Tosender Beifall für ein britisches Konzert

»Very British«: Göttinger Symphonie Orchester mit Nicholas McGegan: Konzert im »Proms«-Stil

Wenn auch das Einbecker Publikum nicht selbst mitsingen mochte, wie im Mutterland der »Proms«-Konzerte üblich, so waren die Zuhörer doch begeistert über den Abend mit dem Göttinger Symphonie Orchester unter der Leitung von Nicholas McGegan.

Einbeck. Wenn ein Brite den Taktstock schwingt, ein Geiger im Schottenrock auf der Bühne sitzt und das Publikum britische Fähnchen schwenkt, ahnt man, dass dies kein ganz normales Konzert sein kann. So war es auch, als das Göttinger Symphonie Orchester (GSO) unter der Leitung von Nicholas McGegan die gut besuchte PS.Halle am PS.SPEICHER bespielte.

»Very british« war das Konzert überschrieben, und so war auch das Programm: Werke von englischen Komponisten wie Malcolm ­Arnold, Ralph Vaughan Williams und Henry Joseph Wood hört man hierzulande eher selten. Ganz anders im englischen Königreich, wo Werke der genannten Komponisten fester Bestandteil der Promenadenkonzerte sind, die traditionell das britische Konzertleben in verschiedenen Konzertsälen des Landes beleben. Den Abschluss dieser sogenannten »Proms« bildet traditionell die »Last Night of the Proms« in der Royal Albert Hall in London, die nicht nur in England viele Freunde hat, sondern sich nicht zuletzt aufgrund der Live-Übertragungen in den dritten Fernsehprogrammen auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreut. Und ebenso, wie die »Last Night« nicht nur die bekannten Schlager britischer Konzertmusik bringt, wurde auch das Konzert des GSO in Einbeck von Klassikern eingerahmt.

Den Auftakt machte Mendelssohn Bartholdys atmosphärisch-sprudelnde Hebriden-Ouvertüre, in der der deutsche Komponist seine Erinnerung an die mystische Wasserwelt der schottischen Inselgruppe reflektiert hat. Ein schöner Aufwärmer, nicht nur fürs Publikum, sondern auch fürs Orchester, das beim musikalischen Wogen und Wallen zunehmend gut zum Zusammenspiel fand.

Doch mit Malcolm Arnolds darauf folgenden »Vier schottischen Tänzen« sowie Ralph Vaughan Williams anschließendem »English Folk Sing Suite« wurde klar, worum es eigentlich ging: eingängige Melodien auf folkloristischen Themen, klares Taktmaß, große Gesten, orchestrale Wucht und schon mal was zum Mitklatschen. Davon leben die »Proms«, und davon ließen sich Orchester und Publikum in der PS.Halle auch zunehmend mitreißen.

Ein besinnlicher Gegenpol wurde vor der Konzertpause mit Peter Maxwell Davis »Spell for Green Corn« geschaffen; das 1993 in Glasgow uraufgeführte Werk verbindet traditionelle Liedmelodik mit zeitgenössischer Kantigkeit. Als Solistin brillierte die Konzertmeisterin des Göttinger Symphonie Orchesters, die aus der Ukraine stammende Natalie Scholz. Beeindruckend, wie sie die Tiefen und Untiefen des in sich gegensätzlichen Werkes in einem großen musikalischem Bogen zu umspannen wusste: Bravorufe aus dem Publikum waren eine verdiente Belohnung.

Die Stückfolge im zweiten Teil stellte Dirigent McGegan um. Und das war auch gut so: Sollte ursprünglich Georg Friedrich Händels »Feuerwerksmusik« den Schlusspunkt des Konzertes bilden, rückte McGegan das Werk des Wahl-Engländers an den Beginn. Bei einem so vielgehörten Stück darf das Orchester Routine zeigen, und so donnerte und blitzte es sicher durch den Klassiker, den Händel zur Begleitung eines Feuerwerks komponiert hatte. Nicht im Programmheft angekündigt, aber quasi unverzichtbar für diese Art Konzertabend, schob McGegan dann Edward Elgars berühmtes – wenn nicht berühmtestes – Stück »Pomp and Circumstance No. 1«, ein – das Werk, ohne das die »Last Night of the Proms« nicht zu denken ist, und dessen eingängiger Hauptteil über »Land of Hope and Glory« zumindest die Briten zum Mitsingen mitreißt. Die Einbecker kannten den Text nicht oder mochten nicht singen, aber immerhin wurden eifrig der Union-Jack, aber auch EU-Fähnchen geschwungen.

Begeistert, wie dies spröde Niedersachsen eben so können, wurde denn auch Henry Joseph Woods »Fantasia on British Sea Songs« aufgenommen. Das Werk, in dem die Schlacht von Trafalgar musikalisch nachtriumphiert ist, schließt mit dem bekannten »Rule Britannia« ab. Bei den Briten hält es bei dem Stück keinen auf den Sitzen, und da kann die Grenze zwischen Mitsingen und Mitgröhlen schon mal verschwimmen; die Einbecker allerdings blieben sitzen und stumm. Doch an den strahlenden Mienen war abzulesen, dass mancher wenigstens im Geiste mitgesungen hatte. Tosender Beifall nach einem langen und schönen Konzertabend in Einbecks Konzertsaal.

Das nächste Konzert mit dem GSO und Preisträgern des Wettbewerbes »Jugend musiziert« findet am 7. April in der PS.Halle statt. Dann wird übrigens Chefdirigent Christoph-Mathias Mueller, der zum Bedauern vieler Konzertfreunde sein Engagement beim GSO Mitte 2018 beendet, zum letzten Mal am Pult in der PS.Halle stehen.oh