Ausschuss für Finanzen und Rechnungsprüfung

Strabs abschaffen, aber ab 2022 mehr Grundsteuer

Sondersitzung mit Kompromiss: Zum 30. November aufheben, Grundsteuer B steigt ab 2022 auf 420 Punkte

»Strabs abschaffen«: Die Zustimmung des Rates bei einer Sondersitzung vorausgesetzt, würde sich die Forderung noch in diesem Jahr erfüllen. Als Finanzierungsalternative wird die Grundsteuer B ab 2022 um 20 auf 420 Punkte angehoben.

Einbeck. »Wir lassen das Ende der Strabs einläuten.« Nach monatelangen Diskussion, zum Teil hart geführt, ging es entspannt zu: In einer Sondersitzung hat der Ausschuss für Finanzen und Rechnungsprüfung die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge (Strabs) zum 30. November empfohlen und als Finanzierungsalternative die Anhebung der Grundsteuer B um 20 auf 420 Punkte ab 2022 empfohlen. Zufällig zeitlich begleitet wurde das vom Abendläuten der Marktkirche. Festgeschrieben werden soll es noch bei einer Sondersitzung des Rates.

Der Druck, noch in dieser Wahlperiode zu einem Ergebnis zu kommen, war groß. Nachdem es bei der Ratssitzung Ende Juni keine Lösung gegeben hatte, traf sich der Ausschuss nun zur von SPD und GfE/Bürgerliste beantragten Sondersitzung des Finanzausschusses. Frank-Dieter Pfefferkorn, Bürgerliste, gab den Rahmen für die folgende Diskussion: Die Straßenausbaubeiträge sollten zum 1. Januar 2022 abgeschafft werden, zugleich soll die Grundsteuer B auf 420 Punkte angehoben werden, und die Verwaltung soll die Einrichtung eines Rücklagepostens prüfen und haushaltstechnisch vorbereiten. Strom, Gas, Wasser, Telefon, Breitbandanschluss und auch Straßen, das sei Daseinvorsorge für alle, so Pfefferkorn.

Es dürfe dabei keinen Unterschied zwischen armen und reichen Kommunen geben, die ihre Bürger daran beteiligen müssten ­– oder eben nicht. Stundungen würden das Problem nur vertagen. Wenn man Bevölkerung in der Fläche halten wolle, dass dürfe es keinen Unterschied machen, ob in einem Straßenzug zehn oder 100 Menschen lebten. Die Erhebung von Ausbaubeiträgen sei immer ungerecht, und selbst Sondersatzungen änderten daran nichts. Je mehr Bereiche man aus der Umlagepflicht herausnehme, desto teurer werde es schließlich. Einige Bürger hätten, etwa im Bereich Kreiensen, viel Geld gezahlt, andere seien gar nicht dran. Sein Vorschlag sei ein Kompromiss, denn die Erhöhung der Grundsteuer beteilige alle mit einem überschaubaren Betrag an den Kosten. Er erwarte auch einen kritischen Umgang mit Kosten und Ausgaben von Baumaßnahmen.

Das sei eine überraschende Wendung, so Dr. Reinhard Binder, FDP. Bisher habe sich nur die Grün-Gelbe Gruppe aktiv für die Abschaffung der Strabs eingesetzt. Er freue sich aber, dass es eine Kehrtwende gebe. FDP und Grüne wünschten sich eine ersatzlose Streichung. Aber da die Kosten für Straßenausbau »von irgendwas« gedeckt werden müssten, sollte man die Bürger gleichmäßig belasten. Er halte die Vorschläge Pfefferkorns für vernünftig, wenngleich ihm Steuererhöhungen schwer fallen würden. Aber er würde das in dieser Höhe mittragen; die von der Verwaltung vorgeschlagene Anhebung auf 435 Punkte sei dagegen untragbar. Was weiter nötig sei, sei Ausgabendisziplin. Man habe jetzt zwar keinen Königsweg, »aber einen Weg, mit dem wir leben können.«
Das Projekt ZOB sei für seine Fraktion ein Schlüsselerlebnis gewesen, stellte Marcus Seidel, SPD, fest, denn man hätte nicht damit gerechnet, dass für den Ausbau eines Busbahnhofs Straßenausbaubeiträge fällig werden könnten, nicht nur von Anliegern, sondern von allen Immobilienbesitzern der Straße. Das sei zwar alles geprüft und juristisch wasserdicht, aber schwer nachvollziehbar und vermittelbar. Deshalb habe man die Notbremse gezogen und gemeinsam mit anderen das Projekt gestoppt.

Die Suche nach Alternativen gestalte sich schwierig, die Anträge von Udo Harenkamp oder von der Gelb-Grünen Gruppe seien da nicht hilfreich gewesen, denn sie seien nicht darauf eingegangen, wie man die Kosten in Zukunft finanzieren wolle. Kämmerer Christian Rohner habe das dagegen nun ausführlich dargestellt. Der Rat trage Verantwortung für die ganze Stadt, deshalb müsse man alle Fakten sammeln, abwägen und gewichten – und dafür brauche es Zeit. So sei die heutige Sondersitzung zustande gekommen, denn es gehe nicht nur um knapp 420.000 Euro Strabs für den Neustädter Kirchplatz, sondern um den grundsätzlichen Umgang mit Straßen, Wegen und Plätzen. Antworten brauche man auch für Kitas, Schulen, Feuerwehren und Sportanlagen sowie für die Folgen der Corona-Pandemie. Die Lösungen müssten sich im finanziellen Rahmen bewegen. Der vorgestellte Ansatz sei dafür geeignet. Man sollte das, betonte Seidel, zudem noch in dieser Legislaturperiode beschließen, in einer zeitnahen Sondersitzung des Rates.

