Im Winter frischen Salat ernten

Wintergärtnerei ist möglich | Verbesserung des Kleinklimas, innere und äußere Abdeckung

Markoldendorf. Die Wintergärtnerei in frostreichen Klimazonen ist eine relativ neue Disziplin. Wintergärtnerei ist etwas anderes als der Sommeranbau von frosthartem Gemüse wie beispielsweise Schwarzwurzeln, Feldsalat und Winterkresse (Barbarakraut), die unbeschadet Fröste bis minus 20 Grad Celsius überstehen.

Die echte Wintergärtnerei wurde von Biogärtnern in den USA entwickelt. Eliot Coleman war einer ihrer Pioniere, der durch jahrelanges geduldiges Austesten die dafür notwendigen Bedingungen entwickelt hat. Coleman, der im Bundesstaat Maine einen Gemüsebaubetrieb besitzt, ist damit auch wirtschaftlich sehr erfolgreich.

In Maine sind die Winter mit Temperaturen bis minus 30 Grad Celsius viel kälter als in Mitteleuropa, und Coleman baut dort in völlig ungeheizten Kalthäusern Salatmischungen an und in frostfreien Gewächshäusern (die er mit einem Thermostat knapp über 0 Grad Celsius hält) Speiserüben, Radieschen, Karotten und Rucola. Wintergärtnerei funktioniert also in Kalthäusern ohne oder nur mit sehr, sehr wenig Einsatz von Fremdenergie.

Der Nachteil dieses Anbauverfahrens ist schnell erzählt: Es ist die Ruhelosigkeit; man arbeitet das ganze Jahr hindurch. Wie bei anderen Gärtnern eine Jahreszeit zu haben, in der man zur Ruhe kommen könnte, gibt es nicht mehr. Coleman selbst sieht das allerdings nicht als Nachteil, denn er kann damit sein Einkommen regelmäßiger auf alle Monate verteilen und seine Angestellten durchgehend beschäftigen.

Aber wie schafft er es, bei Frösten bis minus 30 Grad Celsius Salat im ungeheizten Kalthaus zu ziehen? Sein Anbau basiert auf drei Elementen: Zum einen auf einer speziellen Sortenwahl von kältetolerantem Gemüse mit geringem Lichtbedarf. Coleman bewirtschaftet seine »Four-Season-Farm« nach dem Prinzip des »deep-organic« und meint damit einen Biogemüseanbau aus Überzeugung, der sich nicht an der Grenze des »gerade noch Erlaubten« entlanghangelt.

Gemäß dieser Einstellung erfolgt auch diese Sortenentwicklung im traditionellen Ausleseverfahren ohne gentechnische Hilfsmittel. Das zweite Element betrifft die präzise Auswahl der Aussaattermine exakt für jede Kultur, was weit genauer geplant werden muss als bei der Frühjahrsaussaat. Die Pflanzen müssen beispielsweise einen bestimmten Reifegrad haben, bevor die Tageslänge unter zehn Stunden fällt (in Maine ist das ab dem 5. November).

Das dritte und wesentlichste Element ist dann die Technik der geschützten Produktion. Da man sich auf den natürlichen Schutz des Schnees nicht verlassen kann, ist der beste Ersatz dafür ein (einfach bespannter) Folientunnel oder ein Foliengewächshaus, das - anders als im Sommer - in Ost-West-Richtung aufgebaut wird. Im Foliengewächshaus werden die Kulturen dann durch eine zweite Schutzschicht, eine Reihenabdeckung aus dünnem Vlies, geschützt, das über Drahtbügel in einer Höhe von etwa 30 Zentimetern direkt über die Kulturen gelegt wird.

Die Folge ist ein doppelt temperiertes Kleinklima, wobei der Boden als Wärmespeichermedium fungiert. Bei einer Außentemperatur von minus 26 Grad Celsius beträgt die Temperatur unter der inneren Abdeckung minus 10 bis minus 8 Grad Celsius, was die angebauten Pflanzen problemlos überstehen, da sie nicht den übrigen Stressfaktoren des Freilands ausgesetzt sind und die höhere Luftfeuchtigkeit unter der Abdeckung zusätzlich vor Frost schützt.

Es macht auch nichts aus, wenn die Kulturen nachts festfrieren, Sonne (schon diffuses Sonnenlicht bei Bewölkung) lässt sie auftauen und bei Plusgraden weiterwachsen. Diese Verbesserung des Kleinklimas durch Kombination von innerer und äußerer Abdeckung: Das ist die ganze, einfache Technik, mit der man auch im Winter ohne Fremdenergie Salat für eine regionale Versorgung ernten kann.

Die spannende Frage ist nun, ob eine solche Wintergärtnerei auch unter südniedersächsischen Bedingungen möglich ist. Die Biogärtnerin Marion Schole aus Markoldendorf hat es in ihrem Garten im Kleinformat ausgetestet. Im Vergleich zu den Bedingungen in Maine erweist sich das Klima hier als deutlich angenehmer: Die Winter sind wärmer, minus 20 Grad Celsius etwa werden nur in Ausnahmefällen erreicht.

Aber mit der Tageslänge ist es schwieriger: Die Grenze von zehn Stunden wird bereits am 26. Oktober erreicht. Den Aussaattermin für den Wintersalat hat Marion Schole dementsprechend angepasst und auf den 10. August vorgezogen. Die Salatpflänzchen wurden im September ins Freiland beziehungsweise in ein Gewächshaus gepflanzt und nach den ersten stärkeren Frösten im Dezember unter Vlies und Folientunnel oder unter Vlies und Glasglocke eingewintert.

Als Sorte wurde ein Winter-Kopfsalat von einem Bio-Saatgutversand aus Witzenhausen bezogen. Und nun das Ergebnis im Januar: Die Salatköpfe waren unter diesen Licht- und Wärmebedingungen tatsächlich auch im Dezember und Januar weitergewachsen, so dass von den Freilandflächen bereits im Januar (statt üblicherweise erst im März/April) Salatköpfe geerntet werden konnten.

Die Salatköpfe im Pflanzenhaus waren wegen des sehr warmen Septembers bereits im November erntereif gewesen, und lieferten unter dem zusätzlichen Vlies-Schutz perfekte Ernten bis in den Januar (und mit Sicherheit auch noch den restlichen Winter über). Deshalb hätte, so Marion Schole, der Aussaattermin für die Freilandpflanzen doch noch etwas früher erfolgen können; im nächsten Jahr soll er auf den 1. August vorgezogen werden.

Die Biogärtnerin ist mit diesem ersten Versuch zufrieden und möchte allen Gartenbesitzern Mut machen, es einmal mit der Wintergärtnerei zu versuchen. Im Hausgarten sei die zusätzliche Arbeit überschaubar, und eigenen frischen Salat und Gemüse auch im Winter zu ernten, lohne die zusätzliche Mühe allemal. Man könne auch noch weiter denken: Ganz allgemein wäre es mit dieser Methode möglich, auch in Deutschland einen Großteil des winterlichen Salat- und Gemüsebedarfs regional und ohne Fremdenergie-Zufuhr zu decken.oh

Dassel

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