Stützfunktion ist zweifelhaft

An der Westseite des Kirchturms | Handarbeit der Steinmetze

Einbeck. Die Geschichte des Turmes der Marktkirche muss neu geschrieben werden. Die Verkleidung der westlichen Seite des Turmes hat wohl weniger Stützfunktion als gedacht. Vermutlich wurde sie lediglich wegen einer verwitterten Fassade vor das ursprüngliche Mauerwerk gesetzt, meinen Restaurator Eberhard Tiemann und Architekt Axel Holst vom Amt für Bau und Kunstpflege, und sie beziehen sich damit auf Erkenntnisse der fortschreitenden Arbeiten am Stadtbild prägenden Kirchturm.

Gefunden wurden – und das war vorher nicht gedacht – mehr als 300 Eisenklammern. Die Eisenklammern fingen durch eindringendes Wasser im Lauf der Zeit an zu rosten, die Sandsteine zerbrachen, und deshalb sind zum Teil auch große Brocken aus der Fassade herausgebrochen. Die Eisenklammern mussten nun aufwändig ausgebaut werden.

Die Verkleidung an der Westseite sei nicht fest verbunden mit dem ursprünglichen Mauerwerk und erfülle damit wohl kaum die ihr bisher immer zugeschriebene Stützfunktion, erklären Tiemann und Holst. Für die feste Verbindung zwischen Mauerwerk und »Stützmauer« werden künftig 120 je zwei Meter lange Edelstahlstangen sorgen. Die Stangen werden mit einem so genannten Strumpfanker, einer Art Gewebehülle, in das Mauerwerk gebohrt und mit Zementmörtel verpresst. Der Hohlraum wird ausgefüllt und damit mit dem Mauerwerk verklammert.

Voran geht es mit den Steinmetzarbeiten. Allein 14 Fensterrahmenteile, so genannte Maßwerkstücke, wurden von den Steinmetzen Kevin Bühl, Oliver Quick und Stefan Rost bereits erneuert. Von den original Fensterrahmenteilen wird eine Schablone hergestellt, damit das Ursprungs-Stück genau nachgearbeitet werden kann. Und das ist echte Handwerkskunst: Die Fensterrahmenteile werden genauso hergestellt wie im Mittelalter, berichtet Tiemann, er räumt aber ein, dass das Werkzeug heutzutage moderner sei. Das Rahmenstück entsteht aus einer etwa 20 Zentimeter dicken Wesersandstein-Platte, zum Teil wird es ausgefräst per CNC-Technik, der Rest ist Handarbeit. Ungefähr sechs Tage lang wird allein an einem Rahmen gearbeitet.

Unvorhergesehene Arbeiten werden die Sanierung des Kirchturms verzögern. Mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten sei nicht Ende 2013, sondern erst im Frühjahr 2014 zu rechnen, kündigt Holst an. Allerdings sehe es so aus, dass der Kostenrahmen eingehalten werden könne.sts