Wichtige Ideale pflegen – und auf Utopie nicht verzichten

Werte, Normen, Eigennutz: Themen beim Neujahrsempfang der Loge und das Vortragsjahr für »Georg zu den drei Säulen« / Konzert

Mit Werten, Normen und Eigennutz hat sich der Neujahrsempfang der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« beschäftigt. Sowohl Rainer Koch als Meister vom Stuhl als auch Festredner Hartwig Kloevekorn, verantwortlich für das Deutsche Freimaurer-Magazin »Humanität«, setzten sich mit dem Themenkomplex auseinander. Zudem hatten die Besucher erneut das Vergnügen, ein hochklassiges Konzert junger Künstler geboten zu bekommen.

Einbeck. »Werte, Normen, Eigennutz – was ist es, was uns lenkt?«, damit verwies Rainer Koch, der Meister vom Stuhl, auf das Jahresthema der Einbecker Freimaurerloge und die zentrale Überschrift der kommenden Vorträge in der Bauhütte. Jeder Mensch, so Koch, habe eigene Maßstäbe für Werte. Die Grundlage werde in der Kindheit gelegt mit Anweisungen wie »Das tut man nicht« und »Benimm dich anständig.« Niemandem zu schaden, tolerant und uneigennützig zu sein, das sei das Fundament einer guten Kinderstube.

Wie man mit Demokratie, mit Recht und Moral umgehe, dafür liefere die gegenwärtige Diskussion in den Medien ein Beispiel. Neben der Norm der Bewertung stehe hier auch Eigennutz, nämlich das Streben nach Auflage. Recht und Moral seien richtige Maßstäbe, Fairness und Anständigkeit ebenso. Das habe auch die Einbecker Loge in den 215 Jahren ihres Bestehens unter Beweis gestellt – unter anderem mit Ritualen, von denen manche fast unverändert seien.

Seit 1998 zeichnet Hartmut Kloevekorn aus Hamburg für das Freimaurer-Magazin verantwortlich. Im vergangenen Jahr, stellte er rückblickend fest, sei »nicht wenig« passiert. Selten habe es wohl innerhalb eines Jahres eine solche Fülle von Ereignissen gegeben mit so starkem Einfluss auf das gesellschaftspolitische Bewusstsein. Hoffnungsfroh habe der Sturz von Diktaturen gestimmt, sorgenvoll dagegen die Finanzkrise, die die Volkswirtschaft noch immer in Schach halte: »2011 hatte es in sich.«

Werte definierte er als zwischen Menschen bestehende Übereinkunft über das Zusammenleben. Normen seien die Grundlage für die Bewertungen. Dabei würden sich Werte und Normen aber in fließendem Übergang befinden. Wichtig sei es, die Achtung vor sich selbst zu erhalten, seine Pflicht zu erfüllen, den Nächsten zu achten, der Gemeinschaft zu dienen, Werkzeug für sittliche Ideale zu sein und den eigenen Selbstzweck zu erkennen. Diese Vorgaben aus dem Konstitutionsbuch der Freimaurer seien »unser Grundgesetz«. Die Logen, blickte er in die Geschichte, seien Verfechter der Aufklärung gewesen, sie hätten Schutz geboten und Toleranz, Brüderlichkeit und Humanität gelebt. Aufklärung habe sich aus den Logen in die Welt und zurück verbreitet. So sei ein Geben und Nehmen über Generationen entstanden. Das Wollen einer sittlichen Grundhaltung im Sinne des Kant’schen Sittengesetzes sei dabei ebenso wichtig wie der Erfolg. Das Suchen nach Wahrheit sei erstrebenswert. Eine Religion, in der alle Menschen übereinstimmten und in der es weniger Krieg, Hass und Verfolgung gebe, sei eine Utopie – zu schön, um wahr zu sein. Freimaurer lehnten Fundamentalismus ab, sie seien keine Heilsverkünder. Nur Toleranz stifte Frieden und halte die Gesellschaft zusammen. Wenn der Meister vom Stuhl als Amtszeichen das Winkelmaß trage, stehe das für Rechtschaffenheit und Wahrheit gegen sich selbst und gegen andere. Gerecht gegen sich selbst und gegen andere zu sein, so zu handeln, dass man Achtung vor sich selbst behalte, das seien große Herausforderungen, deren Erfüllung nicht gelingen könne. Vielmehr müsse man lebenslänglich daran arbeiten und sich selbst annehmen. Der Mensch sei gefordert, das Beste aus sich zu machen, die Ecken am »rauhen Stein« abzuschlagen, damit sich das Winkelmaß der Wahrheit anlegen lasse.

Neben Werten und Normen stehe der Eigennutz, und hier plädierte Kloevekorn dafür, sich zurückzuhalten bei vorschnellen Urteilen. Zwar verkauften sich schlechte Nachrichten besser, und die Brisanz der Schieflage in der Finanzkrise erkenne auch der Laie: Panik löse Panik ab, ganze Staatshaushalte könnten somit – aus Eigennutz – zum Einsturz gebracht werden. Dieses diabolisch zerstörerische Werk sei kaum mit ethischen Grundsätzen zu vertreten. Als Beispiel der Balance aus Eigennutz und Gemeinwohl nannte der Hamburger den »ehrbaren Kaufmann« seiner Heimatstadt, und auch in Einbeck gebe es Beispiele dafür. So habe die Loge hier schon kurz nach ihrer Gründung 1797 Autoritäten aufgenommen, unter ihnen 1807 auch Morphium-Entdecker Friedrich-Wilhelm Sertürner. Im 19. Jahrhundert wurden bedürftige Einwohner durch die Einrichtung einer öffentlichen Speiseanstalt unterstützt, und Schüler erhielten Milch und Brötchen. Zum 100-jährigen Bestehen wurde der Bau eines Altenheims beschlossen, das 1902 am Hubeweg als Johannisstift eingeweiht werden konnte.

»Die Courage für Gutes setzt sich durch«, bilanzierte der Referent. Beharrlich habe sich die Loge zu ihrer Verpflichtung bekannt, ein Modell für menschliches Miteinander zu sein und verantwortungsbewusste Staatsbürgerlichkeit zu leben. Das Unrecht abzuwehren, dabei Not und Elend nicht den Rücken zu kehren und an sich selbst zu wachsen, das seien wichtige Ideale, bei denen man auch auf Utopie nicht verzichten wolle. Man mache sich auf den Weg, »obwohl wir wissen, dass wir das Ziel nicht erreichen.«Mit Alexander Haupt, Klavier, Marlene Wette, Sopran, und Meng Sun, Klavier, waren erneut hochbegabte junge Musiker eingeladen, die mit ihrem Talent beeindruckten. Ob Chopin, Britten, Eisler, Schumann oder Mendelssohn-Bartholdy: Das Konzert bot ein breites, ausdrucksvolles Programmspektrum, dessen erstklassige Interpretation mit reichhaltigem Beifall bedacht wurde.ek