Skurrile Wohngemeinschaft verwandelt sich in Altenheim

Darsteller präsentierten ein amüsantes »Heimspiel« im Wilhelm-Bendow-Theater / Sozialkritische Komödie begeistert mit Wortwitz

»Wenn uns die Gesellschaft schon zum alten Eisen erklärt, dann wollen wir auch etwas davon haben«, gemäß dieser Aussage wandelten Scoop Müller, Teddy Weinberger und Martin Neidhardt ihre Wohngemeinschaft in ein exklusives Altersheim um, und sie erlebten dabei ein amüsantes »Heimspiel«. Vom Einbecker Kulturring organisiert, genossen viele Besucher die sozialkritische Komödie im Wilhelm-Bendow-Theater.

Einbeck. Sie sind nicht die geborenen Glückspilze: Teddy Weinberger (Dietmar Pröll), dessen Partner ihn mittellos zurückgelassen hat, der erfolglose Journalist Scoop Müller (Markus Majowski) und Martin Neidhardt (Armin Dillenberger), der im Sozialamt einem Computer weichen musste. Um Kosten zu sparen, haben sie sich zu einer Wohngemeinschaft zusammengetan, da sie sich ohne Job und Perspektive sonst keine Wohnung leisten können. Als Martin die Idee hat, die Wohnung zum Altersheim »Abendsonne« werden zu lassen, ziehen die beiden anderen gleich mit. Sie wollen mit dem Trick wohltätige Stiftungen »abzocken«, um statt Magermilch Whiskey trinken zu können und nicht nur Obstmüsli ohne Obst essen zu müssen.

Der Plan scheint aufzugehen, doch bevor das Geld überwiesen wird, will die unterstützende Stiftung dem privaten Heim einen Kontrollbesuch abstatten. Der ehemalige Maskenbildner Teddy verwandelt seine Mitbewohner in tattrige alte Greise, und er gibt bei den Proben Regieanweisungen, wie richtig gehinkt oder gehustet wird. Dabei greift er auch Huster des Publikums auf, um Martin zu demonstrieren, wie die tiefen »Auswürfe« funktionieren, ohne ständig ein Apfelstück verschlucken zu müssen. Überzeugend schlüpfen die Mittfünfziger in die Rollen von Greisen: Scoop verliert dabei auch mal seinen aufgeklebten Schnurrbart oder vergisst, mit welchem Bein er hinken muss. Teddys angebliche Kurzsichtigkeit gipfelt darin, dass er sich von einem Rollator verabschiedet, den er für den Prüfer der Stiftung, Konrad Gerber (Stephan Bürgi), hält. Der seriöse Kontrolleur muss entscheiden, ob der »Abendsonne« das Geld zusteht, verliebt sich aber in Bardame Mäggi (Birthe Gerken), die als Heimleiterin herhalten muss und beinahe Mutter Teresia gleich gesetzt wird. Der liebestolle Stiftungs-Mitarbeiter besucht in der Folge mehrmals täglich die vermeintlichen Greise, um seiner Angebeteten nahe zu sein, doch traut er sich nicht, ihr die Liebe zu gestehen. Im Laufe der Komödie spitzt sich die Lage weiter zu – die Bewohner wollen keine Alten mehr sein, und Mäggi möchte wieder als Bardame ihre speziellen Cocktails im »Toten Affen« servieren –, bis der Prüfer sich in »Captain Amerika« verwandelt, der eine rosa Vespa fährt, und sich mit Mäggi, Teddy, Martin und Scoop zu einem für alle Seiten gewinnbringenden Arrangement einigt.

Das Publikum im Wilhelm-Bendow-Theater erfreute sich an dem Stück von Charles Lewinsky, so dass die pointenreichen Dialoge mit vielen Lachsalven quittiert wurden. Im »Heimspiel« waren einerseits Verwandlungsszenen amüsant, andererseits wurden auch gesellschaftskritische Themen wie Arbeitslosigkeit und Armut augenzwinkernd angesprochen. Im eleganten Interieur, in dem Teddy seinen Mitbewohnern die Unterschiede von »Louis XIV« und »Louis XVI« näherbringen will, mutieren die Mittfünfziger zu gebrechlichen Alten. Sie diskutieren, ob »Woody«, ein Hirschkopf, der nach Woody Allen benannt ist, zwischen Edelholzvertäfelungen, Ölgemälde und Brokatmöbel passt, und ob Eierlikör oder Mäggis hochprozentiger Cocktail anregender ist. Sobald der Kontrolleur seinen Besuch ankündigt, verwandeln sich vitale Männer in Tattergreise mit entsprechender Kleidung und Macken. Der eloquente schwule Teddy mimt den blinden Tauben, der witzig agiert, während Scoop »Rücken« hat und hinkt oder Martin mit dem Kopf wackelt sowie mit einem roten Kopf anfallartig hustet, dass das Publikum schon Angst um ihn bekommt.

Durch witzige Aussagen und Reime wie »Meißen kann man schmeißen«, »Früher begehrt, jetzt nichts mehr wert«, »Ich habe meine Arbeit geliebt, bis sie mich mit einem Computer betrog«, »Als wir eingezogen sind, waren die Möbel noch nicht antik«, »Nieder mit dem Frühstücksmüsli«, »Magermilch statt Whiskey«, »Frauen wollen erobert werden, nicht eingeschläfert« oder »Meine Gäste sollen eine gute Zeit haben, aber nicht ausflippen« und mit überzeugenden schauspielerischen Leistungen begeisterten die »Heimspiel«-Darsteller, so dass sie ihren verdienten Applaus erhielten.mru