Sehr gut für die einen, »desaströs« für die anderen

Ergebnis der Bundestagswahl von Einbecker Parteien beleuchtet | Freude, aber auch Selbstkritik

Um 18 Uhr wurden am Sonntagabend die Wahlurnen geleert – und der Inhalt brachte für die Parteien so manche Überraschungen. Gestern haben sie für Einbeck Bilanz gezogen.

Einbeck. Am Tag nach der Bundestagswahl vom Sonntag haben sich die Einbecker Parteien aus ihrer Sicht zum Wahlergebnis geäußert. Bei einigen dominiert berechtigte Freude, bei anderen sind kritische Töne zu hören. Das Direktmandat des Wahlkreises 52 Northeim-Goslar-Osterode hat SPD-Kandidatin Frauke Heiligenstadt mit 36,7 Prozent der Stimmen gewonnen, sie setzte sich gegen den bisherigen Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne von der CDU durch, der 32,2 Prozent erreichte.

In Einbeck lag Dr. Roy Kühne bei den Erststimmen bei 33,33 Prozent, Frauke Heiligenstadt bei 36,02 Prozent. Bei den Zweitstimmen holte die CDU 23,33 Prozent, die SPD kam auf 37,36 Prozent. 10.48 Prozent der Zweitstimmen gingen an die FDP, 8,34 Prozent an die AfD. DieLinke erreichte 3,0 Prozent,
Die CDU-Vorsitzende Beatrix-Tappe Rostalski stellte fest, das Ergebnis der Bundestagswahl sei zwar besser ausgefallen als prognostiziert, es bleibe aber »desaströs«. Neben den Fragen zur Regierungsbildung werde das Ergebnis innerparteilich nicht ohne Folgen bleiben. So hatte sich der CDU-Stadtverband bereits im Zuge der Kandidatennominierung in einem einstimmigen Beschluss in Richtung des Landesverbandes zur aktiven Einbindung der Basis ausgesprochen, erinnerte sie. Dass diese nicht erfolgt sei, stelle sich nun auch tatsächlich als Ursache und Fehler heraus. »Hier wird es im CDU-Gefüge zwingend Veränderungen geben müssen«, forderte sie. »Dr. Roy Kühne wird im neuen Bundestag unsere Region nicht mehr vertreten«, so Beatrix Tappe-Rostalski weiter. Er habe sich fachpolitisch bundesweit einen Namen gemacht und sich intensiv für die Themen der Heil- und Pflegeberufe oder auch der Hebammen eingesetzt. Vor allen aber sei er praktisch täglich in seinem großen Wahlkreis mit sehr hohem persönlichen Einsatz engagiert gewesen – und das wahrlich nicht nur in Wahlkampfzeiten. »Dieser Verlust wird die Region nachhaltig treffen und ist politisch wie auch persönlich nur schwer zu verschmerzen«, so die Vorsitzende in ihrer Stellungnahme.

Die klare Entscheidung für Frauke Heiligenstadt hebt der Einbecker SPD-Vorsitzende Marcus Seidel hervor: Mit einem deutlichen Ergebnis für Frauke Heiligenstadt konnte die SPD den Bundestagswahlkreis 52 wieder direkt gewinnen. Die SPD Einbeck freue sich, sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen klar und deutlich vor der CDU zu stehen, und sie gratuliere Frauke Heiligenstadt herzlich. »Noch im Frühjahr haben viele Menschen in Deutschland der SPD den Wahlsieg nicht zugetraut«, blickte er zurück. Mit einem guten Wahlprogramm und dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sei es trotz aller Unkenrufe gelungen, wieder die stärkste politische Kraft im Bundestag zu werden. Die SPD Einbeck sehe im Wahlergebnis den klaren Auftrag der Wähler an die Sozialdemokraten, die nächste Bundesregierung anzuführen. Mit dem Dank an die Wähler verbinde er auch die Anerkennung der Helfer, die sich aktiv in den Wahlkampf eingebracht hätten.

