Verstärkt das Augenmerk auf den ländlichen Raum legen

Landvolktag im Wilhelm-Bendow-Theater in Einbeck / Vorsitzender Danne: Landwirtschaft offen für Verbesserungen / Thema Krise

Einen gut besuchten Landvolktag hat das Landvolk Northeim-Osterode Kreisbauernverband jetzt im Wilhelm-Bendow-Theater abgehalten. Die Redner betonten die Bedeutung der Landwirtschaft, die nicht zuletzt mit Blick auf die Energiewende zugenommen habe.

Einbeck. Für die Volksbank Einbeck als Unterstützer der Veranstalter erklärte Vorstand Andreas Wobst, das Internationale Jahr der Genossenschaften sollte man zum Anlass nehmen, die gute Zusammenarbeit mit der regionalen Landwirtschaft zu unterstreichen. Der »German Mittelstand« sei innovativ und stark, und das gelte nicht nur für die Industrie, sondern auch für Handwerk und Landwirtschaft.

Die heimischen Kreditinstitute finanzierten und unterstützten den Mittelstand, das sei ihr ureigenste Funktion. Allerdings gebe es mit Blick auf europaweit gültige Regelungen auch Probleme, so Wobst weiter: Eine Landwirtschaftsfinanzierung sei keinesfalls risikoreicher als eine Staatsanleihe, auch wenn das zuweilen so gesehen werde. Das einzigartige mittelständige System, das man in Deutschland vorfinde, sei stark, stabil und erfolgreich - man sollte es erhalten und Schaden daran vermeiden.

Einbeck, so Bürgermeister Ulrich Minkner in seinem Grußwort, sei ländlich und landwirtschaftlich geprägt.Nach der Fusion mit Kreiensen sei man die flächenmäßig größte Stadt Südniedersachsens. Mit Blick auf die Tagesordnung freue er sich auf einen harmonischen Nachmittag. Bei der Zukunft des ländlichen Raumes klaffe die Schere immer weiter auseinander, bedauerte Landrat Michael Wickmann, beispielsweise wenn es um die Co-Finanzierung wichtiger Projekte gehe. Wirtschaftsförderung sei keinesfalls eine freiwillige Aufgabe, sondern der ländliche Raum müsse gepflegt werden – zurzeit verwildere er allerdings in einigen Bereichen. Die Landwirtschaft lobte er als zukunftsgewandt, beispielsweise hinsichtlich der Energiepolitik. Man tue gut daran, dörfliche Strukturen als wichtigen Faktor für Gegenwart und Zukunft zu erhalten. »Man kann der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum gar nicht genug Bedeutung einräumen. Mich haben Sie dabei an Ihrer Seite«, versicherte er.

Die stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der Landfrauen, Irene Strohmeyer, hob die Landfrauen als ein starkes Netzwerk hervor. Gemeinsam mit dem Landvolk bemühe man sich um das Wohl der Landwirtschaft. »Aus Tradition modern« laute das Motto, und zusammen kämpfe man in vielfältiger Hinsicht für das Leben auf dem Lande. Das Kochen mit Kindern zähle ebenso dazu wie der Dialog mit den Verbrauchern und zwischen den Generationen. Integration sei dabei kein leeres Schlagwort, sondern werde praktisch gelebt.

Boden, Arbeit und Kapital seien wichtig für den Erfolg der Betriebe, führte Landvolk-Vorsitzende Hartmut Danne aus. Gerade der Boden sei aber nicht vermehrbar. In den letzten Jahrezehnten habe man mehr als 800.000 Hektar Agrarfläche verloren, dabei müssten immer mehr Menschen weltweit von immer weniger Fläche ernährt werden. »Wie soll das weitergehen?«, fragte er, zumal die Energiewende ein großes Thema sei. Erneuerbare Energien seien politisch gewollt, aber bei der Tank-oder-Teller-Diskussion werde die Landwirtschaft von der Politik nicht in Schutz genommen. Danne wandte sich gegen den Flächenfraß durch Versiegelung, darüber müsse man immer wieder nachdenken. Die Landwirtschaft, fuhr er fort, sei auch deshalb ein besonderer Wirtschaftszweig, weil er mit der Natur arbeite – mit Lebewesen. Das bedeute hohe Verantwortung. Die Betriebe müssten, unter anderem wegen des Strukturwandels, wachsen. Dabei gebe es neue Zwänge, etwa bei der Massentierhaltung. Neue Ställe würden durchweg für bessere Bedingungen bei der Haltung stehen, aber das dringe leider zur Bevölkerung nicht durch. Deshalb sei er dankbar für die Aufklärungsarbeit der Landfrauen.

