Schwächung der Gymnasien befürchtet

Ministerin Heiligenstadt sieht darin »Phantomdiskussion« | Funktionierende Schulpluralität

Einbeck. Die Schulgesetznovelle sorgt für Diskus-sionsstoff. Bei ihrem Besuch in Einbeck bekräftigte die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, dass in der Bildungspolitik noch viel zu tun sei. Die niedersächsische Landesregierung wolle die Qualität der Schulen verbessern und den Schülern mehr Zeit zum »Leben und Lernen« geben. Sie forderte dazu auf »Schule neu zu denken«.

Alle Schulformen sollen gleichberechtigt sein, stellte die Ministerin heraus. Allerdings war die Schwächung des Gymnasiums eine Befürchtung der Zuhörer: Mit dem neuen Schulgesetz werde ein »Kannibalismus« unter den Schulformen einsetzen. Gerade in strukturschwachen Regionen sei ein Gymnasium aber ein Standortfaktor für die Mitarbeitergewinnung der Unternehmen.

Im Namen von 52 südniedersächsischen Gymnasien übergaben Claudia Sommerfeldt und Dr. Marion Villmar-Doebeling als Elternvertreter der Gymnasien in Südniedersachsen der Kultusministerin eine Eingabe, die auf eine funktionierende Schulpluralität abzielt. Gymnasien sollen mit ihrem »besonders vielfältigen Bildungsangebot« unersetzbar bleiben. Denn: Werde den Gymnasien keine Bestandsgarantie gegeben, wird ein Privatschulsystem befürchtet. Die Elternräte südniedersächsischer Gymnasien fordern »Bildungsgerechtigkeit«, wehren sich gegen die Formulierung, dass die Gesamtschule künftig die Schulen des gegliederten Systems ersetzen kann.Zudem drängen die Elternvertreter drauf, dass nach Wegfall der Schullaufbahnempfehlung  ein verpflichtendes, nicht ein freiwilliges Beratungsgespräch mit den Eltern der Viertklässler geführt wird. Gewünscht wird weiter eine verlässliche Regelung, die die Tätigkeit von sozialpädagogischem Personal an allen Schulen regelt. Überdacht werden soll die Regelung, dass Grund- und Gesamtschulen räumlich zusammengeführt werden können. Die Neuregelung der gymnasialen Oberstufe soll nach dem Willen der Elternvertreter auch für die Jahrgänge 9 und 10 im Schuljahr 2015/2016 gelten. Und zentral vorgegebene Curricula sollen auf eine stärkere Wissensorientierung abzielen. Als Ministerin habe sie alle Schulformen im Blick, erklärte Heiligenstadt. Geführt werde eine »Phantomdiskussion« – 42 Prozent aller Schüler wählten das Gymnasium, und kein Schulträger habe signalisiert, ein Gymnasium schließen zu wollen. Heiligenstadt schätzt das Gymnasium und bekräftigte, dass diese Schulform gestärkt werde: Sie verwies auf die gute Unterrichtsversorgung, die Reduzierung der Klassenstärken in der Sekundarstufe I, die Wiedereinführung des G9 und zusätzliche Förderstunden. »Die Entwicklung der Attraktivität liegt an der Schule, nicht an der Schulform«, machte sie deutlich.

Fehlende Pädagogen, die Fortbildung für inklusive Kindertagesstätten-Mitarbeiter, die Fachausbildung für Gymnasiallehrer oder die Entwicklung der Förderschulen – der Gesprächsbedarf zur Schulgesetznovelle war groß. Alle Zuhörer einte das gemeinsame Interesse an guter Schulpolitik, fasste es Sandra Meusel, Leiterin der IGS Einbeck, zusammen. So lautete ein Vorschlag, dass sich die Parteien zusammensetzen und für einen längerfristigen Kompromiss sorgen, um Ruhe in die Schullandschaft zu bekommen.

Dass sich die SPD einsetze für Bildungsgerechtigkeit, machte der Vorsitzende der SPD-Abteilung Kernstadt, René Kopka, deutlich.  Und dass man für eine »gute Schule« stehe, hob auch Marcus Seidel, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Einbeck, heraus. Die SPD-geführte Landesregierung investiere eine Milliarde Euro mehr als die vorherige Landesregierung in die Bildungspolitik, betonte der SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Schwarz. Er bezog sich dabei auf den Ausbau der frühkindlichen Bildung mit 5.000 neuen Krippenplätzen, die Zulassung der Gesamtschule als ergänzende Schulform, die dritte Kraft in den Krippen-Gruppen und die Abschaffung der Studiengebühren. Jede Schulform habe ihre Berechtigung, darin waren sich wohl alle einig, und alle setzen sich ein für eine gute Schule, die die Schüler in den Blick nimmt.sts