»Sie sind nicht nur Spitze, sondern ein Modell für Niedersachsen«

Unterschriften für Fusion und Entschuldung: Einbeck und Kreiensen schließen sich zusammen / Innenminister Uwe Schünemann würdigt schnelle, zielgerichtete Einigung

Nicht einmal eine Dreiviertelstunde hat es gedauert, dann war der feierliche Akt beendet. Von einem historischen Moment war die Rede, und der 25. Oktober wird als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem Einbeck und Kreiensen sich zur größten Gemeinde im Landkreis Northeim zusammengeschlossen haben. Lob gab es dabei von allen Beteiligten für die weitgehende problemlose Vorbereitung und die schnelle Umsetzung dieser Hochzeit. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann bezeichnete das Verfahren sogar als beispielhaft für Niedersachsen.

Einbeck. Der Vorschlag zur Fusion der Stadt Einbeck mit der Gemeinde Kreiensen sei vom Land gekommen – und er habe überrascht, räumte Einbecks Bürgermeister Ulrich Minkner ein. Man habe sich aber, zumal unter Zeitdruck, darauf eingelassen, um die ausgelobte Entschuldungshilfe zu erreichen. Die wichtigste Frage dabei sei gewesen: Passt das? Und es habe gepasst, wie man beim Vergleich der Haushalte schnell feststellen konnte. Eine Lenkungsgruppe mit Vertretern beider Kommunen habe die Gespräche intensiv und kritisch begleitet.

Das Geld allein, betonte Minkner, sei nicht der ausschlaggebende Faktor gewesen; wenn einer der Beteiligten gesagt hätte, dass er nicht wolle, dann hätte man darauf verzichtet. Die Fusion mache aber Sinn, auch aus Einbecker Sicht. Eine Stadt, erläuterte der Bürgermeister, sei ein zentraler Ort für viele Dinge. Der Blick auf die demografische Entwicklung werfe die Frage auf, wie man Kommunen mit sinkenden Einwohnerzahlen entwickeln wolle. Man werde nicht umhin kommen, neue Strukturen in Südniedersachsen zu schaffen. Wie das ausgehe, wisse keiner, »Hesse hin oder her«, sagte er mit Bezug auf das Fusionsgutachten für die Landkreise. Es sei angezeigt, sich zu verändern. Bei einer Verteilung der Verwaltungsaufgaben von oben nach unten habe er allerdings häufig das Gefühl, das sei mehr Überschrift als Inhalt – das dürfe nicht bei den Landkreisen enden, sondern müsse zu noch stärkeren Mittelzentren führen.

Die Räte hätten fast einstimmig der Fusion zugestimmt, so der Bürgermeister weiter, und auch von den Bürgern sei keine Kritik geäußert worden. Somit werde dieser Vertrag als sinnvolle und richtige Entscheidung angesehen. Mit dem Zukunftsvertrag verbinden beide Gemeinden auch die Bitte um Hilfe bei Infrastrukturmaßnahmen. »Das steht da drin, und das unterschreiben Sie gleich mit«, wandte er sich an Innenminister Schünemann. »Das muss ich dann erst nochmal lesen«, parierte der Vertreter der Landesregierung schmunzelnd Minkners Forderungen. Ein brennendes Thema, hob Minkner hervor, sei die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum, sowohl bei Haus- und Fachärzten als auch Krankenhäusern. »Hier brauchen wir nochmal Ihre Hilfe«, wandte er sich an den Minister.

Eine neue kommunale Einheit, die zukunftsfähig sei, das sei das Ziel dieses Vertrages, führte Kreiensens Bürgermeister Ronny Rode aus. Zugleich gebe es eine Entschuldungshilfe vom Land, und es werde eine neue Einheit geschaffen. In der Kürze der Zeit sei etwas Besonderes gelungen, bei partnerschaftlich-fairem Ablauf. Kreiensen, sagte er, stehe der Angelegenheit natürlich zwiespältig gegenüber, Wehmut sei dabei, denn die Gemeinde verliere ihre Eigenständigkeit. Allerdings sehe man auch die Notwendigkeit. Kritik übte Rode am Finanzausgleich, durch den kleine Kommunen nicht in der Lage seien, ihre Existenz zu sichern. Hier werde das Land seinen Aufgaben nicht gerecht. Ohne diesen finanziellen Druck, gestand Rode, hätte man sicher nicht zusammengefunden, denn wer gebe schon gern die Eigenständigkeit auf. »Aber die Politik in ihrer Gesamtheit hat uns geholfen.« Aus Kreienser Sicht habe man sich dabei nie gefühlt, als werde man von einem größeren Partner geschluckt. Dafür dankte er auch Landrat, Landkreis und Ministerium. Ab Januar 2013 müsse man das Zusammenwachsen gestalten. Das sei Aufgabe von Verwaltung, Politik und Bürgern, die man dabei mitnehmen müsse.

