Zusammen Druck machen, damit sich etwas tut

Kita-Streik: Eltern und Erzieherinnen wollen an einem Strang ziehen, damit Arbeitgeber sich bewegen | Rückzahlung

Einbeck. Die Eltern sind unzufrieden, die Kinder sind unglücklich, und für die Gewerkschaft ver.di ist die Situation ebenfalls unbefriedigend: Seit rund drei Wochen wird in den Kindertagesstätten gestreikt. Zu einem Informationsabend für Eltern hatten die Gewerkschaft und Erzieherinnen jetzt eingeladen. »Es geht nicht nur ums Geld«, das erläuterten sie mit Blick auf die Gründe des Streiks.

Nach mehrwöchigem Streik stehen alle Seiten inzwischen »auf dem Schlauch«, das wurde aus zahlreichen Elternbeiträgen, aber auch aus den Berichten der Erzieherinnen deutlich: »Wir brauchen Sie als Unterstützung«, machten sie den Vätern und Müttern klar.

Viele Zahlen, die zu den Gewerkschaftsforderungen im Umlauf seien, seien unrealistisch, hieß es weiter. Gewerkschaftssekretär Lothar Richter betonte, es gehe darum, die Arbeit von Erziehern und Sozialarbeitern endlich so aufzuwerten, wie es sich gehöre. Die Bezahlung, zumal bei Teilzeitbeschäftigten, könne in die Altersarmut führen. Zum Verhandlungsstand am Mittwochabend sagte er, dass nach derzeit fünf Gesprächsrunden kein einziges Angebot der Arbeitgeber gekommen sei, das man als solches werten könne, und auch kein Schlichtungsvorschlag. »Aber vor der Schlichtung brauchen wir ein Angebot«, so Richter. Er vermisse bei den bisherigen Gesprächen die Wertschätzung der Beschäftigten: mehr Lohn, aber auch eine Aufwertung der Arbeitsbedingungen.

Zwei Kräfte für 25 Kinder, das sei heute pädagogisch nicht mehr zu vertreten, stimmten die Erzieherinnen zu. »Wir wollen gute Arbeit leisten, aber Erziehungs- und Sozialberufe brauchen einen besseren gesellschaftlichen Stellenwert.« Nach vierjähriger Ausbildung würden die Beschäftigten eine hohe Qualität mitbringen, für die materielle und immaterielle Anerkennung notwendig sei. Die nächste Tagung der Kommunalen Arbeitgeberverband stehe unmittelbar bevor, berichtete Richter. Wenn dann ein Angebot komme, werde man überlegen, ob es ausreiche; entsprechend werde der Streik dann ausgesetzt oder beendet. Dass die Situation noch nicht geklärt werden konnte, liege einzig und allein daran, dass sich die Arbeitgeber keinen Deut bewegt hätten. »Das habe ich so noch nie erlebt«, betonte Richter. Es sei wirklich an der Zeit, dass die Gespräche Erfolg hätten, sonst wäre das an Arroganz nicht mehr zu überbieten. Die Forderungen der Gewerkschaften umfassen unter anderem eine Höhergruppierung von Gehaltsgruppe 6 in 8; das entspricht 110 Euro brutto als Einstiegsgehalt in Vollzeit.

ver.di habe natürlich großes Interesse daran, die Situation zu klären, bekräftigte Lothar Richter. Das Interesse der Arbeitgeber schätze er allerdings als nicht so groß ein. Dass sie lieber heute als morgen wieder arbeiten würden, bestätigten die Erzieherinnen, aber sie wiesen auch auf Probleme hin: »Wir haben eben nicht so eine Lobby wie Bahn oder Post.«

»Wir müssen jeden Tag den Kindern erklären, dass sie nicht in den Kindergarten gehen können«, sagte eine Mutter aus einem bestreikten Kindergarten. »Das tut Ihnen als Eltern weh, aber wir wollen Sie gar nicht treffen«, so die Erzieherinnen. Das bisherige Ausmaß des Streiks habe man so gar nicht erahnt. Wenn man jetzt aufhöre, bedeute das aber, dass man die bisherigen drei Wochen in den Sand gesetzt habe. Die Eltern wünschten sich aber auch, besser informiert zu werden:?»Derzeit macht die Gewerkschaft es allein«, so die Kritik, man wäre gern stärker eingebunden. Zudem dürften berufliche und Gehaltssituation keine Überraschung sein: Wer diesen Beruf ergreife, wisse, worauf er sich einlasse, auch mit der Option, Teilzeit zu arbeiten. Kritik ging in Richtung der Stadtverwaltungen. Während Dassels Bürgermeister Gerhard Melching  den Eltern keine Gebühren erstatten will, gibt es bei der Stadt Einbeck noch keine Entscheidung dazu: »Es ist eine Frechheit gegenüber den Familien, dass die Stadt entscheidet, die Gebühren einzubehalten. Die Stadt reibt sich doch die Hände.« Die Gebührensatzung, hieß es einschränkend, sehe eine Rückzahlung aber auch nicht vor: Ein Streik sei höhere Gewalt. Etwas ausrichten könnte man vielleicht mit entsprechenden Anträgen, um immer wieder das Thema aufzugreifen und auch Druck auf die Politik auszuüben, aber auch das Jugendamt sei in der Pflicht, eine Betreuung zu gewährleisten.

Um die Erzieherinnen in ihren Anliegen aktiv zu unterstützen, wollen die Eltern die Einwohnerfragestunden in den kommenden Ratssitzungen nutzen: am 3. Juni in Einbeck und am 4. Juni in Dassel. »Wenn Sie weitere Aktionen planen, kann ver.di Sie bei der Organisation unterstützen«, sagte Lothar Richter zu.

Auch die laufende Online-Petition sei geeignet, öffentlichen Druck zu erzeugen, genau wie Unterstützungskarten. Auch wenn das zunächst nur klein aussehe, seien das viele Steine, die zum Erfolg führen könnten, wenn es darum gehe, die Beschäftigten anständig zu bezahlen und Kinder in einer pädagogisch sinnvollen Umgebung zu betreuen.

»Wir haben Ihnen vermutlich nicht das gesagt, was Sie sich gewünscht haben«, räumten die Erzieherinnen ein. Man wünsche sich aber, zusammen »dran« zu bleiben und Druck zu machen, damit sich auf Arbeitgeberseite etwas tue.ek