»Wir müssen die Strukturen an die Entwicklung anpassen«

»Kommunen in Not«: ver.di-Ortsverein lud politische Akteure aus Kreis- und Landesebene zur Podiumsdiskussion ins Alte Rathaus ein

Wachsende Schulden, Einbußen bei den Steuereinnahmen und ein stetiger Rückgang des Bürgerangebots – zum Thema »Kommunen in Not« lud der ver.di-Ortsverein vor kurzem zu einer Podiumsdiskussion ein. Neben den Bürgermeistern aus Einbeck und Bad Gandersheim, Ulrich Minkner und Heinz-Gerhard Ehmen, kamen die Landtagsabgeordneten Christian Grascha (FDP) und Uwe Schwarz (SPD) sowie der Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Süd-Ost-Niedersachsen, Sebastian Wertmüller, zu Wort. Peter Zarske, ver.di-Ortsvereinsvorsitzender, übernahm die Moderation.

Einbeck. Einen kurzen Einblick in die momentane Situation der Gemeindeverwaltungen gab Bürgermeister Ulrich Minkner in seinem Referat. Darin bemängelte er die andauernde Verarmung der Kommunen, die sich auch im Personalbereich durch den Konsolidierungskurs niederschlage.

Die Verschuldung des Stadthaushalts liege derzeit bei 16 Millionen Euro, hinzu kämen 25 Millionen Kassenkredite. Im Finanzhaushalt drückten aber besonders die Sozialabgaben, die »von 2000 bis 2009 um 52 Prozent gestiegen« sind, erklärte Minkner. Zudem ergäben sich in allen Ebenen höhere und teurere Standards. Somit drehe sich die Kostenspirale weiter nach oben. Auch die Schwerpunkte Bildung, Integration und demographischer Wandel benötigten gewachsene Standards, die zwar berechtigt seien, aber den Haushalt weiter in Schieflage brächten. Die Folge seien Einschränkungen, durch das Zusammenstreichen der Aufgabenbereiche sowie Steuererhöhungen oder die Veräußerung von Infrastrukturen. Städtische Liegenschaften wie die Stadtwerke oder die Wohnungsbaugesellschaft zu behalten, hielt Minkner dennoch für sinnvoll. »Ich bin der Meinung, dass man mit gesunden Betrieben etwas bewegen kann«, erläuterte er.

Als Konsequenz der Misere der Kommunen müsse unter anderem weiter für den Erhalt der Gewerbesteuer gekämpft werden und die Gemeindefinanzreform zu einem vernünftigen Ergebnis geführt werden. Den Zukunftsvertrag sehe er als halbe Mogelpackung an, da sich, wenn das Gros der Kommunen fusioniert, das Geld vom Land ähnlich verteile wie aktuell. Abschließend forderte er unter anderem eine Stärkung der Selbstverwaltung und mehr unternehmerische Freiheit.

In einer Frage- und Antwortrunde deutete Grascha hinsichtlich der kommunalen Verschuldungen in Niedersachsen auf die strukturellen Unterschiede in den einzelnen Regionen hin. »Der Norden und Nordwesten hat weniger Probleme als der Süden Niedersachsens«, stellte er fest. Einsparpotenziale gebe es im Verwaltungs- und Bürokratiebereich. Die Gewerbesteuer halte er in Krisenzeiten für keine hinreichende Geldquelle.

»Wir müssen unsere Strukturen an die Bevölkerungsentwicklung anpassen«, forderte Ehmen auf. Dabei wüchsen die Aufgaben in allen Bereichen, aber der Verwaltungsapparat könne diese nicht mehr bewältigen. Im Zuge  der Sparzwänge zeigten die Bürger Verständnis, »die sind bereits weiter als die Politik«, merkte er an. So hätten sich viele Bürger ehrenamtlich eingebracht, um die Konsolidierung zu unterstützen.Wertmüller hingegen sah das freiwillige Engagement besonders in Großstädten als problematisch an: »Dort ist mit Ehrenamt nichts zu erreichen.« Zudem kenne die Kommune hinsichtlich der Sparzwänge nur wenig Handlungsfelder. Neben der »Verscherbelung kommunalen Eigentums« träfe es auch das Personal. Vielfach wären die kommunalen Leistungen und Ausstattungen nicht mehr der heutigen Wirtschaft würdig.

Eine klare Verteilung der Aufgaben sowie eine überarbeitete Struktur in den Gemeinden forderte Uwe Schwarz. So müsse geklärt werden, was zum Kernbereich der Daseinsfürsorge gehöre. Auch eine Effizienzprüfung und die demografischen Veränderungen sind im weiteren Prozess zu berücksichtigen. »Wir müssen uns auf Kreis- und Gemeindeebene ohne Zwänge neu orientieren«, mahnte er an. Eine Chance biete sich bei der angedachten Fusion zwischen Kreiensen, Einbeck und Bad Gandersheim. »Ich hoffe, dass der Prozess mit Stabilität befolgt wird«, fügte der SPD-Landtagsabgeordnete an. Im Rahmen möglicher Alternativen forderte Schwarz auf, die Gewerbesteuer und die Reform der Grundsteuer zu überarbeiten und in Zukunft neue Verwaltungsstrukturen zu schaffen.

»Es ist die Frage, was bei Mehreinnahmen in den Gemeinden ankommt«, merkte der Bad Gandersheimer Bürgermeister an. Generell würden die Kommunen auf sich selbst gestellt sein. So seien Ideen und Gedanken notwendig, wie man mit dieser Situation umgeht. Neben effizienteren Strukturen wünschte er sich »ein Besinnen darauf, was die jeweilige Region ausmacht.« Ebenfalls sei die Ansiedlung von Gewerbe und die dadurch resultierende Bildung von Arbeitsplätzen notwendig.

Die Verantwortung müsse in den Gemeinden vor Ort stärker wahrgenommen werden, forderte Grascha. Auch eine Schuldenbremse halte er für richtig: »Es schafft die Möglichkeit, dass die Politik diszipliniert wird.« Zudem sorge eine zügellose Ausgabenpolitik ohne vernünftige Einnahmen für eine Gefährdung der Währungsstabilität. Es müsse in Zukunft darauf hingearbeitet werden, dass sich die Regionen auf die demografische Entwicklung einzustellen haben, und auch ältere Menschen in diesen Prozess eingebunden werden.

Um die demografische Entwicklung etwas zu entschleunigen, sieht Minkner die Notwendigkeit, das Bildungsangebot zu stärken und somit den Facharbeitermangel auszugleichen. Es müssten zudem die Aufgaben weiter nach unten verlagert werden, um eine bürgernähere Verwaltung zu haben. Im Bereich der Regionalisierung deutete Wertmüller auf die Notwendigkeit einer Wirtschafts-, Bildungs- und Beschäftigungsförderung: »Das sind Dinge, die im besten Interesse erledigt werden müssen.«thp