»Unfälle passieren nicht, sie werden gemacht«

Polizei-Inspektion Northeim stellt Unfallstatistik für 2018 vor | Weniger Unfälle, mehr Tote und Schwerverletzte

Wenn es um Ablenkung am Steuer geht, spielt das Handy eine große Rolle. Die Polizeiinspektion Northeim wird deshalb weiter gezielt daraufhin kontrollieren. Die Verkehrsunfallstatistik 2018 haben jetzt Polizeichef Hans Walter Rusteberg, Peter Schliep, Simone Köhler und Niklas Fuchs (von links) vorgestellt.

Region. Ein leichter Rückgang bei den Unfallzahlen, aber mehr Verkehrstote und mehr Schwerverletzte: Die Polizei-Inspektion Northeim hat jetzt die Verkehrsunfallstatistik für 2018 vorgestellt.

Die Situation sei ähnlich wie im Vorjahr gewesen, stellte Polizeidirektor Hans Walter Rusteberg fest. In der Statistik seien allerdings nur die von der Polizei erfassten Unfälle aufgeführt; man könne davon ausgehen, dass mehr als 50 Prozent direkt zwischen den Beteiligten geregelt würden.

Die Polizei hat im vergangenen Jahr 3.104 Verkehrsunfälle aufgenommen, das war ein Rückgang von rund zwei Prozent gegenüber 2017, als es 3.168 Unfälle waren. Meist blieb es dabei beim Blechschaden. 1.850 mal krachte es auf innerörtlichen Strecken, 1.255 mal außerhalb; diese Unfälle waren aufgrund der höheren Geschwindigkeit in der Regel schwerer. Bei der Vermeidung von Unfällen beziehungsweise bei der Begrenzung von deren Folgen spielten Medizin und Rettungsdienste ebenso eine Rolle wie Straßenbau oder die Gestaltung des Verkehrsraums. Und auch technische Verbesserungen, etwa Kurven-ABS für Motorräder oder Helme für Fahrradfahrer, wirkten sich aus. Zu den Sicherungssystemen der Zukunft zähle Alcolog, das Alkoholfahrten verhindern solle.

»Unfälle passieren nicht, sondern sie werden gemacht«, sagte Rusteberg. Die Hauptunfallursachen waren Vorfahrtverstöße (198), falsches Abbiegen (66), zu geringer Abstand (648), überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit (173). Aber auch Unfälle unter Alkohol- (51) und Drogeneinfluss (sieben) wurden aufgenommen.

Gestiegen ist die Zahl der Unfälle mit Personenschaden: von 419 auf 442. Einen Anstieg hat es bei der Zahl der Verkehrstoten gegeben: von drei auf sechs. Die Zahl der Schwerverletzten erhöhte sich um 14 auf 103. Bei der Betrachtung der sogenannten Risikogruppen waren bei den jungen Fahrern rückläufige Zahlen zu verzeichnen: von 692 auf 593. Sie machen acht Prozent der Bevölkerung aus, verursachten aber 15 Prozent der Unfälle. Dagegen stiegen sie bei den Senioren über 65 Jahre von 629 auf 705 an. Das seien jedoch keine sehr auffälligen Zahlen.

Die Zahl der Unfälle mit mindestens einer getöteten oder schwerverletzten Person stieg leicht von 83 auf 97. Hier gebe es, erläuterte Rusteberg, ein ganzes Ursachenbündel. Ablenkung am Steuer müsse man ebenso dazu zählen wie verstärktes Fahrzeugaufkommen auf den Landstraßen durch die Autobahnbaustelle. Hinter jeder Zahl stecke ein Schicksal, das betonte er mit Blick auf die Entwicklung bei den Schwerverletzten. Bei einem schweren Unfall schaue die Polizei alle Faktoren, die dazu beigetragen haben könnten, genau an, erläuterte der Sachbearbeiter Verkehr, Polizeihauptkommissar Peter Schliep.

Einen klassischen Baumunfall hat es im vergangenen Jahr nicht gegeben, auch keinen tödlichen Unfall im Zusammenhang mit einem Baum. Allerdings stieg die Zahl der Schwerverletzten um drei auf elf. Auch dies sei ein Thema, gegen das man arbeiten müsse, und die Verkehrsbehörden hätten auch auf einigen Strecken schon reagiert, etwa durch die Anbringung von Schutzplanken.

