Theaterstück als Geschichtsunterricht

Zwölfter Jahrgang der BBS Einbeck erlebt »stille hunde« zum Thema Jugend im NS-Staat

In Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Moringen, der Kreisjugendpflege des Landkreises Northeim und »stille hunde« Theaterproduktionen Göttingen hat das Geschichtsteam der Berufsbildenden Schulen Einbeck - Rainer Härtel und Karin Meß - das Klassenzimmerstück »Die Besserung« für die vier Beruflichen Gymnasien des zwölften Jahrgangs organisiert. Dieses Projekt bildete den Abschluss der Unterrichtseinheit »Ideologie des NS-Staates« unter besonderer Berücksichtigung der Erziehung der Jugend im Dritten Reich. Auf der Grundlage von Zeitzeugenberichten und anderen historischen Quellen wurde das Theaterstück speziell für die Darbietung im Klassenzimmer entwickelt, damit unterrichtsergänzend ein lebendig nachvollziehbares Schlaglicht auf die menschenverachtende Ausgrenzungsideologie der nationalsozialistischen Machthaber mit ihrer brutalen Umsetzung in die Praxis geworfen werden kann.

Einbeck. Im Zentrum von »Die Besserung« steht das Schicksal des 14-jährigen Franz, der 1942 bei den faschistischen Jugendbehörden als »Herumtreiber und Pubertätsversager« aktenkundig wird. Nach zwei Fluchtversuchen aus einem Jugendheim wird er schließlich in das sogenannte Jugendschutzlager in Moringen überstellt, wo er bis Kriegsende inhaftiert bleibt. Die Geschichte des Häftlings Franz ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, in der sich zwei Söhne begegnen, die das von ihren Vätern aus Scham verschwiegene Geheimnis des Lageraufenthaltes aufdecken. Franz’ Sohn erfährt zum ersten Mal etwas über die kriminalbiologisch begründete Selektion durch den Lagerarzt Dr. Ritter, die wirtschaftliche Ausbeutung der Insassen durch Zwangsarbeit, die alltägliche Gewalt, die Bestrafungen, die Rohheit und Willkür der Aufseher und nicht zuletzt über den alles beherrschenden Hunger unter den männlichen Jugendlichen.

Beide Söhne stellen erschüttert fest, dass sie von dieser traurigen Lebensphase ihrer inzwischen verstorbenen Väter gar nichts wussten. Sie versuchen gemeinsam, die Haftgründe für ihre Väter zu verstehen und erkennen, dass es keinerlei kriminellen Hintergrundes bedurfte, »weg-gesperrt« zu werden. So reichte es zum Beispiel aus, die in Hitler Deutschland verbotene Swing-Musik zu hören, um als »Dauerversager« abgestempelt und aus der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« ausgeschlossen zu werden.Über das Theaterstück, so Karin Meß, werde eine tief nachwirkende menschliche Betroffenheit bei den Schülern erzeugt, die die erschütternden Schicksale von Franz und seinem damaligen Mithäftling Willi intensiv erahnen und nachvollziehen können. Anders als ein Quellentext im Geschichtsbuch werde das Unfassbare deutlich ausgesprochen. Die Betroffenheit der Schüler zeigte sich in der anschließenden Diskussion mit den Schauspielern Christoph Huber und Stefan Dehler, der ersten Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Moringen, Anne Berghoff, sowie Andreas Kohrs von der Kreisjugendpflege des Landkreises Northeim. Für ihre intensive, überzeugende schauspielerische Leistung erhielt das Duo »stille hunde« großen Beifall.

Das Geschichtsteam dankt dem Förderverein der BBS Einbeck für die Unterstützung bei der Realisierung der Aufführung dieses Theaterstücks. Besonderer Dank geht aber an Andreas Kohrs, denn ohne die außerordentlich großzügige finanzielle Unterstützung vonseiten der Kreisjugendpflege wäre die Durchführung des Projekts nicht möglich gewesen. Kohrs, seit 1990 als Jugendpfleger beim Landkreis Northeim, beschäftigt sich schon seit 1983 mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte der Jugendkonzentrationslager Moringen und Uckermark. Er war maßgeblicher Initiator für die Einrichtung einer Gedenkstätte in Moringen. Es ist ihm inzwischen eine Herzensangelegenheit und wichtiger Bestandteil seiner Jugendarbeit, vom tragischen Schicksal zahlreicher Jugendlicher im Nationalsozialismus in Projekten und Veranstaltungen zu berichten, damit den geschundenen und zu Unrecht inhaftierten Jugendlichen ihre Würde zurückgegeben werden kann. Interessierte Lehrer und Schüler erhalten nähere Informationen bei ihm unter Telefon 05551/708-221 oder bei Dr. Sedlaczek, KZ-Gedenkstätte Moringen, Telefon 05554/2520.oh