Zustimmung finde in Kreiensen das Einbecker Modell für die Ortsräte, fuhr Rode fort. Vielleicht könne, wenn mehr Verantwortung vor Ort gegeben werde, mehr Interesse für Kommunalpolitik geweckt werden.

Den vorbereitenden Weg habe man gemeinsam beschritten, im nächsten Vierteljahr werde sich zeigen, ob mit Bad Gandersheim ein weiterer Partner dazu komme, so Rode weiter. Die Region verändere sich, und das machte er an den Zahlen 57, 7 und 1 fest: In der Reihenfolge der 100 größten Flächenstädte in Deutschland stehe das »neue« Einbeck auf Platz 57. In Niedersachsen werde man die flächenmäßig siebtgrößte Kommune, und auf Platz 1 in Niedersachsen sei man mit den 46 Ortschaften. »Was ist Hannover dann schon gegen Einbeck?«, lachte er in Richtung Innenminister: Bei der Fläche sei die Landeshauptstadt erst auf Platz 93. »Wir brauchen die 24 Millionen Euro«, machte Rode die finanziellen Auswirkungen deutlich, aber nicht nur das werde anhalten, den eingeschlagenen Weg vertrauensvoll weiterzugehen.

Der Sitzungssaal des Alten Rathauses werde auch für Trauungen genutzt, ließ sich Innen-minister Uwe Schünemann berichten, und dies sei ja so etwas wie eine Hochzeit. Nach einem halben Jahr zum Standesamt zu gehen, sei ein schneller Schritt. Von einer Liebesheirat wolle er nicht sprechen, aber es sei beeindruckend, was in sechs Monaten auf den Weg gebracht wurde. Ziel- und sachorientiert wurde gearbeitet, und es sei den Beteiligten nicht nur ums Geld gegangen. Es müsse passen, griff er Minkners Gedanken auf. Man wolle eine schlanke und schlagkräftige Verwaltung und weiter Dienstleister für Bürger und Wirtschaft sein. Dass der Finanzausgleich nicht die alleinige Hilfe bringen könne, wisse er. Ein Gutachten habe aufgezeigt, wo es im Land Probleme und Stärken gebe und wo Stabilisierungsbedarf vorhanden sei. Es sei sinnvoll, dass sich Kommunen und Land einer gemeinsamen Partnerschaft stellten. »Da wird Ihr Beispiel Schule machen«, war Schünemann sicher: Es wurde auf den Punkt analysiert und schnell entschieden. Das werde die neue Gemeinde weiter voran bringen: Es hätten sich Partner fürs Leben gefunden. Die Entschuldungshilfe sei richtig, aber gemeinsam müsse auch daran gearbeitet werden, ausgeglichene Haushalte zu erreichen.

Zur Zukunftsfähigkeit einer Region zählten Arbeitsplätze und Bildungsangebote, aber auch eine Gesundheitsversorgung, sagte der Minister, der aus Holzminden kommt. Da sehe er ähnliche Probleme, so dass man an einem Gesamtkonzept für die Region arbeiten müsse.

»Das ist ein wichtiger Tag: Heute wurden die Grundlagen gelegt, ab morgen werden Sie richtig zusammenkommen.« Der Vertrag sichere dieses kommunale Engagement ab. Heimatgefühl basiere auch auf ehrenamtlichem Engagement, und so sollte man in den Bereichen Sport und Kultur an die Zukunft denken. Der Vertrag sei Hilfe und Verpflichtung, richtig voran zu gehen. »Ich darf Ihnen gratulieren«, wandte sich Schünemann an die Bürgermeister, »ich freue mich auf die Unterschrift. Sie sind nicht nur Spitze, sondern ein Modell für Niedersachsen.«

Auf die breite Anerkennung, die die Fusion bei den Bürgern finde, verwies Landrat Michael Wickmann. Mit den Räten habe der Landkreis vertrauensvoll zusammengearbeitet. Die Gemeinde Kreiensen sei schon vor Jahren auskonsolidiert gewesen: bettelarm, selbst für einen Entschuldungsvertrag zu arm. Trotzdem habe man noch funktioniert. Nun sollte versucht werden, in anderen Einheiten mehr zu erreichen. Die neue Gemeinde, fuhr Wickmann fort, habe nicht nur drei Bahnhöfe, sondern sie sei auch größer als Northeim. »Wir wollen« – dieser Gedanke habe die Arbeit geprägt, dieses Wollen vermisse er oft in anderen Bereichen, in denen über Fusionen gesprochen werde. Das Wollen könne zudem als Beispiel für eine Kreisfusion gesehen werden. Aus Fehlern von 1974 habe man diesmal gelernt, war er überzeugt, nicht zuletzt die Chancen moderner Verwaltung würden dazu beitragen. In jedem Fall sei ein toller Anfang gemacht worden: »Ich freue mich, dass mit euch und euren Leuten alles so gut geklappt hat«, lobte er die Bürgermeister.ek