»Transit« zeigt gewollte Unschärfe

37. Ausstellung im Biotechnikum der KWS mit Werken von Ricus Aschemann

»Der sichere Hafen ist keine wirkliche Alternative, nicht einen Schiffbruch zu erleiden«, wie in der Aussage des zeitgenössischen Philo­sophen Hans Blumenberg begebe sich Ricus Aschemann immer wieder auf die Reise ins Ungewisse – auf »Transit«, um Neues kennen­zulernen, die Umwelt »dösend« zu erleben und Bilder mit konkreten und abstrakten Kompo­nenten zu erstellen, erklärte Mathias Max Herrmann, Staatstheater Hannover, bei der Eröffnung der Ausstellung »Transit« im Biotechnikum der KWS.

Einbeck. Eva Kienle, KWS-Finanzvorstand, freute sich, dass erneut – schon die 37. Exposition – eine besondere Ausstellung im Rahmen der Reihen »Kunst im BIT« stattfinde. Das Biotechnikum sei zu einer außergewöhnlichen Plattform für viele Künstler geworden, um sich und ihre Werke einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren. Zahlreiche interessierte Gäste und Mitarbeiter nutzen immer wieder die Chance, so Kienle, sich mit Kunst auseinanderzusetzen oder eigene neue Impulse zu erhalten.

Weiter imponiere ihr der Werdegang des Künstlers aus Hannover, der sich von Industrie-, Werbe- und Architektur- über Sport- und Reisefotografie sowie den Pariser Panoramabildern stetig weiterentwickelt habe, wie es die einrucksvollen, markanten Werke im BIT zeigten.

»Transit« bedeute Bewegung oder Übergang, und dies sei bei Aschemann deutlich zu sehen, so Herrmann. Betrachte man die Bilder, sehe man auf der der Suche nach Fixpunkten zuerst nur die Unschärfe. Mit Kalkül verberge jedoch die gewollte Ungenauigkeit die Klarheit, als wenn man auf dem Beifahrersitz entspannt sowie entrückt »döse« und die Landschaft an einem vorbeifliege sowie zum Träumen anrege. Um sich den Bildern zu nähern, sei es hilfreich, so Herrmann, sich die parallel entstandene Hochsitz-Serie anzuschauen: Die Sitze fangen den Blick auf, und sie wirken als strukturgebene Grenzpfähle im unsichtbaren Koordinatengefüge der umgebenen Landschaft.

Ob einzeln oder in der Gruppe, das Erleben der Natur könne zum Beispiel beim Wandern erhabene, liebliche oder gefährliche Gefühle auslösen. Ob bekannte oder neue Landschaften, immer wieder können die Situationen bei der reellen Auseinandersetzung mit der Umwelt entstehen. Beim Autofahren hingegen könne das »Dösen« mit seiner Unschärfe und seiner Unkonzentriertheit zu Abstraktionen führen, also zum Weglassen von Einzelheiten und zur Konzentration auf Allgemeineres oder Einfacheres, um einen vielschichtigen breiten Überblick zu bekommen.Vor 25 Jahren habe Aschemann in seiner analogen Kamera ein Endstück eines Filmes gefunden, auf dem eine unscharfe Aufnahme aus einem fahrenden Auto zu sehen war. Zwar habe er das Bild nicht genutzt, doch sei ihm diese Fotografie nie »aus dem Kopf« gegangen. Das ungewöhnliche ungewollte Resultat habe ihn immer wieder inspiriert, um treffende faszinierende Punkte und Gegebenheiten unscharf ohne stringente Begrenzung darzustellen und um schöne, entspannende Gefühle zu erzeugen, die zum Loslassen anregen.

Seine beeindruckenden Werke hat Aschemann aus einem fahrenden Auto heraus aufgenommen. Dabei fotografierte er zum Beispiel Lastwagen, die auf deutschen Autobahnen unterwegs waren, worauf der Titel »Transit« ebenfalls hinweist: Mal fahren sie langsamer, mal schneller als das Auto, aus dem fotografiert wird. Er verwendet bei seinen Aufnahmen lange Belichtungszeiten, so dass sich die bewegten Objekte unscharf abbilden. Die verankerten Gegenstände lösen sich in den Bildern auf, und es ergeben sich immer neue Farbkonstellationen, abhängig vom Licht, vom Wetter und von den Farben der Fahrzeuge. So entstehen harmonische Kolorite, bei denen die farblichen Darstellungen ineinanderfließen und so »Transit« – also Bewegung – entsteht.

Als Dank für die besondere Ausstellung erhielt Aschemann von Kienle die »Coroparate Collection«, einen Bildband über die bisherigen ­Expositionen im BIT. Weiter wies das KWS-Vorstandsmitglied darauf hin, dass es am 9. Januar ab 18.30 Uhr eine öffentliche Führung zu »Tranisit« gibt und dass der holländische Sänger und Songwriter Anton van Doornmalen am 28. November ab 19.30 Uhr bei einem Benefizkonzert im Biotechnikum auftritt.mru