Ungewöhnliches Bild der drei Könige

6. Januar, der Tag der Weisen aus dem Morgenland | Darstellung in Chauvigny

Der 6. Januar galt der alten Kirche als der Tag, an dem die »Weisen aus dem Morgenland«, die später als »Könige« bezeichnet wurden, in ethlehem angekommen sein sollen, um dem neugeborenen König ihre Aufwartung zu machen und ihm ihre Gaben zu bringen.

Einbeck. Die »drei Könige« gehören mit zu den am häufigsten im Bild dargestellten Personen des Neuen Testaments: Neben den einfachen Hirten kamen auch Vertreter der obersten Schicht zur Krippe. Einer der ältesten Darstellungen der Könige findet sich in Chauvigny im Westen Frankreichs (Dep. Vienne) am »Kapitell«, dem obersten Teil einer Säule, im Chorumgang der Kirche Saint Pierre aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Diese noch sehr starr und unbeweglich urtümlich wirkende Gestaltung ist in vielem anders als spätere Bilder der Könige an der Krippe: Maria sitzt in der Mitte mit nach vorn in die Weite gerichtetem Blick.

Schaut sie in die Zukunft oder auf den Betrachter? Das Kind auf ihrem Schoß wirkt eigentlich schon fast wie ein Erwachsener: auch sein Blick weist nach vorn in die Weite. Joseph fehlt: Hält der Bildhauer ihn für unwichtig? Vorn rechts weist die Hand Gottes mit ausgestreckten Fingern auf das Kind, und an der linken Seite – besonders groß und deutlich – der Stern, der den Weg gewiesen hat. Zwei der Könige knien rechts und links, der dritte steht im Hintergrund, aber nur einer der drei hat den Blick auf das Kind gerichtet, die beiden anderen schauen, genau wie Maria und ihr Sohn, mit großen Augen nach vorn, in die Weite. Oder ist ihr Blick auf den Betrachter gerichtet? (»Dich meinen wir; du bist hier angesprochen!«).

Eine ungewöhnliche und ungewohnte Darstellung. Künstler der alten Zeit der Romanik –Architekten, Bildhauer, Maler – bleiben in der Regel namenlos, sie treten hinter ihrem Werk zurück; hier aber steht in großer Schrift unübersehbar oben am Rand »Gofridus me fecit – Gofrid hat mich gemacht«: Wahrscheinlich ist »Gofrid« der Name des Auftraggebers, eines hohen Geistlichen oder eines Adeligen, und nicht der des Bildhauers. Trotz oder gerade wegen ihrer Starre kann dieses Relief aus der frühen Stilepoche der Romanik, der der Schwung, die Eleganz und die natürliche Feinheit späterer Zeiten abgeht, in seiner archaischen Art des Nebeneinander der Figuren und ihrer so ungewöhnlichen Ausrichtung beeindrucken: Man muss sie nur etwas länger in Ruhe betrachten.D.A.