Rat der Stadt Einbeck

Regressansprüche mehrheitlich abgelehnt

Kontroverse Diskussionen über Vorlage der Verwaltung, Beigeordnete in Haftung zu nehmen

Einbeck. Vor einigen Jahren hatte der damalige Ratsvorsitzende Bernd Amelung in der Dezembersitzung des Rates der Stadt Einbeck gesagt, er wünschte sich einen harmonischen und schnellen Verlauf. Damals hat es geklappt, dieses Mal dauerte es rund vier Stunden und gleich zu Beginn ging es hoch her.

Nach der Eröffnung der Sitzung durch Ratsvorsitzenden Frank Doods, SPD, berichtete Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek über wichtige Angelegenheiten und Beschlüsse des Verwaltungsausschusses. Zur Kenntnis wurden die Mitteilungen zur IT-Strategie der Stadtverwaltung, zum ZILE-Antrag für das Bürgerhaus Kreiensen sowie die Beantwortung der Anfrage von Albert Eggers, CDU, zur Sanierung des ehemaligen Waisenhauses genommen. Die Gemüter erregte die Vorlage der Verwaltung zur Kostenerstattung für das verlorene Klageverfahren bei der Planfeststellung zur 380-kV-Leitung. Der Verwaltungsausschuss hatte im Oktober abgelehnt, Beigeordnete für den entstandenen Schaden von 13.000 Euro in Haftung zu nehmen.

Kommentarlos wollten das Politiker von SPD und Bürgerliste nicht hinnehmen und gaben persönliche Stellungnahmen ab. Man könne nicht einfach in der Tagesordnung weitergehen, ohne den Punkt genauer zu betrachten, sagte Marcus Seidel, SPD. An der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 4. Januar 2018, als mit Mehrheit entschieden wurde, zu klagen, war er nicht anwesend, doch betreffen ihn auch die Auswirkungen. »Tendenziös und anmaßend« sei die Vorlage der Verwaltung und der Höhepunkt eines einmaligen Vorgangs in Niedersachsen.

Protokolliert wurde das Ergebnis mit 5:4 für die Klage. Eine Mehrheit sei eine Mehrheit, so Seidel. Er monierte, dass das Resultat damals nach Fraktionen getrennt aufgeschrieben wurde. Ohne Beantragung geschah das, die Rechtmäßigkeit hinterfragte er. Interessant sei das Ergebnis aus dem Verwaltungsausschuss vom 2. Oktober. Kein Beigeordneter stimmte für der Verwaltungsvorlage mit den Regressansprüchen. Ratsmitglieder setzen sich für die Stadt und die Bürger ein, mit solchen Vorgängen werde versucht, sie zu diskreditieren. Konsequenz der Vorlage sei, dass Politikverdrossenheit steige und die Lust aufs Ehrenamt sinke.

Justiziar Dr. Florian Schröder stellte klar, dass schon mehrmals Abstimmungsverhältnisse im VA protokolliert wurden. Damit wollte man im Januar 2018 feststellen, durch wie viele Personen ein möglicher Ersatzanspruch geteilt werden müsse. Nach Paragraf 54 Absatz IV des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) sei es erforderlich, die Abgeordneten in Haftung zu nehmen, da sie vorsätzlich und fahrlässig gegen ihre Pflichten verstoßen hätten. Jedoch lehnte der VA dies Anfang Oktober ab.

Als »Theaterdonner des Wahlkampfs« erachtete Dirk Ebrecht, CDU, die Diskussion. Mitteilungen seien ein formaler Punkt. Es werde zwanghaft von der SPD probiert, etwas zu konstruieren und daraus Profit zu ziehen. An der Sitzung im Januar 2018 nahm er teil, die Verwaltung habe vor dem Klagevorhaben gewarnt. Es bringe nichts, etwas an die Wand zu fahren, wenn man schon vorher wisse, dass es nicht funktioniere. Das »Theater« jetzt sei sinnlos, nach der Entscheidung im VA werde kein Politiker in die Haftung genommen.

Als Vertreterin nahm Eunice Schenitzki, SPD, an der Abstimmung teil. Die kurze Ladungsfrist erlaube keine intensive Vorbereitung. Mit Ratsmitgliedern, die sich ehrenamtlich für Stadt und Bürger einsetzen, könne man so nicht umgehen. Ihr schien es, dass Politik aus Entscheidungen herausgehalten werden soll. Denn es könne auch mal zu Ergebnissen kommen, die der Verwaltung nicht gefallen. Sie meinte, dass die Interessen von Dr. Schröder vor Gericht »nicht gut vertreten« wurden. 25 Stunden Aufwand zur Vorbereitung seien gering. Es sei suboptimal gearbeitet worden.

