Tiedexer Straße 16: das Haus eines Schuhmachers

Einbeck. Immer wieder stehen Touristen staunend vor den reich verzierten Häusern der Tiedexer Straße. Besonders das Haus Nummer 16 (alte Hausnummer 32) mit seinen reichen Verzierungen hat es den Besuchern angetan. Das Gebäude wurde im Jahre 1543 – drei Jahre nach dem großen Stadtbrand – erbaut. Der traufständige, fünfachsige Fachwerkbau hat drei Geschosse und steht innerhalb der geschlossenen Bauweise der so genannten spätgotischen Fachwerkzeile Tiedexer Straße. Das Foto zeigt den oberen Teil des Torbogens mit dem Übergang zum zweiten Geschoss. Der umlaufende Torbogen hat ein Wulst-Kehle-Tauband-Profil und die beiden Rosetten rechts und links sind vom Bogen angeschnitten.

Diese Rosetten als Gestaltungselement der Renaissance waren damals sehr modern. Man verwendete sie im norddeutschen Raum erst seit 10 Jahren. Im oberen Bogenbereich befindet sich die römische Jahreszahl 1543. Darüber erkennt man typische Handwerkszeichen – ein Halbmondmesser und eine »Schusterkneipe« – die den damaligen Besitzer als Schuhmacher ausweisen.

Die Inschrift rechts ist nur noch teilweise erhalten: »Kort JCKH…«. Der Sturzbalken ist angeschnitten, so dass die Buchstaben am Schluss des Namens nur noch im unteren Bereich erhalten sind. Der Name könnte JCKHOR… lauten. Wie Kort, der damalige Besitzer wirklich mit Nachnamen hieß, bleibt aber vorerst ein Geheimnis. Nicht auf dem Bild sind der große Neidkopf, der das Böse vom Haus und seinen Bewohner fernhalten sollte und ein Bierzeiger. So konnte man damals gleich von außen sehen, dass man hier seine Schuhe reparieren und sich gleichzeitig seinen Biervorrat auffüllen lassen konnte. Im 16. Jahrhundert durften die brauberechtigten Einbecker Vollbürger zweimal im Jahr brauen. Ein kleiner Teil wurde selbst verbraucht, der größte Teil des Bieres ging in den Verkauf.

Doch 1543 war die große Zeit Einbecks als Braustadt eigentlich schon vorbei. Vor dem Stadtbrand von 1540 wurden allein nach Hannover mehr als 130 Fässer Einbecker Bier geliefert, von 1541 bis 1549 waren es weniger als 50. Vom Haus Nr. 16 ist nur noch die Fassade, dass Dachgerüst und Teile des Kellers aus dem 16. Jahrhundert erhalten. 1941 wurde der gesamte innere Baukörper abgebrochen und alle Wände wurden durch massive Mauern ersetzt. Die Rückseite wurde ebenfalls komplett erneuert und das nicht mehr vorhandene Fachwerk aufgemalt. Danach wurde die Fassade und der Torbogen im Untergeschoss noch mehrfach verändert – zuletzt Ende der 1990er Jahre.wk