Pinocchio lernt lernen, träumen und Ehrlichkeit

Viel Beifall für das bekannte Stück als Musicalversion | Ein echter Junge werden und den Lügen »Ciao« sagen

Die Nase wird lang und länger: Pinocchio erzählt der Blauen Fee eine Lügengeschichte, und sie merkt, genau wie die Grille, das Gewissen, sofort, dass etwas nicht stimmt.

Einbeck. »Pi-no-cchio, Pi-no-cchio«, am Ende fieberte und feierte der Saal mit der Holzpuppe auf der Bühne, die einen schwierigen Weg zu gehen hatte, um ein »richtiger« Junge zu werden. Eine flotte Musical-Fassung der bekannten Geschichte hat jetzt das Theater Liberi auf die Bühne des Wilhelm-Bendow-Theaters gebracht, eine charmante Version für die ganze Familie. Viel Applaus belohnte die Darsteller für die rund zweistündige gelungene Show.

In Meister Gepettos Holzschnitzerwerkstatt erblickt Pinocchio das Licht der Welt. Aus einem besonderen Stück Pinienholz ist er geschaffen, das die Blaue Fee zur Verfügung gestellt hat. Pinocchio ist keine gewöhnliche Holzpuppe, das wird schnell klar. Er lebt zwar, kann sprechen und laufen, ist aber doch nicht wie ein Mensch. Er kann nicht zwischen »gut« und »böse« unterscheiden, doch er will lernen. Dafür stellt ihm die Fee die Grille Grillita zur Seite, sein Gewissen. Sie ist nur für ihn sichtbar, und sie wird ihm eine große Hilfe, ist Pinocchio doch ein »totaler Anfänger« in der menschlicher Welt. Die und auch sich selbst muss er erst kennenlernen.

Dazu soll er die Schule besuchen. Um ihn dafür mit der notwendigen Fibel auszustatten, verkauft Gepetto seine einzige Jacke. Doch Pinocchio dankt es ihm nicht. Auf dem Weg zur Schule stiehlt er einem Gendarmen einen Apfel, und weil Gepetto dafür nicht aufkommen kann, muss er für seinen »Sohn« ins Gefängnis. »Du Holzkopf«, schimpft Grillita mit ihm, doch es soll noch schlimmer kommen.

Pinocchio sieht ein Puppentheater, das überall auf Tournee ist – in London, Paris und Einbeck. Das verspricht ein großes Abenteuer, besser als Schule allemal. Den knorrigen Puppenspieler beeindruckt er mit seiner Geschichte so sehr, dass der ihm fünf Goldtaler schenkt, mit denen er Gepetto helfen soll. Doch unterwegs begegnet er Kater und Füchsin – »schlimme Jungs«, wie die Grille ihn warnt. Aber Pinocchio sieht in ihnen nur neue Freunde, coole Typen, gute Berater. Er merkt nicht, dass sie sein Gold stehlen oder ihn mit einem dummen Trick um seinen Schatz bringen wollen: Sie versprechen ihm, er müsse die Taler auf dem »Feld der Wunder« vergraben, dann werde ein Baum wachsen, der reichlich Früchte bringe. Die Grille rauft sich die Haare angesichts von so viel Naivität, zumal sich Pinocchio mit einem beherzten »Meine Damen und Herren Banditen, bitte gehen Sie« gegen mögliche Diebe wehren will. Einen ersten Überfall kann die Grille gerade noch verhindern, beim zweiten Mal geht es nicht so glimpflich ab: Pinocchio fällt auf ihren Trick mit dem Goldbaum herein. »Geld wächst nicht aus dem Boden«, als er das von der Grille erfährt, ist es schon zu spät, sein Gold ist futsch.

Seinem Vater bricht es unterdessen das Herz, dass der Sohn immer wieder vom Weg abkommt. Und als die Blaue Fee nach dem Rechten sehen will, wie es ihrem Schützling geht, verstrickt er sich in ein Lügennetz – und seine Nase wird lang und länger. Schnell merkt er, dass er den Lügen doch besser »Ciao« sagen sollte: »Ohne Lügen geht’s auch.« Allenfalls in der größten Not, erläutert ihm die Fee, dürfe man lügen.

Die Fee hat ihn beim Lügen ertappt, das Gold ist weg, das ist ein ziemlich blödes Leben für Pinocchio. Er braucht Hilfe, doch noch immer begreift er nicht, dass er auch selbst etwas für sich tun muss. Als es darum geht, Geld zu verdienen, redet er sich raus. Dabei ist er eigentlich nur zu faul. Und er wundert sich, dass er immer nur hört, was er alles falsch macht. So trotzig wie er ist, benimmt er sich wie ein echter kleiner Junge, schmunzeln Fee und Grille. Dass er aber doch über sich hinauswachsen kann, entdeckt er, als Gepetto in Not gerät. Er ist von einem Seeungeheuer verschluckt worden. Im Bauch des Tieres grämt sich der Vater über den Sohn, der immer nur frech war, eine Holzpuppe ohne Herz, aber dennoch der Lausebengel, den er liebte. Pinocchio, der das hört und den das sehr anrührt, rettet den Holzschnitzer. Beiden gelingt die Flucht aus dem Ungeheuer, sie schwimmen um ihr Leben, und sie schaffen es – zusammen, als Vater und lieber Sohn.

Wenn man etwas tun möchte, sollte man heute damit anfangen, das ist eine Lektion, die Pinocchio gelernt hat. Und er hat Herz und Verstand erworben, etwas, womit er wirklich ein Junge geworden ist. Sein größter Wunsch hat sich damit erfüllt: »Du bist echt«, stellt die Fee fest. »Nur mit Herz bist du charmant«, diese Lektion nimmt nicht nur Pinocchio mit, sondern sie gilt für alle Mitwirkenden des Stücks und für die Zuschauer.

Viel Applaus gab es für das Musical unter der Regie von Regisseurin Carolin Pommert. Es spielten René Britzkow als Pinocchio, Clarissa Elena Frings als Grille sowie Dennis Fischer als Gepetto, Lisa Siegel als Blaue Fee, Svenja Baumgärtner als Fuchs und Piero Ochsenbein als Kater. Unter anderem mit Rock, Country und Rap haben Christoph Kloppenburg und Hans Christian Becker genau die richtige Musik geschaffen, die ins Ohr ging und die Handlung auf den Punkt unterstützte. Und mit einem vielseitigen Bühnenbild und bunten Kostümen, die Akteure perfekt zeichneten, wurde die Geschichte über das Erwachsenwerden und Lernen, über Ehrlichkeit, Träume und Wünsche sehr gelungen in Szene gesetzt.ek