Seit 2001 sitze sie im Stadtrat, so Schenitzki, so etwas habe sie noch nie erlebt. Bei jeder Entscheidung müsste man jetzt Angst haben, verklagt zu werden. Ähnlich sah es Gitta Kunzi, SPD. In ihrem Ortsrat gebe es Befürchtungen, auch in Haftung genommen zu werden. Nach bestem Wissen werde von Ehrenamtlichen entschieden. Müsse man zukünftig jedes Mal Angst haben, fänden sich bald keine Personen mehr, die Politik betreiben.

Dr. Schröder betonte, dass er keine Person einschüchtern wolle. In dem Fall aber habe er handeln müssen, da eine rechtswidrige Entscheidung vorlag. Das NKomVG schreibe es so vor. Durch den VA sei der Vorgang aber beendet, es komme zu keinen Regressansprüchen.

In der Vorlage werde behauptet, so Rolf Hojnatzki, SPD, dass durch grob fahrlässiges Handeln von Mitgliedern des Verwaltungsausschusses ein Schaden von 13.200 Euro entstanden sei, dem widersprach er.

Der Beschluss zur Klageerhebung stützte sich auf ein einstimmiges Votums des Rates der Stadt Einbeck vom 24. September 2014. Er zitierte: »Die Stadt Einbeck wird im anstehenden Planfeststellungsverfahren daher alle erforderlichen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Schutz von Mensch und Natur durchzusetzen.«

Den Politikern wurde mitgeteilt, dass das Kostenrisiko überschaubar sei. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Mitteilung, dass der Beschluss rechtswidrig sei – nur dann wäre ein Regress möglich. Dann sei die Bürgermeisterin gefordert gewesen, Einspruch einzulegen und die Ausführung des Beschlusses zu verhindern. Sie hätte sich dann aber gegenüber der Öffentlichkeit erklären müssen, warum sie gegen die Interessen der Bürger keine Klage einleitet.

Zudem sei Dr. Schröder als Beamter und Jurist gefragt gewesen, alles zu unternehmen, um einen potenziellen Schaden zu begrenzen, zum Beispiel durch die Empfehlung zur rechtzeitigen Klagerücknahme. Das geschah nicht.

Tatsächlich gehe es der Verwaltungsspitze darum, das Abstimmungsergebnis rechtswidrig zu protokollieren und das erwartete Urteil abzuwarten, um unmittelbar danach gegen die Initiatoren des unerwünschten Beschlusses vorzugehen. Dass im Verwaltungsausschuss am
2. Oktober nur ein Mitglied für die Vorlage zum Schadensersatz votierte, verdeutliche, dass die breite Mehrheit kein rechtswidriges Handeln sehe.

Es existiere kein Schaden, wie auch keiner bei der verunglückten Planung des ZOBs oder des Neustädter Kirchplatzes. Das stelle ein Ergebnis eines demokratischen Willensbildungsprozesses dar. Dafür müsse sich jeder vor den Wählern verantworten, er könne das mit ruhigem Gewissen, so Hojnatzki. Fortwährend gebe es den Versuch der Maßregelung des Rates durch die Verwaltungsspitze, er lasse sich aber nicht einschüchtern.

Alle erforderlichen Mittel könne man ergreifen, so Dr. Schröder, aber nicht, wenn sie sinnlos seien und zu einer erfolglosen Klage führen. Fünf VA-Mitglieder hätten sich über seine mehrfach geäußerten Bedenken hinweggesetzt und rechtswidrig gehandelt. Ein Einspruch nach Klageeinreichung war nicht mehr möglich. Durch die Entscheidung am 2. Oktober geb es keine Regressforderungen.

Dietmar Bartels (Grüne) stellte den Antrag, die Debatte zu beenden, dies fand keine Mehrheit. Detlef Martin (SPD) meinte, dass Gewaltenteilung ein Merkmal der Demokratie sei. Eine mögliche Befangenheit von Dr. Schröder läge vor, er sei gegen Klageerhebung gewesen und begleitete sie dennoch bis zum Ende. Martin wunderte sich auch, dass es keine Prüfung vonseiten des Landkreises gab.

Willi Teutsch, CDU, war gegen die Klage, da ihm mitgeteilt wurde, dass sie verwaltungstechnisch nicht haltbar sei. Das Vorgehen des Justiziars erachtete Dr. Marion Villmar-Doebeling, FDP, als stimmig.

Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) erklärte, dass man die Klage nach Vorlage bei der Prüfungsbehörde hätte noch zurücknehmen können. Erst danach entstand der höhere Schaden. Zu dem Zeitpunkt habe das Risiko nur bei 3.000 Euro gelegen. Viele Bürger sein von der 380-kV-Leitung betroffen, unterstrich er. Sie erwarten, dass sich die Politiker für sie einsetzen, so wie es dank der Mehrheit im VA geschehen sei.mru