Das Landvolk, betonte der Vorsitzende, weiche der Diskussion nicht aus, und Verbesserungen würden, wenn es um Tierschutz gehe, unterstützt. Dabei sei Tierschutz allerdings häufig durch ideologische Vorgaben geprägt. Hier plädierte er dafür, den Gedanken an Nachhaltigkeit und Fairness zu erhalten.

Als Referent hatte das Landvolk erneut Folker Hellmeyer zu Gast, Chefanalyst der Bremer Landesbank. »Status Krise und Konjunktur – Marktausblick 2012« lautete der Titel seines kurzweiligen Vortrags. Die gegenwärtige Krisensituation sei ein Ergebnis gezielter Angriffe aus London und New York gegen Europa, stellte er fest. »Der Dritte Weltkrieg findet am Finanzmarkt statt«, so seine These. Der »homo oeconomicus« sei längst zum »homo panicus« geworden. Die Regelungen von Basel III bestraften diejenigen, die verantwortlich gehandelt hätten. Wirtschaft sei ein Marathon, das wüssten gerade die Landwirt genau. Angesichts immer neuer Maßgaben müssten die Marktteilnehmer aber auf Sprint getrimmt werden. Im vergangenen Jahr hätten Einflüsse von außen die Stimmung getrübt. Man dürfe aber feststellen, dass Deutschland der Profiteur der Krise sei. Das sei ein »Geschenk der Knoblauchzone«, das allerdings weitgehend ignoriert werde. Finanzvorteil in Milliardenhöhe habe kein anderes Land. Dass die Griechen nichts tun würden, um die gegenwärtige Situation zu verbessern, sei eine »pure Lüge«. 80 Prozent der geforderten Reformen seien umgesetzt, allerdings sei die Effizienz der Verwaltung nicht gegeben. Die Wirtschaft in Griechenland breche auch deshalb zusammen, weil laufend neue Vorwürfe erhoben würden. Er sehe Griechenland in einem gutem Fahrwasser, wobei aber ein Marshall-Plan gebraucht werde. Die Zerschlagung der Eurozone, warnte Hellmeyer, sei keine Lösung: Damit werde der Mittelstand zerstört. Auch andere Länder, denen die Krise anhaftet, fanden beim Referenten eine mindestens teilweise Rehabilitierung: Irland sei »relativ gesund«, und in Italien gab es unter Berlusconi das Problem, dass das Gehirn durch Libido ersetzt worden sei – dabei verfüge das Land über das höchste Staatsvermögen in Europa und sei sensationell aufgestellt. Die Eurozone sei ein »Paradepferd«, etwa bei der Neuverschuldung im Vergleich zu den USA, Großbritannien oder Japan. »Europa ist unser Geschäftsmodell, es ist auf einem fantastischen Weg, aber das wird nicht honoriert«, betonte er. Die Integrität der Eurozone dürfe man nicht in Frage stellen. Wenn Europa zerfalle, bekomme man eine Weltfinanzkrise, gegen die Lehman eine Petitesse gewesen sei. Damit einhergehen würde auch eine Destabilisierung der politischen Systeme, und Deutschland werde anschließend dastehen wie nach dem Dreißigjährigen Krieg. Entsprechend sollte man mit Europa angemessen umgehen. Spätestens zum Sommer, so seine Vorschau, werde das Wachstum anziehen, denn die Wirtschaft drücke von unten nach. Und wenn es keine politischen Fehler gebe, erwarte er, so Hellmeyer, eine profunde Wirtschaftsentwicklung von 1,5 Prozent, möglicherweise auch 2,5 Prozent. Er setze da auf die normative Kraft des Faktischen. Man könne derzeit als Europäer mit geradem Rücken gehen.ek