Sie verloren Land und Sprache, aber sind nicht vergessen

»Wider den undeutschen Geist«: Gedenkabend und Lesung in der Stadtbibliothek zu Autoren der Bücherverbrennung im Mai 1933

»Wider den undeutschen Geist« war die Gedenklesung betitelt, zu der die Stadtbibliothek Einbeck gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte Moringen eingeladen hatte. An den 80. Jahrestag der Bücherverbrennung erinnerten Texte von verfolgten Schriftstellern, deren Bücher am 10. Mai 1933 von den Nationalsozialisten ins Feuer geworfen wurden; ein Bericht aus dem damaligen Frauenlager Moringen stellte einen regionalen Bezug her.

Einbeck. Die Autoren, deren Bücher am 10. Mai 1933 verbrannt wurden, lebten nicht mehr, zum Teil hätten sie schon das Exil nicht mehr überlebt, erinnerte Bibliotheksleiterin Antje Bach. Andere, die emigriert und dann zurückgekehrt seien, hätten ihr Land häufig nicht mehr verstanden. Die Ereignisse dieser Zeit, mahnte sie, dürften nicht vergessen werden.

Am 10. Mai 1933 brannten in Deutschland zahlreiche Scheiterhaufen, befeuert von Büchern, in denen die Nationalsozialisten »undeutschen Geist« gesehen hätten, blickte Dr. Dietmar Sedlaczek von der KZ-Gedenkstätte Moringen zurück. In den meisten deutschen Universitätsstädten warfen Studenten in SA-Uniform Werke von Heinrich Mann, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Sigmund Freud oder Irmgard Keun ins Feuer, von Schriftstellern, Publizisten, Wissenschaftlern. Brandreden begleiteten das schauderhafte Ritual, das damit den Anstrich akademischer Würde erhielt. Die Grundrechte der Weimarer Verfassung waren außer Kraft gesetzt.

Die Autoren, die in Scharen emigrierten, verloren ihr Land und ihre Sprache. Einige nahmen sich das Leben, andere schöpften aus der Situation neuen Mut und versuchten, sich Gehör zu verschaffen. Was verbrannt wurde, stellte die größte Ansammlung an Geist, Talent und Gelehrsamkeit dar. Mit dem Verbrennen der Bücher durch diejenigen, die sich für die neue geistige Elite hielten, sollte das Vergessen der Autoren beginnen. Umso wichtiger sei es, der Opfer zu gedenken. Das Thema der Verbrennung, so Dr. Sedlaczek, sei Zensur, und sie sei in der Gegenwart nicht unbekannt. Wenn man den Blick darauf richte, bekämen Gedenken und Erinnerung einen Sinn. Das Heine-Zitat »Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen« bezog sich auf die Verbrennung des Koran, und auch das gebe es in heutiger Zeit.

Die größte Aktion fand 1933 in Berlin statt, vor 70.000 Zuschauern wurden drei Möbelwagen voller Bücher entladen und angesteckt. Auch in Braunschweig, Hannover oder Hann.Münden passierte Ähnliches. In Göttingen, führte Dr. Sedlaczek aus, habe die NS-Gesinnung sich früh durchgesetzt, bereits Ende der 20er Jahre sei davon die Rede, »jüdischen Geist auszumerzen«. Der Verbrennung folgte ein Festakt im Audimax, der Saal musste wegen Überfüllung geschlossen werden. Studenten und Universitätsleitung bekundeten gleichermaßen, den Kampf gegen den undeutschen Geist aufnehmen zu wollen, nicht nur mit symbolhaften Handlungen, sondern den schädlichen Einfluss der »zersetzenden Literatur« zu beenden und auch im akademischen Leben dagegen anzugehen. In hasserfüllten Verbalattacken sei eine nationale Bedrohung heraufbeschworen worden. Der Scheiterhaufen in Göttingen loderte auf dem damaligen Adolf-Hitler-Platz, heute Albani-Platz.

Die Göttinger Autorin und Historikerin Regine Wagenknecht las zunächst aus Heinrich Manns »Professor Unrat«. Das Buch, 1914 bis Kriegsausbruch als Fortsetzungsroman gedruckt, kam erst 1918 als Buch heraus. Mann ging im Februar 1933 ins Exil, die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm aberkannt. Mit der Hauptfigur Diederich Heßling habe er, so Wagenknecht, eine »Vorgestalt eines Nazis« geschaffen. Auch aus »Nach Mitternacht« von Irmgard Keun wurde vorgetragen; sie ging zunächst ins Exil und lebte anschließend bis Kriegsende in der Illegalität. Romanfigur Susanne Moder schildert in der Rückschau den Alltag in einer Familie in Köln vor dem NS-Hintergrund.

Weil sie gegen Reisebedingungen verstoßen hatte, wurde die Jüdin Gabriele Herz im Oktober 1936 nach Moringen in »Schulungshaft« gebracht. Sie blieb dort sechs Monate. In der Emigration in den USA hat sie anschließend einen detaillierten Bericht über ihre Zeit dort geschrieben, womit die Vortragenden den Bogen in die Region schlugen.ek