Viel Liebe und Zuneigung für Neugeborene

Förderverein und Hebammenpraxis »Luna« informieren über die frühkindliche Bindung zwischen Mutter und Kind

»Mit Liebe und Zuneigung kann man ein Kind nicht verwöhnen« – das stellte die Kinderkrankenschwester und Stillberaterin Ellen Schoppe heraus, die zusammen mit Dr. Henning Grastorf, Chefarzt vom Agaplesion-Krankenhaus in Holzminden, einen Vortrag im Einbecker Bürgerspital hielt. Auf Einladung des Fördervereins des Spitals und mit Unterstützung der Einbecker Hebammenpraxis »Luna« referierten die Experten über die Früh­bindung von Mutter und Kind nach der Geburt, im Kreißsaal und im OP.

Einbeck. Gut »gebundene« Kinder entwickeln ein gutes Ur-Vertrauen und damit Selbstvertrauen, erklärte Ellen Schoppe, Kinderkrankenschwester, Still- und Laktationsberaterin, in ihrem Vortrag. Aus ärztlicher Sicht hob Dr. Grastorf hervor, dass in Holzminden »so  wenig Technik wie möglich, aber so viel Technik wie nötig« eingesetzt werde. CTG, Ultraschall – modernste Geräte stehen in Holzminden bereit, allerdings im Hintergrund, denn im Kreißsaal sei »weniger  oft mehr«. Die Geburtenzahl, berichtete er, habe im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gesteigert werden können, gleichzeitig  wurde die Kaiserschnittrate, die durchschnittlich bei 30 bis 33 Prozent liegt, auf 25 Prozent gesenkt. »Star« sei allerdings nicht der Arzt, sondern die Mannschaft, die in Holzminden »Hand in Hand« arbeite.

Als Still- und Laktationsberaterin soll Ellen Schoppe die Brücke schlagen zwischen Kinderärzten und Gynäkologen. 23 Jahre hat sie im Einbecker Krankenhaus gearbeitet, seit zehn Jahren jetzt in Holzminden. Die frühe Bindung des Neugeborenen mit den Eltern sein immens wichtig, stellte sie fest. Die ersten ein bis zwei Stunden nach der Geburt seien eine sensible Phase, denn dann seien Mütter und Kinder besonders aufmerksam füreinander. Die Bindung zwischen Mutter und Kind könne man auch nachholen, räumte sie, ein, aber in den ersten Stunden  sei sie besonders leicht aufzubauen.

Nackt auf dem Bauch der Mutter: die Neugeborenen  erlebten das mit allen Sinnen. Sie orientieren sich an den Duftstoffen – die Muttermilch schmeckt wie das Fruchtwasser, die Babys erkennen vertraute Stimmen. Versuche haben gezeigt, dass die Neugeborenen zur Brust der Mutter krabbeln. Der Hautkontakt sei wichtig, am besten in ruhiger Atomsphäre. Das Personal soll sich zurückziehen und damit Eltern und Kind ein ungestörtes Kennenlernen ermöglichen. Erst nach ein bis zwei Stunden werden die Babys gewogen und vermessen oder auch eventuell gewaschen oder mit Medikamenten versorgt. Denn zunächst stehe die Befriedigung aller Sinne im Vordergrund.Auch nach einem Kaiserschnitt mit einer PDA (örtliche Betäubung) werde in Holzminden das »Bonding« praktiziert. Ohne Unterbrechung des Hautkontakts würden Mutter und Kind aus dem OP in den Kreißsaal gebracht. An die Stelle der Mütter kann auch der Vater rücken, der mit dem Kind in Hautkontakt trete, erklärte Schoppe, beispielsweise nach einem Kaiserschnitt mit Vollnarkose. Sie ermunterte die Eltern, ihre Wünsche zu äußern.

Der Hautkontakt zwischen Eltern und Kind habe konkrete Auswirkungen:  eine stabilere Körpertemperatur,  ein stabilerer Blutzuckerspiegel und stabilere Sauerstoffwerte. Eine gute »Bonding-Phase« sorge für weniger Schreien beim Baby. Bei einer gelungenen Bindung treten weniger Atemprobleme auf, ein besseres Saugverhalten beim  Stillen, eine längere Gesamtstilldauer und weniger Stillprobleme.

Vorteile des frühen Anlegens seien eine erhöhte Milchmenge, eine bessere Kommunikation zwischen Mutter und Kind, ein Schutz für die Mutter vor verstärkter Nachblutung, die Befreiung der Atemwege des Kindes von Schleim und die schnellere Ausscheidung von Mekonium (Kindspech). Zudem trete seltener die Neugeborenengelbsucht auf, die Mütter hätten seltener starken Milcheinschuss.

Neugeborene, so Schoppe, brauchen die volle Aufmerksamkeit. Mutter und Kind seien ein »kompetentes Team«, das in Holzminden unterstützt werde – mit Tipps, Gesprächen und medizinischer Unterstützung oder Stillberatung. Abschließend plädierte Schoppe für viel Liebe und Zuneigung, denn damit könne man ein Kind nicht verwöhnen.Ingrid Priesmeier von der Hebammenpraxis »Luna« demonstrierte abschließend Tragemöglichkeiten für Säuglinge, die früher auch »Traglinge« genannt wurden. Sie freute sich, dass das Denken und Handeln der Hebammenpraxis »Luna« im Vortrag anschaulich dargestellt wurde. Reinhold Galinski, zweiter Vorsitzender vom Förderverein des Bürgerspitals, war sicher, dass der  Vortrag viel  Interessantes in den Fokus gerückt habe. Dr. Grastorf und Stillberaterin Schoppe hätten sich nicht träumen lassen, dass sie – beide haben vor Jahren am Einbecker Krankenhaus gearbeitet – jemals hier Vorträge halten und für die Geburt an einem anderen Ort werben würden. Die Geburtshilfliche Abteilung am Einbecker Krankenhaus wurde Mitte 2004 geschlossen.sts