Unverdiente Aufmerksamkeit

Vor dem Amtsgericht: Freispruch für zwei 21-Jährige der »Kameradschaft«

Zwei Freisprüche und eine Grundsatz­erklärung zum Thema: Vor dem Jugend­richter beim Amtsgericht Einbeck ist jetzt ein Vorfall vom 9. Juli des vergangenen Jahres verhandelt worden. Angeklagt waren zwei junge Mitglieder der sogenannten »Kameradschaft Einbeck«, die einen politischen Gegner angegriffen und genötigt haben sollen.

Einbeck. Aufgrund einer Zeugenaussage stellte sich die Situation jedoch anders dar, so dass das Gericht dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Freispruch in seinem Urteil folgte. Allerdings schickte der Richter dem Urteil einige Grundsatzbemerkungen zum Auftreten der rechten Szene in Einbeck hinterher.
Zwei 21-Jährige sollen an der Ecke Benser Straße/Häger Straße am Nachmittag des 9. Juli 2019 einen gleichaltrigen Göttinger in dessen Auto angehalten und gegen die Beifahrertür getreten haben – aufgrund unterschiedlicher politischer Ideologie, hieß es in der Anklageschrift. Aus Angst vor einer drohenden körperlichen Auseinandersetzung habe er eine rote Ampel an der Löwenkreuzung überfahren.

Die beiden Angeklagten, die sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ließen, machten vor Gericht keine Angaben: Die Aussagen würden der Polizei vorliegen, hieß es. Das könne und dürfe ihn allerdings nicht interessieren, betonte Jugendrichter Thomas Döhrel.

Zeugenaussage

Der Zeuge, ein heute 22-jähriger Göttinger, berichtete, er habe auf dem Weg durch Einbeck Angehörige der rechten Szene beim Telefonieren gesehen. Nach einem Einkauf sei er nicht auf direktem Weg wieder nach Hause gefahren, sondern in der Benser Straße noch einmal abgebogen in eine Nebenstraße. Wer da mit ausgestreckten Armen vor seinem Auto gestanden habe, wem er ausweichen musste, wer zuvor gegen die Beifahrertür getreten hatte: Seine Aussagen stimmten nicht mit der Anklage überein, allenfalls »bruchstückweise« seien sie identisch, so der Richter.

Keine gemeinschaftliche Nötigung

Der Vorwurf der gemeinschaftlichen Nötigung habe sich in der Verhandlung nicht erhärtet, stellte die Staatsanwaltschaft fest – entsprechend seien die Angeklagten freizusprechen. Dem folgte auch das Gericht; aber der Urteilsbegründung ließ der Richter einige weitergehende Bemerkungen folgen: Es passiere hier wieder das, was seit geraumer Zeit in Einbeck passiere, nämlich dass Personen einer gewissen politischer Couleur versuchten, auf sich aufmerksam zu machen. Niemand habe sie angesehen, bis es Gegenveranstaltungen und »eine Riesenshow« gegeben habe. Und das habe dazu geführt, »dass man sie anguckt – was sie nicht verdienen, weder menschlich noch mit ihrer politischen Meinung.« Dem Zeugen sei »etwas nicht Richtiges« passiert. Aber auch dies sei Propaganda für die Angeklagten und ihre politische Meinung, die man somit erneut wahrnehme. Straftaten müsse man verfolgen, und über nicht rechtsstaatliche Angelegenheiten dürfe man nicht hinwegsehen. Aber die Justiz so zu beschäftigen, könne nicht richtig sein. Das Handeln der Angeklagten sei durchaus kritisch zu sehen, doch in diesem Fall könnten sie nicht verurteilt werden. Die Sache sei deutlich zu hoch aufgehängt.

Sozialarbeit oder Dauerarrest

Ein weiteres Thema erledigte das Gericht in diesem Zusammenhang gleich mit: Beim älteren der beiden Angeklagten standen noch eine Geldstrafe beziehungsweise als Alternative die Umwandlung in 30 Stunden sozialer Arbeit aus. Dem sei er noch nicht nachgekommen, hieß es. Er solle sich eine Einsatzstelle suche, so der Richter. Erfolge das nicht, habe er einen einwöchigen Dauerarrest anzutreten.ek