»Willhelm Tell« wurde mit viel Wortwitz präsentiert

»Stillen Hunde« inszenierten Schweizer Heldenepos in Stadtbibliothek / Publikum wurde Nationalhymne und Rütlischwur eingestimmt

Vielstimmig und vielbärtig, ernst und auch immer mal wieder erfrischend präsentierten die »Stillen Hunde« alias Stefan Dehler und Christoph Huber im Lesesaal der Einbecker Stadtbibliothek Friedrich Schillers »Wilhelm Tell«, und sie drückten der Schweizer Nationalsage ihren eigenen Stempel auf.

Einbeck. Mit ihren witzigen Interpretationen zahlreicher klassischer Stoffe, wie Casanova, Dracula, Sherlock Holmes und Mark Twain hatten Stefan Dehler und Christoph Huber als »Stillen Hunde« in den vergangenen Jahren bei unzähligen Auftritten in der Region für Heiterkeit gesorgt, so dass viele Gäste in den Lesesaal der Stadtbibliothek gekommen waren, um sie bei ihrer Interpretation von Friedrich Schillers »Wilhelm Tell« zu erleben. Dehler und Huber, idealerweise ein deutsch-schweizerisches Team, präsentierten das schweizer Heldenepos leicht gekürzt, und sie brachten das Drama mit viel Wortwitz und Situationskomik, aber auch mit vielen Bärten, Hüten und Kleinrequisiten den Zuschauern näher.

Zu Beginn stellte sie die Vermutung an, dass die Zuschauer gekommen waren, um sich über die Schweiz und das Nationaldrama zu informieren oder um der Fußballübertragung zu entfliehen. Um die Neugierde auf die Eidgenossen und das Nachbarland weiter zu stillen, informierten sie, dass die ehemalige Nationalhymne »Rufst du, mein Vaterland« dieselbe Melodie wie »God save the Queen« habe, was bei Siegerehrungen, vor allem beim Skispringen, zu Verwechslungen führte, dass die Nationalsportarten Schwingen oder Hornussen seien, dass »Tschüss« in der Schweiz »Hallo« bedeute oder dass »langsamer Verkehr« Radeln, Wandern, Walken, Bootfahren oder Skaten bezeichne.

Eingestimmt durch die schweizer Nationalhymne, die alle Zuschauer mitsingen mussten, setzte sich das Schauspieler-Duo mit dem 100-seitigen Heldenepos auseinander, das nicht von den Schweizern oder Friedrich Schiller erfunden wurde, sondern seine Wurzeln in mittelalterlichen skandinavischen Sagen hat. 

Mehr als drei Stunden boten die Schauspieler abwechslungsreiche Unterhaltung, bei der sie ihre Mimik und Gestik immer treffend, situativ und gekonnt einsetzten. Umgeschnallte leere Bierkästen, die mal als Sitzgelegenheit oder mal als wippendes Pferdehinterteil fungierte, ein Pümpel als Armbrust oder Zuschauer, die in die Geschichte mit eingebunden wurden, zum Beispiel um das Schwingen zu demonstrieren oder um die Anzahl der Akteure auf der Bühne als zu erhöhen, Huber und Dehler hatten immer wieder skurrile und witzige Ideen, die für viele Lacher sorgten. Weiter wechselten die Schauspieler die Charaktere mit verschiedenen Hutmodellen, Kopftüchern und Bärten, so dass zum Beispiel Huber den heldenhaften Wilhelm Tell, aber auch eine staubsaugende Putzfrau aus dem Kosovo darstellte.

Drei Leitern um das Podest bildeten die schweizer Alpen, die von Lichtergirlanden erhellt wurden. Bei Nachtszenen drehten die Schauspieler die Lampen mit Kopftüchern aus, so dass sie sich nur noch mit LED-Lampen orientierten, um das »verdunkelte« Drama weiter fortsetzen zu können und um die Frage »Was sehe ich eigentlich?« beantworten zu können.

Erfrischend unernst berichteten Dehler und Huber auch von skrupellosen österreichischen Besatzern, von grundehrlichen Schweizer Bergbauern, vom Hut auf der Stange, von Kindern, die sich nicht vorstellen können, in einem Land zu leben, das keine Berge hat, vom Vorteil einer Axt im Haus, vom Attentat des Titelhelden in der hohlen Gasse und natürlich vom Apfelschuss. Wenn notwendig jodelten sie sogar, erklären das Wesen der Eidgenossen und banden das Publikum beim Rütlischwur mit ein. Oft beraubten sie auch das Drama seines Ernstes, wenn zum Beispiel »Tell«-Bier konsumiert wurde, das zu bewussten Versprechern wie »Olé, olé« statt »Ulli, Ulli« führte, oder wenn in die Geschichte integrierte Gastarbeiter ihren eigenen Touch und ihre eigene Sprache bekamen.

Am Ende der Veranstaltung war der Kaiser tot und die Akteure erschöpft, doch erhielten sie für ihre intensive und kurzweilige Tell-Interpretation viel verdienten Applaus.mru