Zwischen Jugendwahn und Rentenpanik

Kabarettist Peter Vollmer begeistert die »Bockbier-Brasilianer« und muss zwei Zugaben geben

Bissig, pointensicher und spritzig – mit seinem Best-of-Comedy-Programm überzeugte Peter Vollmer, der auf Einladung des Einbecker Kulturrings in Einbeck gastierte, die Besucher im Alten Rathaus. »Wenn Männer zu sehr 40 werden« – dieses Themas nahm sich der Kabarettist auf amüsant-treffsichere Weise an. Erst nach zwei Zugaben wurde er vom Einbecker Publikum von der Bühne entlassen.

Einbeck. Seinem Publikum offenbarte er das ganz große Dilemma der Männer um 40: Die Selbsteinschätzung schwankt zwischen Ironman und Pflegefall. Man darf jetzt alles, geht aber doch lieber früh ins Bett. Vollmer präsentierte das Beste aus 15 Jahren Solo-Kabarett und zog dabei eine Bilanz seiner ersten Lebenshälfte: Wie steht ein Mann heute da, wenn er seine Prägung in den Wohngemeinschaften der 80er Jahre erfahren hat? Er musste ja unbedingt für die Gleichberechtigung der Frau eintreten – jetzt macht er den Salat. Und er muss erkennen: Die wahren Freuden des Lebens lernt man erst dann zu schätzen, wenn sie einem der Arzt verboten hat.

Mit feinem Gespür für die Befindlichkeiten von Männern an der Schwelle zur Midlife-Crisis lieferte der Kabarettist ein humorvolles und selbstironisches Portrait einer Männergeneration zwischen Jugendwahn und Rentenpanik: Der Mann ab 40 muss an vielen Fronten kämpfen – gegen einen Körper mit unerwünschten Ausmaßen. Ein gesunder Körper, glatte Haut und Bauchmuskeln, auf denen man Möhren raspeln kann – der Mann in der Mitte des Lebens sieht im Spiegel, dass das eine Utopie ist. Der Wille zu Bewegung ist da – trifft aber leider den Mann zuhause nicht an.

Tipps gab es auch für die Partnerinnen dieser »Männer am Rande des Haltbarkeitsdatums«: In der Lebensmitte greifen sie zu den Nordic-Walking-Stöcken, wobei Nordic mit nervig gleichzusetzen ist. Akustisch und optisch seien Nordic-Walkerinnen eine Zumutung, stellte Vollmer augenzwinkernd fest. Das »fleischige Lieschen« tritt nur in Gruppen auf: Fregatten, die von Dickschiffen begleitet werden und nur durch Hinweisschilder zur nächsten Konditorei vom Kurs abzubringen sind.

In früherer Zeit fuhr der Mann den R4, die höchste Evolutionsstufe eines Regenschirms, oder einen Opel Kadett. Die Einparkhilfe beim Opel Manta war die Beifahrerin. Heute hat Vollmer das Navi aus seinem Fahrzeug verbannt – er will nicht, dass die Frau auch noch beim Auto fahren das Sagen hat.Auch die Bundesregierung, der »Club der kleinen Lichter«, wurde aufs Korn genommen. Der Kabarettist war überzeugt, dass Kanzlerin Angela Merkel beider nächsten Regierungserklärung die Perücke abnimmt und Hape Kerkeling zum Vorschein kommt. Das würde auch erklären, warum er dann mal weg war. Vollmer rockte, bis der Totengräber kommt: Krückstock and Roll war eine seiner musikalischen Einlagen. Die »Lady in Black« erzählte vom gesundheitsschädlichen Dinkelbrötchen. Desöfteren rückte er die »gesunde Ernährung« von Muttis oder Ehefrauen in den Blick: Die Weihnachtsgans musste aus einem fünf Kilogramm schweren Tofu-Block geschnitzt werden. Emanzipierte Frauen sind »scheiße«, stellte Vollmer trocken fest. Denn sie wissen: Vibratoren schnarchen nicht. Aber sie könne auch keinen Rasen mähen, konterte er.

Die Pünktlichkeit der Bahn, SMS als Abkürzung für »Sei mein Slave«, oder alternative Wohngemeinschaften mit Bewohnern, die eher ungesund aussehen und Sympathie-abstoßende Kleidung tragen – Vollmer nahm den deutschen Alltag der Generation um die 40 genau in den Blick. Auch  die dogmatischen Grünen bekamen musikalisch ihr Fett weg. Der Kabarettist lieferte einen gekonnt humoristischen Wegweiser für die vielleicht wildesten Jahre des Lebens inklusive Tipps für die Partnerin.

Die Einbecker Zuhörer erlebten pointensicheres, unterhaltsames und bestes politisches Kabarett mit einem Schuss Comedy. Mit sonnigem Lächeln teilte Vollmer seine verbalen Breitseiten aus gegen Fitness-Terroristen, Esoterik-Abzocker und Nordic-Walking-Mumpitz. Der Kabarettist präsentierte seine zündenden Sketche mit perfektem Timing, und dafür gab es vom Publikum – von Vollmer als Bockbier-Brasilianer bezeichnet – viel Applaus – große Kunst auf kleiner Bühne sorgt in der Alten Rathaushalle immer wieder für besondere Unterhaltung.sts