»Die Bürgerinnen und Bürger haben Veränderung und Aufbruch gewählt«, sagte die FDP-Vorsitzende Dr. Marion Villmar-Doebeling zum Ergebnis des Wahlabends. Die Freien Demokraten vor Ort freuten sich über das Vertrauen, das die Wähler erneut der FDP für die Bundesebene ausgesprochen hätten. Besonders erfreulich sei es, dass die FDP die stärkste Partei bei den Erstwählern geworden sei. Die Segel für eine neue Koalition würden jetzt schnell gesetzt. Der Regierungsbildung aus der politischen Mitte heraus sei erfreulicherweise der Weg geebnet und die Möglichkeit einer Rot-Rot-Grünen Koalition vom Tisch. Die zwei politischen Extreme rechts und links würden an der Bildung der nächsten Bundesregierung aufgrund der Stärkung der politischen Mitte nicht teilhaben. Die FDP Einbeck sei gespannt auf die nun zügig folgenden Sondierungs- und späteren Koalitionsgespräche, bei denen die FDP eine zentrale Rolle spielen werde. Die Bundestagswahl zeichne sich vor allem durch ein noch vielfältigeres Parteienspektrum aus. Die Verluste an Wählerstimmen von CDU/CSU sowie das Ergebnis der SPD trotz ihres kleinen Vorsprungs gegenüber der CDU/CSU zeigten deutlich, dass die Ära der zwei ehemals großen Volksparteien zumindest vorläufig pausiere zugunsten einer vielfältigeren Parteienlandschaft. Insofern werde im Bund ein Dreierbündnis auch mit den Grünen angestrebt. Für die FDP sollten Konzepte und Inhalte über eine Koalitionsbildung in Regierungsverantwortung entscheiden. Ob Jamaika oder doch Ampel, die liberalen Akzente müssten vernehmbar sein.

»Zufrieden« sei man mit dem Ergebnis, stellte der AfD-Kreisvorsitzende Maik Schmitz fest: »Gekommen um zu bleiben.« 10,3 Prozent bundesweit seien ein ordentliches Resultat. Im Landkreis Northeim habe die AfD im Gegensatz zur Kommunalwahl wieder zulegen können. Durch die Stadtratsfraktion, davon gehe er aus, werde sich die AfD auch in Einbeck etablieren; der große Vertrauensbeweis für Andreas Jakob bei den Kommunalwahlen spreche sicher für sich. Bei den Erststimmen konnte die AfD die FDP in den meisten Orten hinter sich lassen. Die CDU, so Schmitz weiter, sei durch ihre Politik abgestraft worden. »Wir brauchen für die Zukunft ein Mitte-Rechts-Bündnis.«

In einer ersten Stellungnahme von Bündnis90/Die Grünen äußerte sich Kreisvorstandssprecherin Marion Christ, man sei »sehr froh über das tolle Ergebnis der Bundestagswahl, obwohl es ruhig noch etwas mehr hätte sein können.« Ganz besonders stolz seien die Grünen aber darauf, dass es Bundestagskandidatin Karoline Otte, die aus dem Kreisverband Northeim-Einbeck stamme, über die Landesliste in den Bundestag geschafft habe: »Wir gratulieren ihr und wünschen ihr viel Erfolg.« Was die neue Bundesregierung betreffe, bleibe es spannend. Einzelheiten würden die kommenden Verhand- lungen klären.

Deutliche Verluste räumt DieLinke-Direktkandidatin Eva Brunnemann für ihre Partei ein. Die Gründe lägen nicht in den letzten Wochen, sondern in den vergangenen Jahren, dafür trage man gemeinsam die Verantwortung. Dieser Wahlkampf sei für die Partei besonders schwierig gewesen, weil er in der heißen Phase sehr polarisiert war. Es sei immer weniger um Inhalte gegangen, dafür habe er sich mehr und mehr auf die Kanzlerfrage zugespitzt. Jetzt müsse man gemeinsam und in einem solidarischen Prozess Schwächen und Fehler der Vergangenheit aufarbeiten und Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen.

Im Wahlkreis 52 spiegele sich das Ergebnis der Bundesebene, was man sehr bedauere. Die Mandate auf kommunaler Ebene werden man nutzen, um den sozial-ökologischen Umbau voranzubringen und die Stimme für soziale Gerechtigkeit zu erheben. Die Partei habe einen engagierten Wahlkampf geführt, mobilisiert und engagiert; das habe sich unter anderem in rund 1.400 Neueintritten gezeigt.ek