrliche Weiber gelitten noch beherbergt werden, bei Pein und Vermeidung ernstlicher Strafe«. Würfel und Kartenspiel wurden ab sofort verboten. Bei Zuwiderhandlung drohte die Strafe von 5 Mark.

Im Winter durfte sich niemand nach acht Uhr »auf der Gasse ohne Leuchte finden lassen« und im Sommer nicht nach zehn Uhr. Wer trotzdem ohne Licht angetroffen wurde und »nur unnütze Worte, oder Gewalt üben würde, soll um Abtrag angehalten werden«. Wer nachts »einen Tumult oder Waffengeschrei anrichten würde«, der musste die Stadt verlassen und konnte »ohne Strafe nicht wieder in die Stadt kommen«.

Die Polizeiverordnung wendete sich auch gegen alt hergebrachte Bräuche: »Fastnacht laufen, reiten oder fahren und sich unchristlich verkleiden oder sich ungeberdig verstellen, soll bei Pein einer Mark verboten sein«. In den Gärten vor der Stadt war das »Büchsen schießen«, das »Raths Cingeln« und »Schlösser und Thüren damit schießen, noch an den Landwehren und Schlagbäumen Schaden thun, bei Pein der Stadt Veste« verboten (Paragraph 60).

Das Eheleben der Einbecker Einwohner war damals von öffentlicher Seite streng geregelt: Ehebruch kostete 40 Mark Strafe. Darüber hinaus wurden die Ehebrecher für zwei Jahre aus der Stadt verbannt. Auf » groben Ehebruch« - wenn das Eheverhältnis so verletzt war, dass »sie schon als gelöst zu betrachten ist« - stand die »Leibstrafe «. Bei der Bestrafung von Ehebrechern unterschied man zwischen Verheirateten und Ledigen. Hatte der Verheiratete 40 Mark Strafe zu zahlen, so kostete das gleiche Vergehen für den ledigen Mann nur 20 Mark und für die ledige Frau 10 Mark. Sex vor der Ehe war grundsätzlich nicht gestattet. »Wer eine Jungfrau vorsätzlich schändet, derselbe soll sie zur Ehe nehmen und sie wieder ehren, oder ihr so viel reichen und geben, damit sie zu Ehren und zum ehrlichen Stande…könnte ausgestattet werden.« Offenbar unterschied man aber zwischen den vornehmeren Jungfrauen und »einfachen und ordinären« Mägden, denn bei letzteren »soll viel ein geringer Maß gehalten werden, alles nach Erkenntnis eines Ehrbaren Raths«.

Auch in beruflichen Belangen wurde das Personal nicht hoch geachtet, denn wenn Dienstboten, Knechte und Mägde ihre Stellung wechseln wollten, hatten sie dies »vier Wochen vor Ostern oder Martini« anzumelden. Wer allerdings als Knecht oder Magd »in unserer Stadt zehn Jahre getreulich und aufrichtig dienen würde«, konnte für zehn Mark die Bürgerschaft erwerben. Man konnte das Bürgerrecht auch sofort erwerben. Das kostete 21 Mark. Wollte man noch zusätzlich das Braurecht besitzen, musste »in die Braugilde freien« und 52 Mark bezahlen. Das bedeutete, dass man sich innerhalb der Einbecker Braugilde eine Frau zum Heiraten suchen sollte. Wer das nicht konnte oder wollte, der musste die doppelte Summe zahlen: 104 Mark, eine für damalige Verhältnisse stattliche Summe. Es gab aber auch Rabatt beim Kauf von Bürgerschaft und Braurecht: Büdener (Besitzer eines Hauses ohne Braurechte) mit Brandschaden, die den Brand von 1540 oder 1549 miterlebt hatten, oder sogar von beiden Bränden betroffen waren, konnten mit 15 Mark das Braurecht erlangen. Allerdings galt auch hier wieder die Heiratsklausel. Günstig wurde es also nur, wenn man bereit war, eine der heiratsfähigen Damen aus der Braugilde zu ehelichen.wk