Osterbräuche in Einbeck haben Ursprung im Götterglauben

Ostara vertrieb den Winter / Osterwasser gegen Zahnausfall, Osterfeuer gegen Hagel / Blick in Glut verlängert Leben / Brauchtum übertrieben

Jedes Jahr am Ostersonntag machen sich die Einbecker und die Bewohner der Ortschaften auf den Weg zu ihren Osterfeuern. Bei Sonnenuntergang wird am Fuß des Hubeberges in der Nähe des »Hasenjägers« das Einbecker Osterfeuer entzündet. In der Dunkelheit kann man von hier Dutzende weitere Feuer sehen, die in den umliegenden Dörfern entzündet werden. Dieser 2.000 Jahre alte Brauch hat seinen Ursprung im germanischen Götterglauben. Bezeichnungen wie Ostern oder Donnerstag (englisch: Thursday) nach Donar beziehungsweise Thor, dem Sohn des Göttervaters Odin, sind ihrem Ursprung nach germanisch.

Einbeck. Der Name Ostern stammt von der germanischen Göttin der Morgenröte »Ostara« oder »Eoastarae« beziehungsweise dem germanischen Ostermonat, dem »Eostur«-Monat. Nachdem Frau Holda im Blau des Himmels webte und die Erde im Winter in eine Schneedecke gehüllt hatte, erschien zu Beginn des Frühlings die Göttin Ostara. Sie fuhr jedes Jahr zum Beginn des Frühlings, der Tag- und Nacht-Gleiche, mit einem von Katzen gezogenen Gespann segnend über das Land. Begleitet wurde sie von einem Hasen, der als Sinnbild für Fruchtbarkeit und Neubeginn das Welten-Ei versteckte. In Frau Holle aus dem Märchen der Gebrüder Grimm lebt Frau Holda übrigens bis heute fort.

Auch die alten Römer versteckten Eier, und viel später, im Mittelalter, spendete man Eier als Opfergaben für Heiligenfiguren und Altäre in den Kirchen und Kapellen.

Als um das Jahr 800 das Gebiet des heutigen Niedersachsens von den christlichen Franken unter Karl dem Großen erobert wurde, zerstörte man den alten Götterglauben, indem man auf den heiligen Hainen der Germanen christliche Kapellen und Kirchen baute. Die germanischen Bräuche wurden bei Todesstrafe verboten und durch christliche Inhalte umfunktioniert.

Doch diese neuen Regeln wurden vielfach von der Bevölkerung unterlaufen, so dass sich alte germanische Bräuche, wenn auch weitgehend unbewusst, teilweise bis heute erhalten haben. In Einbeck wurden noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene alte Oster-Traditionen gepflegt: Morgens vor Sonnenaufgang wurde das Osterwasser geschöpft. Dabei durfte auf dem Hin- und Rückweg kein Wort gesprochen werden. Es war streng verboten, entgegenkommende Menschen zu grüßen oder deren Gruß zu erwidern. Das Osterwasser galt als Allheilmittel. Es sollte bei Fieber, Kopfschmerzen, Krätze und bei Wunden heilende Wirkung haben. Auch gegen Hautkrankheiten oder unerwünschte Sommersprossen wurde es eingesetzt. Wenn man sich an einem Bachlauf mit Osterwasser den Mund spülte, war man gegen Zahnschmerzen gefeit, und die Zähne sollten lange Zeit erhalten bleiben. Der Brauch, den man schweigend ausführen sollte, hatte sich aber im Laufe der Zeit in ein volksfestähnliches Ereignis gewandelt: Das hatte zur Folge, dass es in der Osternacht 1859 zu erheblichen Ruhestörungen in Einbeck kam. Der damalige Bürgermeister schrieb an die königliche Landdrostei, dass in Einbeck das Unwesen herrsche, »in der Nacht vom Sonnabend auf den heiligen Ostertag um Mitternacht aus fließenden Gewässern heiliges Osterwasser zu schöpfen, welches, wenn es in tiefem Stillschweigen nach Hause geschafft wird, nach der Ansicht selbst verständiger Menschen, sich wochenlang frisch und klar erhalten und bei Vieh und Mensch Wunder tun soll. Zu diesem Zwecke eilen dann junge und alte Jungfern und Nichtjungfern, Frauen und Kinder, Hübsche und Hässliche, Gesunde und Kranke schon früh mit Eimern und Kannen und sonstigen Gefäßen an die Versammlungsplätze, und da, wie sich nun von selbst versteht, bei diesem heidnischen Treiben die Männer und Burschen nicht fehlen, so werden wir kaum hervorzuheben brauchen, zu welchem Umfang, Lärm und Schabernack dieses wüste Treiben in der Vornacht zu den höchsten Festtagen führt. Um diesen Scandal auf den höchsten Punkt zu bringen, versammeln sich nun gar die Pferde haltenden Einwohner und Knechte mit ihren Pferden an den fraglichen Stellen und bringen den ursprünglich vielleicht harmlosen Spaß zum gefährlichen Exceß«.

Die Einbecker hatten bei diesem mittlerweile fröhlich ausgeübten Brauch schlichtweg übertrieben. Die Folge war, dass man die aus der Sicht der Obrigkeit unerfreulichen Nebenerscheinungen des Wasserschöpfens verbot. Wer sein Pferd in der Osternacht zur Tränke führte, hatte mit bis zu zehn Reichstalern Strafe zu rechnen. Ruhestörungen wurden je nach Größe des Vergehens mit zehn Groschen bis zwei Taler geahndet. Das Wasserholen an sich wurde allerdings nicht verboten. Gleichzeitig begannen die Einbecker Pastoren, in ihren Predigten gegen diese »ärgerliche Gewohnheit« anzukämpfen.Einen ähnlichen Brauch gab es in den Ortschaften. Man nahm zum Osterfeuer heimlich Eier mit und zerdrückte sie in der Hosentasche zu Pulver. Am Ostermontag gingen die Bauern dann auf ihre Felder und verteilten schweigend die bröseligen Ostereier-Reste auf unfruchtbaren Stellen. Wenn man mit niemandem darüber gesprochen hatte, konnte man auf eine gute Ernte hoffen.

Einer der letzten heute noch gepflegten Bräuche ist das erwähnte Osterfeuer. Sein ursprünglicher Sinn war der Schutz der Felder vor Hagel und Schadenszauber. Wenn am Ostersonntag das Feuer entzündet wird, werden viele Einbecker Fackeln dabei haben. Diese brennenden Fackeln sollten ursprünglich zu Ehren der Göttin Ostara die kreisende Sonne symbolisieren: die Swastika, ein Jahrtausende altes Glückszeichen.

Wenn das Osterfeuer fast niedergebrannt war, nahmen junge Männer ihre Freundin bei der Hand und sprangen mit ihr über die Glut. Dadurch wurde alles, was ihrer Liebe im Wege stehen könnte, verbrannt. War der meterhohe Holzstapel niedergebrannt, dann nahm sich jeder Osterfeuer-Besucher ein angekohltes Stück Holz mit nach Hause und nagelte es an den Dachfirst. Dadurch war das Haus gegen Blitzschlag geschützt, denn wenn Thor, der »Donnerer«, mit Blitzen um sich warf, wurden die Verehrer der Göttin Ostara verschont. Es reichte aber auch, in die Glut des Feuers zu sehen. Noch in den 1950er Jahren glaubten einige Menschen in dieser Gegend daran, dass man danach für ein ganzes Jahr gegen den Tod geschützt war.wk