»Sprache zu lernen, ist eine Bringschuld für Zuwanderer«

Sozialministerin Aygül Özkan Festrednerin beim Jubiläum »50 Jahre Lions Club Einbeck« / Über das Ehrenamt Integration verbessern

»Integration« hatte sich der Lions Club Einbeck als Thema von seiner Festrednerin, der niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Aygül Özkan, gewünscht. Die Politikerin würdigte in ihrem Vortrag zum 50-jährigen Bestehen des Lions Clubs Einbeck nicht nur das Engagement vor Ort, sondern sie fand auch klare Worte zur Integration.

Einbeck. Vielfalt sollte man als Chance sehen, Wandel zu gestalten, sagte Ministerin Aygül Özkan. Der gesellschaftliche Wandel werde sich verstärken, aber das sollte man nicht mit Angst betrachten, sondern mit Blick auf die Möglichkeiten. Was Lions praktiziere, decke sich zudem mit den Zielen der Integrationspolitik: gegenseitiges Verständnis wecken und Erhalten und Bürgersinn pflegen. Die soziale Entwicklung der Gesellschaft müssten alle gemeinsam gestalten. »Wir werden weniger, wir werden älter, und wir werden bunter in der Gesellschaft«, skizzierte sie die künftige Entwicklung. Das bedeute, dass man mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen willkommen heiße. Schon jetzt habe jeder Fünfte in Niedersachsen einen Migrationshintergrund; bei den Kindern unter sechs Jahren sei es jedes Zweite. Diese Biografien dürfe man nicht dem Zufall überlassen, und so sei Integrationspolitik ein Querschnittsthema. Man müsse die Möglichkeiten verbessern, dass der Start gelinge, und somit die Zukunft des Landes zusammen gestalten.

Integration sei ein Prozess, der gelinge im Zueinander und Miteinander von Menschen, führte sie aus. Das bedeute, dass man sich an Regeln des Zusammenlebens halte, und das fordere die gesamte Gesellschaft bei Akzeptanz und Toleranz. Integration könne nur durch gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftlichem Leben erfolgen. »Sprache ist der Schlüssel zu Integration, und es ist eine Bringschuld, Deutsch zu lernen«, betonte die Ministerin. Wer die Sprache seines Landes spreche, sei mittendrin, ansonsten müsse er nebenher laufen. Kinder müsse man deshalb so früh wie möglich fördern, etwa durch frühen Besuch von Kindergärten. So könnten sie die Sprache lernen und leben. Das habe sie selbst erlebt: Ihre Eltern seien in den 60er Jahren aus der Türkei nach Deutschland zugewandert, zuhause wurde Türkisch gesprochen. Sie selbst kam mit drei Jahren in eine Kita, konnte also zweisprachig aufwachsen – und als sie in die Schule kam, beherrschte sie beide Sprachen fließend. Dabei, räumte sie ein, müsse man Familien allerdings manchmal vom Kita-Besuch überzeugen. Es gebe ein tolles Bildungssystem in Deutschland, das man nicht schlechtreden sollte, das man aber für Migranten bekannter machen müsse. Wichtigste Personen dabei seien die Eltern. Migranten holten bei der Bildung inzwischen auf, und so sehe sie das Glas als »mehr als halbvoll« an. Man sei zwar mit der Erkenntnis, dass mehr Förderung notwendig sei, spät gestartet, aber man könne aufholen. Wichtig seien dabei die mehr als 1.600 Integrationslotsen und ihr vielfältiger Einsatz.

Integration, so die Ministerin weiter, erfolge auch über den Arbeitsmarkt. Wenn man das nicht sehe, hänge man viel Potenzial ab. Dabei sei es bei Personalentscheidern häufig noch so, dass »Schmidt« nach »Schmidtchen« suche. Sie plädierte dafür, Bewerbungsverfahren anzupassen, um Qualifikationen stärker hervorzuheben. »Aussortieren werden wir uns nicht mehr leisten können«, bekräftigte sie, zumal viele Zuwanderer gute Abschlüsse mitbrächten. Ein Anerkennungsgesetz werde eine bessere rechtliche Grundlage schaffen. »Wir erhoffen uns davon mehr Anreize.« Durch weniger Hürden könne man eine Willkommenskultur schaffen, denn man brauche die Menschen, die Fachkräfte. Die Fehler der Vergangenheit bei der Zuwanderungspolitik dürften sich nicht wiederholen. Man müsse vielmehr sagen, was man erwarte, damit die Zuwanderer Teil der Gesellschaft werden könnten.

Um die Kommunikation zu verbessern, brauche man Brückenbauer, die die Zuwanderer in die neue Gesellschaft einführen könnten. Das sei eine wichtige Aufgabe für das Ehrenamt. Die Chance für mehr Integration ergebe sich, wenn man wertschätze, was die Menschen in die Gesellschaft einbringen könnten. Niedersachsen sei das Land des Ehrenamtes, 41 Prozent der Bürger engagierten sich auf diese Weise; es seien aber noch viel zu wenig mit Migrationshintergrund dabei. Da brauche man eine Öffnung und man müsse zeigen, das freiwilliger Einsatz Spaß mache und zusammenschweiße. Sie werbe, so Özkan, für mehr Beteiligung von Migranten am Ehrenamt, etwa beim Sport oder in der Feuerwehr. Das sei für sie eine Chance, in der Gesellschaft dazu zu gehören, und zugleich könne man eine wichtige gesellschaftliche Säule aufrecht erhalten.

»Integration gelingt vor Ort«, machte Ministerin Özkan deutlich. Sie lasse sich nicht durch ein Gesetz aufdrücken, sondern man müsse Hand in Hand daran arbeiten. »Danke für Ihre Unterstützung«, würdigte sie die Verdienste der Lions in diesem Bereich.ek