Patschkauer wünschen sich zentralen Ort fürs Archiv

Zwei-Jahres-Treffen in der Patenstadt Einbeck / In der zweiten Heimat angekommen, die erste nicht vergessen / Es werden weniger

Es werden immer weniger Teilnehmer, und viele, die gern dabei wären, schaffen es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Dennoch hat das Heimattreffen der Patschkauer in Einbeck am Wochenende im Rahmen des Möglichen regen Zuspruch gefunden. Wunsch für die Zukunft ist es nicht nur, die Tradition fortzuführen, sondern auch eine Möglichkeit zu finden, das umfangreiche Archiv sicher aufzubewahren und die Zugäng­lichkeit zu sichern.

Einbeck. »Wir hängen an der Heimat, wir freuen uns auf ein Wiedersehen, wir pflegen freundschaftliche Kontakte nach Schlesien, aber wir sind keine ›kalten Krieger‹.« Das stellte der Vorsitzende des Schlesischen Heimatvereins Patschkau und Umgebung, Leo Schiller, zu Beginn der offiziellen Veranstaltungseröffnung im Rheinischen Hof fest.66 Jahre seien seit Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen, genau 72 Jahre und zwei Tage seit Beginn des Krieges und 78,5 Jahre seit Beginn des Naziterrors, der Ursache für die Vertreibung sei: Die Patenschaft zu den Vertriebenen aus Patschkau habe in Einbeck eine lange Tradition, erinnerte Bürgermeister Ulrich Mink­ner in seinem Grußwort. Fast 20 Jahre bestehe zudem die Partnerschaft zur polnischen Ge­meinde Paczkow. Der Umgang mit diesen beiden Verbindungen habe sich als problemlos erwiesen, die Veränderungen im Weltgeschehen seien anerkannt, der Kalte Krieg überwunden. Die Gemeinschaft, die sich in Einbeck alle zwei Jahre zum Treffen zusammenfinde, werde immer kleiner, stellte Minkner fest. Das habe zum einen gesundheitliche Gründe, andere trauten sich die Reise nicht mehr zu, viele seien verstorben. Ein Ende der Treffen deute sich somit an, und damit müsse man sich abfinden. Die Nachkommen, die häufig zwar interessiert seien, würden sicher nicht so engagiert einsteigen wie die Erlebnis­generation. Das gelte auch für ihn selbst, so ­Minkner, und man müsse realistisch sehen, dass es vielen anderen auch so gehe. Es sei aber schön, dass sich die Vertriebenen so lange treffen konnten.

Die Würdigung, die Leo Schiller im Mai durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes er­fahren habe, zeige, dass er umfangreiche, gute Arbeit geleistet habe. Er sei dabei kein reaktio­närer Vertriebenenfunktionär, sondern, wie viele andere auch, in der zweiten Heimat angekommen, die die erste nie ersetzen könne. Unerträglich, so Minkner, seien dagegen die Äußerungen des Bundesvorsitzenden Rudi Pawelka, etwa beim jüngsten Schlesiertreffen in Hannover. Die Teilnehmer rief der Bürgermeister auf, sich im Museum die neue Ausstellung »Angekommen – aufgenommen« anzusehen, die unter anderem mit Beteiligung von Goetheschülern erstellt wurde. Für die Jugendlichen sei es ein Gewinn gewesen, sich damit zu beschäftigen – ein ideales Projekt, um Erinnerungen weiterzutragen. Äußerungen wie die von Rudi Pawelka werde man im Heimatorgan, der »Patschkauer Dohle«, nicht finden, versicherte Leo Schiller. Er sei aber dennoch dafür, alle Seiten zum Zuge kommen so lassen. Wer die Interessen der Vertriebenen vertrete, sei nicht immer so lammfromm, wie manche das erwarteten. Und wer Grausamkeiten erlebt habe, könne das nicht vergessen. Dennoch sei man bereit, Brücken zu bauen und in Frieden mit den Nachbarn zu leben. Die Liebe zur Heimat habe nicht nachgelassen, sagte er mit Blick auf die geringere Teilnehmerzahl, wohl aber die Fähigkeit zu reisen. So mancher fürchte auch, keinen Bekannten mehr anzutreffen und beschränke sich darauf, vom Treffen in der »Dohle« zu lesen. Man müsse das nüchtern sehen und wolle nicht resig­nieren oder ins Jammern verfallen.

Auch wenn die Resonanz hier wie auch beim Schlesiertreffen in Hannover geringer werde, so sei es doch erfreulich, dass die diesjährige Patschkau-Fahrt so großen Zuspruch gefunden habe. Der Bus war voll, zumal man diesmal die Ferienzeit nutzte und somit auch Kinder und Enkelkinder sowie Lehrer mitreisen konnten.

In der Patenstadt Einbeck habe man weiterhin einen sehr guten Partner, der den Heimatverein in freundlicher Weise moralisch unterstütze, fördere und Gastgeber sei. Das zeige sich durch die Heimatstube im StadtMuseum ebenso wie durch die Bereitstellung des Rheinischen Hofes oder des Alten Rathauses sowie der Unterstützung der »Dohle«. Man wünsche sich nun, so Schiller, einen zugänglichen Raum für das Patschkauer Archiv im Museum, das sei ein zentrales Anliegen des Heimatvereins. Patschkau habe eine jahrhundertelange Geschichte, die man im schlesischen Rahmen sehen müsse. Es gebe viele Zeugnisse dazu, eine umfangreiche Bibliothek, Fotos, Filme und Karten. Die Universitätsbibliothek Breslau habe das Patschkauer Wochenblatt von 1836 bis 1945 digitalisiert und somit erhalten und zugänglich gemacht. Die Polen hätten bereits Interesse am Archiv angemeldet, sagte Schiller, ebenso gebe es Überlegungen, es in Friedland oder Görlitz zu lagern. Man wünsche sich jedoch einen Platz in Einbeck. Zur »Dohle« versicherte Schiller, dass sie weiter erscheinen werde, solange dies von den Beziehern gewünscht werde. Über die Internetseite www.patschkau.de gebe es inzwischen viele internationale Kontakte.

Der Schmerz über den Verlust der Heimat bleibe, und nach wie vor spreche man vom Unrecht der Vertreibung. »Doch wir sehen die politischen Zusammenhänge, erkennen die Schuldigen der Vergangenheit und kämpfen darum, unseren Kindern eine friedliche Zukunft vorzubereiten, die auch eine Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen voraussetzt«, hob er hervor.

Es sei dazu schon einiges gedacht und geplant worden, erläuterte Bürgermeister Minkner zum Thema Archiv: »Wir arbeiten daran, im kommenden Jahr eine vernünftige Regelung zu finden«, kündigte er an, denn Einbeck sei ohne Frage der beste Ort dafür.ek