Sehr aktiv war die Polizei wieder bei der Verkehrsüberwachung in Bezug auf Alkohol. Einen durch Alkohol verursachten tödlichen Verkehrsunfall gab es nicht, aber die Zahl der Unfälle ist von 40 auf 49 gestiegen. Hier gebe es aber hohen Kontrolldruck. Den gab es auch wieder in Bezug auf Fahrten unter Drogeneinfluss. »Gerade die jungen Kollegen sind dabei inzwischen sehr gut geschult«, stellte Rusteberg fest. Sieben Verkehrsunfälle ließen sich auf Drogenkonsum zurückführen.

Einen Schulwegunfall hat es nicht gegeben, und kein Kind wurde schwer verletzt oder getötet. Hier machten sich verschiedene Aktionen positiv bemerkbar. Als Insassen von Fahrzeugen wurden 19 statt zuvor 15 Kinder verletzt, als Fußgänger zehn statt neun im Vorjahr. Von sieben auf zwölf ist die Zahl der Kinder gestiegen, die als Fahrradfahrer einen Unfall hatten. Man könne damit nicht alles erklären, aber der lange Sommer spiele sicher eine Rolle, vermutete Schliep: Es seien einfach mehr Kinder unterwegs gewesen.

Mehr Wild und mehr Verkehr, aber trotzdem gab es sinkende Zahlen bei den Wildunfällen: um 50 auf 627. Und mit solchen Zusammenstößen müsse man rund um die Uhr rechnen, nicht nur in den Abend- und Nachtstunden. Ein ganzes Maßnahmenpaket, zu dem unter anderem freigeschnittene Seitenräume, aber auch Reflektoren sowie Tempobegrenzungen zählen, habe Erfolg gezeigt, hieß es.

Unerfreulich für die Polizei – und für die Geschädigten – ist die steigende Zahl der Verkehrsunfallfluchten: Es gab ein Plus von 631 auf 659, das waren drei Prozent. Das sei völlig unverständlich, betonte Hans Walter Rusteberg, denn jeder Autofahrer sei versichert. Es handele sich bei einer Unfallflucht um eine Straftat, und bei einem Fremdschaden ab 1.500 Euro sei der Führerschein weg. Die Aufklärungsquote konnte von 42,5 auf 45,8 Prozent gesteigert werden.

Die meisten Fälle, so die Verkehrssicherheitsberaterin, Polizeikommissarin Simone Köhler, ereigneten sich auf den Parkplätzen von Supermärkten. Viele Flächen seien nach wie vor schmal bemessen, während die Autos in den vergangenen Jahren breiter geworden seien. Hier war die Polizei auch mit einem Präventionsprogramm vor Ort beziehungsweise hat dazu aufgerufen, Zivilcourage zu zeigen und sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen.

Die Kampagne »Rummsss!!!«, in der dafür geworben wird, für den Unfall gerade zu stehen beziehungsweise bei möglichen Beobachtungen die 110 zu wählen, werde weiter laufen, kündigte sie an.

Warum das Thema Gurtpflicht beziehungsweise der Verstoß dagegen auch nach mehr als 40 Jahren noch ein Thema ist, ist der Polizei ein Rätsel. Aber 1.625 Fälle wurden im vergangenen Jahr gezählt, wieder über 100 mehr als im Vorjahr. Dabei sei der Gurt der Lebensretter Nummer 1. Umso mehr legt die Polizei Wert darauf, dazu gezielt zu überwachen.

Ablenkung sei ein Thema, das leider immer größeren Raum einnehme, stellte der Leiter Einsatz, Polizeioberrat Niklas Fuchs, fest – dazu zähle vor allem das Handy. Immerzu erreichbar zu sein, das habe die Verstöße gegen Handynutzung innerhalb von fünf Jahren auf 784 Fälle mehr als verdoppelt. Die Ahndung, die man weiter intensivieren werde, sehe die Polizei als Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Selbst die Anhebung des Bußgeldes auf 100 Euro und einen Punkt hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Polizei will auch bei Verkehrsunfällen ein stärkeres Augenmerk auf die Einhaltung des Verbots richten und prüfen, ob Smartphones bei Unfällen eine Rolle gespielt haben. Der Verkehr werde immer komplexer, ergänzte Simone Köhler, da müsse man aufmerksam folgen können. Deshalb sei Prävention schon bei Jugendlichen wichtig. Die Folgen von nur kurzer Unaufmerksamkeit kenne jeder – aber dieses Wissen sei noch nicht bei jedem angekommen.ek

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