Paul Gerhardts Lied »Fröhlich soll mein Herze springen«

Einbeck. Paul Gerhardt (1607 bis 1678) ist einer der bedeutendsten und bekanntesten Textdichter unserer Gesangbücher. Etwa 130 Lieder hat er gedichtet, von denen heute noch 27 im Evangelischen Gesangbuch stehen, darunter so bekannte wie »Geh aus mein Herz«, das Adventslied »Wie soll ich dich empfangen«, »Ich steht an deiner Krippen hier« oder »Du, meine Seele, singe«. Obwohl er – privat und beruflich – kein leichtes Leben hatte, verströmen seine Lieder Gottvertrauen und oft auch Lebensfreude (»Auf auf, mein Herz, mit Freuden«, »Ich singe dir mit Herz und Mund«). Vielen seiner Lieder – allen eben genannten und weiteren – ist gemeinsam, dass er sich selbst anredet, selbst die Bezugsperson seiner Lieder ist, sich selbst zu Lebensfreude und deren Bekundung aufruft. Seine Lieder »spiegeln das Ich im Wir der Gemeinde« vermerkt das Evangelische Gesangbuch. Seine Lieder haben viele Strophen, und sie sind wohl Kennzeichen der Frömmigkeit seiner Zeit. Für uns sind sie zu lang, und so werden in der Regel einige Verse ausgewählt. Von den zwölf Strophen eines Weihnachtsliedes »Fröhlich soll mein Herze springen« seien hier drei wiedergegeben:

Fröhlich soll mein Herze springen / dieser Zeit, / da vor Freud / alle Engel singen. / Hört, hört, wie mit vollen Chören / alle Luft / laute ruft: / »Christus ist geboren!«

Heute geht aus seiner Kammer / Gottes Held, / der die Welt / reißt aus allem Jammer, / Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, / Gottes Kind, / das verbindt / sich zu unserm Blute.

Ich will dich mit Fleiß bewahren; / ich will dir / leben hier, / dir will ich hinfahren; / mit dir will ich endlich schweben / voller Freud / ohne Zeit / dort im andern Leben.

Paul Gerhardt beginnt mit einem Anruf an sich selbst, sein Herz solle »fröhlich springen« und lässt sofort die Begründung für seine Freude folgen, dass nämlich die Engel »mit vollen Chören rufen« – eine andere Formulierung für die »himmlischen Heerscharen« des Lukas-Evangeliums. Und dann erst, am Ende der Strophe, folgt die Ursache oder die Begründung des Jubels, dass nämlich Christus geboren ist: Er beginnt also nicht mit der Botschaft von Bethlehem, sondern mit sich, seinem »Herzen«, seiner »Freude«, geht dann zu den (biblischen) Engelchören über, und erst am Ende bringt er den Anlass zum Jubel der Engel und seiner Herzensfröhlichkeit: Ein singulärer Bau eines Liedes zur Weihnacht.

Paul Gerhardt findet für sein Lied ein kunstvolles Reim-Schema, das in der üblichen Textgestaltung unserer Gesangbücher leider kaum erkennbar wird: Jede Strophe besteht aus zwei Teilen zu je vier Zeilen; zwei längere rahmen jeweils zwei kürzere, und die längeren und die kürzeren reimen sich jeweils miteinander, so dass das Schema a b b a – c d d c entsteht. Und der Wechsel längerer und kürzerer Zeilen lässt die Strophen durchaus vielgestaltig und lebendig wirken. Dazu kommt noch, dass die längeren Zeilen gewissermaßen im »Marschrhythmus« (»Trochäus«: Wechsel betont, unbetont) gefasst sind, während die kürzeren nur aus drei Silben bestehen, wobei eine unbetonte von zwei betonten eingerahmt wird (»Creticus«: betont, unbetont, betont), was ein Element der Ruhe in den Vers bringt.

In der zweiten Strophe folgt dann eine weitere Ausführung der Botschaft in Worten der Zeit Paul Gerhardts: Das Kind in der Krippe wird schon »als Gottes Held« bezeichnet,der die Welt »aus allem Jammer reißt« (in und nach dem Dreißigjährigen Krieg, der Zeit des Dichters). So mit der Zeit seiner Entstehung verbunden ist sonst keiner der üblichen Weihnachtslied-Texte, und aus diesem Grund gehört das Lied wohl auch zu den weniger bekannten.

In den folgenden Strophen schließt der Dichter mancherlei frommes Gedankengut seiner Zeit an, die »im Leid schwebenden« und »wer sich beschwert fühle« solle »getrost« sein, die »Armen und Elenden« »sollen kommen«. Die letzte Strophe bringt dann das persönliche Bekenntnis, der Dichter wolle den angeredeten Gottessohn »mit Fleiß bewahren« und ihm »leben« »hier und dort«.

»Fröhlich soll mein Herze springen« ist ein Lied, das wohl oft in erster Linie wegen seiner frohen ersten Strophe gewählt wird und wegen der frischen Melodie von Paul Gerhardts Zeitgenossen Johann Crüger (1598 bis 1662), von dem zahlreiche, bekannte Melodien und qualitätvolle Chor- und Instrumentalsätze stammen. Und in den Notenausgaben steht das Lied oft in leuchtendem D-Dur.D.A.