»Pro Erdkabel« fordert Kennzeichnung

Lebensgefahr für Träger von Herzschrittmachern / Wege entsprechend beschildern

Dass der Aufenthalt oder schlimmer noch das dauerhafte Wohnen unter oder an Hoch- oder Höchstspannungsleitungen nicht gesund sein kann, vermuten sicher viele Bürger. Spätestens dann zeigt sich dies ganz deutlich, wenn man sein Haus oder Grundstück veräußern möchte. Das Interesse ist womöglich gleich Null, oder man kann nur versuchen, das Anwesen deutlich unter Wert loszuschlagen.

Einbeck. Ursache für das Unbehagen seien die nicht sichtbaren Strahlungen, die von den Leitungen ausgingen, so der Verein »Bürger Pro Erdkabel Harzvorland«. Die für diesen Bereich gültigen Grenzwerte seien in Deutschland in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung von 1996 festgelegt, und sie seien nicht ohne Grund teilweise heftig umstritten. Die darin festgelegten Werte orientierten sich im Wesentlichen an Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission ICNIRP, einer Vereinigung von Experten und Wissenschaftlern, die sich selbst in dieses Gremium berufen hätten, »also eine vollständig private Institution ohne jede öffentliche Legitimation«, so der Verein.

Aber außer heftigem Gezänk und Gezeter auf politischer Ebene habe sich in Deutschland leider überhaupt nichts geändert. So blieben die viel zu hohen Grenzwerte, bedauert der Verein, auch weiterhin gültig.

»Diese sind schon fast ein Verstoß gegen die Menschenrechte«, wettert Vorstandsmitglied Wolfgang Schulze aus Billerbeck. Weiter führt er aus, dass die jetzigen Grenzwerte seinerzeit ohne belastbare wissenschaftliche Grundlagen   ziemlich willkürlich und industriefreundlich festgelegt worden und schlicht menschenverachtend bemessen seien. Schließlich würden im Ausland erheblich niedrigere Werte gelten: Während in Deutschland noch immer 100 Mikrotesla zulässig seien, betrage der Wert etwa in der Schweiz nur ein Mikrotesla. Das NOVA Institut Köln fordert beispielsweise ebenso wie andere kritische Institute sogar eine Absenkung  auf 0,2 Mikrotesla bei 50 Hertz als sogenannten Vorsorgewert.

»Die derzeitigen Grenzwerte sind so hoch bemessen, dass eine 380-kV-Leitung unbeanstandet sogar über Wohnhäuser laufen darf«, ergänzt Wolfgang Schulze. Allerdings: In Nordrhein-Westfalen gibt die Bauleitplanung zehn Mikrotesla vor – »immerhin ein kleiner Lichtblick.«

Von akuter Bedeutung sei die Problematik der elektrischen und magnetischen Strahlung (Elektrosmog) besonders im Hinblick auf die geplanten neuen Stromautobahnen. Davon sei die Region laut Planung voll betroffen. Am Beispiel der Kurstadt Bad Gandersheim zeigt der Verein exemplarisch die Problematik  auf und stellt dabei klare Forderungen: So seien beispielsweise Spaziergänger unter 380-kV-Wechselstromleitungen Strahlungen von etwa  40 bis 50 Mikrotesla ausgesetzt. Kurzzeitig dürfe dieser Wert aber auch doppelt so hoch sein, abhängig von der Stromstärke, mit der die Leitungen ausgelastet seien. Der Aufenthalt unter den Leitungen sei im »Normalfall« zeitlich begrenzt und habe unmittelbar keine negativen Auswirkungen. Erhebliche Auswirkungen könne es aber für Träger von Herzschrittmachern und Defi-Geräten geben. Bereits ab 17 Mikrotesla könne es zu lebensbedrohlichen Fehlfunktionen der Geräte kommen. »Tolle Erholungsaussichten für Kurgäste und Touristen«, so der Verein lakonisch. Für eine Kurstadt wie Bad Gandersheim könnten solche Beeinträchtigungen im unmittelbaren Umfeld der Stadt jedenfalls »tödlich« sein. »Bürger Pro Erdkabel Harzvorland« fordert daher, künftig bundesweit zwingend seitens der Netzbetreiber die gefährlichen Bereiche unter Höchstspannungsleitungen durch Hinweisschilder zu kennzeichnen.

Mitglieder des Vereins, auch ein Mediziner zählt dazu, haben ein solches Schild entworfen und »zur Probe« aufgestellt. Mit dabei war ein Fernsehteam der Deutschen Welle. Aufgefordert seien die Politiker in Land und Bund, im Interesse der Bürger kurzfristig tätig zu werden, fordert der Verein mit Nachdruck. Weiter wäre von juristischer Seite zu prüfen, ob für diese Bereiche künftig die Gefährdungshaftung für die Betreiber der Leitungen gelten muss, was eine Umkehr der Beweislast bedeutet.oh