Er hielte die Beibehaltung der Strabs für eine gerechtere Lösung, aber der Trend gehe zur Abschaffung, sagte Ulrich Vollmer, CDU. Von der Erhöhung der Grundsteuer seien viele Bürger Jahr für Jahr betroffen, obwohl ihre Straße gar nicht ausgebaut werde. Bei 800 Straßen habe die Verwaltung dafür eine Wahrscheinlichkeit von 0,13 Prozent errechnet. Er hielte eine Bürgerbeteiligung zu dem Thema sinnvoll, wie sie in Hardegsen erfolgt sei.

Anders als Marcus Seidel ihm das vorgehalten habe, habe er sich zum Thema informiert, sagte der parteilose Ratsherr Udo Harenkamp. Er stimme Frank-Dieter Pfefferkorn und seiner Begründung zu, würde es jedoch favorisieren, die Grundsteueranhebung zu vermeiden und stattdessen einen Blick auf die anderen Grundbesitzabgaben zu werfen – ein pragmatischer Vorschlag, aber rechtlich nicht zulässig, wie der Kämmerer feststellte.

Ausgabendisziplin mahnte Udo Mattern, GfE, an. Zudem sei das Land gefragt, für die Kommunen da zu sein; das sollte man von den großen Fraktionen einfordern.

Verantwortung für die ganze Stadt müsse man leben, meinte Albert Eggers, CDU, der ebenfalls eine Bürgerbefragung für gut hielt. Die meisten Bürger wären, anders als beispielsweise die Bürgerinitiative das verbreitet habe, nie von Strabs betroffen, wohl aber von höheren Grundsteuern. 420 Punkte seien ein Kompromiss, aber nicht unbedingt eine vernünftige Finanzierungsplattform. Neue Schulden, da habe die Kommunalaufsicht gewarnt, könne es nicht geben.

Man habe keine 180-Grad-Wendung vorgenommen, sondern die Wirklichkeit betrachtet, erläuterte Rolf Hojnatzki, SPD. Die Rahmenbedingungen hätten sich verändert. Die Bahnhofspläne hätten gezeigt, wie verquer Strabs sein könnten, da nützten auch Sondersatzungen und Experten nichts. Dass die Beiträge existenzgefährdend sein würden, davon habe die SPD nie gesprochen. Inzwischen werde die Debatte aber so emotional geführt, dass viele das glaubten. Nach dem Stopp beim ZOB müsse man fragen, ob man bei der geplanten Ungerechtigkeit bleibe oder eine andere Lösung finde. Die Abschaffung sei konsequent, auch wenn man damit nicht gleich Gerechtigkeit bewirke. Die Grundsteueranhebung sei kein Allheilmittel, aber sie sei zur Finanzierung halbwegs geeignet.

Er sprach sich dafür aus, nicht nur Straßenausbau in die Überlegungen einfließen zu lassen, sondern flexibler zu sein und Straßengestaltung insgesamt zu sehen. So würden alle für alle Maßnahmen zahlen. Naiv wäre es, auf das Land zu hoffen, denn dort gebe es nicht mehr Einnahmen, von denen die Gemeinden profitieren könnten. Er schlug vor, die Abschaffung nicht erst 2022, sondern noch 2021 wirksam werden zu lassen.

Es sei viel Richtiges gesagt worden, stellte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek fest. Andere Bundesländer hätten Sonderprogramme aufgelegt und das Thema damit erledigt; das sei in Niedersachsen nicht zu erwarten. Das Land habe deutlich gemacht, dass dies ein kommunales Thema sei, das auf dieser Ebene zu beschließen sei. Bei einer Resolution habe sie wenig Hoffnung, dass diese erfolgreich wäre: Millionen jährlich für die Kommunen werde es
zusätzlich nicht geben. Die Lösung, die jetzt angestrebt werde, basiere auf einem »angesparten« Guthaben, dessen Höhe bis zu 400.000 Euro pro Jahr erreichen könne. Und anhand dieser Rücklage entscheide man, was umgesetzt werde.

Zur Höhe der zusätzlichen Belastung führte Kämmerer Rohner aus, bei einer Steuerlast von bisher 200 Euro ergeben sich zehn Euro pro Jahr mehr. Er gehe davon aus, dass mehr als 9.000 der 11.000 Steuerpflichtigen in Einbeck davon erfasst würden. Eine Summe von unter 20 Euro sei den Bürgern zuzumuten; die Politik bekäme dafür Luft für Entscheidungen, so Frank-Dieter Pfefferkorn. Der Ausschuss wünschte sich eine Abschaffung möglichst noch in diesem Jahr – ein Terminhindernis ist dabei allerdings das Auslaufen des Zukunftsvertrags erst am 25. November.

Einstimmig sprach sich der Ausschuss dafür aus, eine Aufhebung zum 1. Dezember dieses Jahres vorzunehmen und die Grundsteuer ab 1. Januar 2022 anzuheben. Die Bildung von Rücklageposten für den Straßenausbau soll geprüft und für 2022 im Haushalt veranschlagt werden. Genutzt werden die Rücklagen für »alles, was als Investition anzusehen ist«, also auch für größere Sanierungen. Die Zuhörer quittierten die Beschlussempfehlung, die bei einer Sondersitzung des Rates beschlossen werden soll, mit Beifall. Für die von Albert Eggers beantragte Bürgerbefragung gab es keine Mehrheit.ek