Zwei Hauptfiguren, ein Darsteller

Hospizbewegung organisierte Theaterstück zum Thema Demenz im Alten Rathaus

Die Themen Altern, Vergessen, Erinnerung, Nähe, Distanz sowie Verständigung, Liebe und Lebensqualität zeigte der Wandlungskünstler Martin Leßmann bei seinem Auftritt im Alten Rathaus. Mit viel Gefühl, Einfühlungsvermögen und überzeugender Schauspielkunst präsentierte er das Werk von Joop Admiraal, »Du bist meine Mutter«, den 120 Zuschauern. Organisiert von der Einbecker Hospizbewegung, waren die Anwesenden von der Darbietung des Künstlers und dem gelungenen Abend begeistert.

Einbeck. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Hospizbewegung Einbeck bereiteten den Abend im Alten Rathaus mit viel Hingabe, Fleiß und Elan vor, so dass Petra Heusy ihren Kollegen dankte und die Hilfe von Regina Thies hervorhob. In der ehrenamtlichen Arbeit der Bewegung steht der sterbende Mensch im Vordergrund, so dass er menschlich begleitet und ihm ein Abschied in Würde ermöglicht wird. Wie dieses in einem Schauspiel aussehen kann, zeigte Martin Leßmann, unterstützt von Gero John am Violoncello.

Er präsentierte Joop Admiraals Werk »Du bist meine Mutter« mit einer Mischung aus Ernst und Humor, Furcht und Zuversicht sowie Zweifel und Sicherheit. In dem Ein-Personen-Stück geht es darum, dass der schon leicht ergraute Sohn jeden Sonntag seine an Demenz erkrankte Mutter im Heim besucht. Bei ihr dreht sich alles nur noch um dieselben Dinge - das Anziehen, das Trinken des Kakaos oder den Blick in den Park. Dies sind Anlässe für ständige Erinnerungsversuche sowie für Kommunikationsansätze mit dem Sohn. Die Treffen sind zwar für beide Seiten schmerzlich, doch ebenso in gewisser Weise tröstlich. Mit den automatisierten Floskeln der Gespräche wird die eigene Vergangenheit immer wieder aufs Neue in die Gegenwart geholt und ein Stück weiter verarbeitet. Die zahlreichen Stereotype scheinen nicht nur der Mutter Kraft und Orientierung zu geben, denn der Sohn erkennt in solchen einstudiert klingenden Dialogen ebenfalls die gewohnten und geliebten Züge der Mutter wieder, was beiden Mut und Hoffnung gibt. In lichten Momenten scheinen der Entfremdungprozess und das stetige Verabschieden aufgehoben zu sein, doch bringt die Krankheit immer mehr die deprimierenden und kontinuierlich weiterschreitenden Rückschritte hervor.

Leßmann, der in einem ständigen Wechsel beide Rollen bekleidet, ohne lächerlich zu wirken, lässt durch sein authentisches wie teilweise ebenso skurriles und groteskes Spiel eine Spannung entstehen, die die Zuschauer in der Bann zog. Selbst wenn er sich in Zeitlupentempo mit einer Bluse bekleidet, wirkt dies durch seine mit viel Empathie dargestellte Gestik und Mimik orginalgetreu. Die zittrige Stimme der Mutter, das aufmüpfige Bestehen auf die richtige Erinnerung oder das Rückbesinnen auf manch bittere Ehestunden – der Schauspieler skizziert behutsam die Konturen einer alternden Frau, ohne absichtlich Pointen zu setzen. Selbst wenn Komik in mancher Situation aufkommt, die aus auftauchenden Erinnerungsrudimenten entsteht, behält der Sohn bei seinen Besuchen das wachsame Interesse und die kritische Distanz. Sogar wenn die Mutter aus dem Bett fällt und sich die Hüfte bricht oder wenn sie nicht mehr Sprechen kann, ereilt ihn kein Schrecken.

Die überzeugende Darstellung eines nicht einfachen Themas honorierten die Zuschauer mit großem Beifall, so dass die beiden Künstler, Leßmann und John, oft zur Verbeugung vor die Zuschauer treten mussten. Beim anschließenden Zusammensein sprachen die Gäste und die Mitglieder der Einbecker Hospizbewegung noch lange über die Darbietung und die Vergleichbarkeit mit dem Ablauf im täglichen Leben.mru